Langenhorn. Diskretion war lange Zeit erste Bürgerpflicht, doch jetzt schreibt der Altkanzler selbst erstmals über eine heimliche Affäre.

So etwas kann eigentlich nur in einer Hansestadt wie Hamburg so lange gutgehen. Da interpretiert der mit Abstand namhafteste Politiker die Gesetze seiner Ehe dauerhaft nach eigener Fa­çon – recht liberal also –, doch gab es pikante Details nur hinter den Kulissen. Alle Welt meint heute, „davon“ gewusst zu haben, doch richtig publik wurde es nie. Die Rede ist von Helmut Schmidt und den Frauen. Nicht von der ihm angetrauten Loki, sondern von anderen Frauen. Diskretion war Bürgerpflicht. Bis jetzt.

Der Altkanzler höchstpersönlich lüftet nun offiziell ein Geheimnis, das für altgediente Genossen gar keines war. „Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau“, bekennt Schmidt in seinem neuen Buch mit dem passenden Titel „Was ich noch sagen wollte“. Es erscheint an diesem Sonnabend im Verlag C. H. Beck und wird in der aktuellen Ausgabe des „Sterns“ auszugsweise nachgedruckt.

Geständnis ist eingewebt in erstaunlich zärtliche Liebeserklärung an Loki

Anders formuliert: Zehn Wochen nach seinem 96. Geburtstag packt der Senior aus. Und zwar auf seine Art: wohl durchdacht, von langer Hand geplant, auf den ersten Blick eher en passant. Eingewebt in eine für Schmidts Verhältnisse erstaunlich zärtlich formulierte Liebeserklärung an seine im Oktober 2010 verstorbene Ehefrau Hannelore alias Loki, widmet er der Jahrzehnte zurückliegenden Romanze genau zwei Absätze. Es ist ein Geständnis in aller Kürze.

„In unserer 68 Jahre währenden Ehe hat es ein einziges Mal etwas gegeben, was ein Außenstehender eine Krise nennen könnte“, gibt der gebürtige Barmbeker zu Protokoll. „Ich hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau.“ Der SPD-Politiker, der seine Gegenüber nach wie vor mit einem exzellenten Erinnerungsvermögen und vielen präzisen Zahlen überrascht, fährt in seinem Buch ungenau fort: „Es muss Ende der 60er- oder Anfang der 70er-Jahre gewesen sein, als Loki mir deswegen die Trennung angeboten hat.“

Des damaligen Bundesministers und späteren Kanzlers Sicht der damaligen Dinge: „Ich war völlig fassungslos: Ich kann mich doch nicht von dir trennen. Es war in meinen Augen eine ganz und gar abwegige Idee – aber für Loki war es bitterer Ernst.“ Zu anderen mehr, weniger oder gar nicht ausgelebten Versuchungen äußert sich der prominente Autor nicht.

Dafür schreibt er über die genannte, offensichtlich lange währende außereheliche Beziehung rückblickend: „Es tut mir heute noch weh, wenn ich an jenen mehr als vier Jahrzehnte zurückliegenden Tag denke. Wahrscheinlich habe ich die Dramatik, die für Loki mit ihrem Schritt verbunden war, unterschätzt. Ich hatte ein tief empfundenes Schuldbewusstsein. Aber Loki hat mein völliges Unverständnis für ihr Angebot sogleich und zutreffend als Zeugnis meiner Treue zu ihr gewertet.“ Helmut Schmidts Fazit: „Damit war die Ehekrise schon wieder aus der Welt, sie hat auch später zwischen uns keinerlei Rolle gespielt.“

Damit bekennt der 96-Jährige erstmals frank und frei, was nicht nur Parteifreunde „immer schon“ hinter vorgehaltener Hand berichteten. Und, na klar, es gibt noch viel wildere Geschichten. War der frühere Senator, Minister und Kanzler ein Schlawiner, ein Schürzenjäger gar?

In einem separaten Beitrag unter der Überschrift „Der kühle Macher und die Frauen“ meint der „Stern“ im von Helmut Schmidt nun freiwillig preisgegebenen Liebesfall mehr zu wissen: „Auch nach der Trennung hielt der Kontakt.“ Nach Informationen des Wochenmagazins nahm Schmidt nach dem Tod der früheren Geliebten vor zwei Jahren (also zwei Jahre nach Lokis Beerdigung) „an der Beisetzung im relativ kleinen Kreis teil.“.

Kommt ein Stück Lebensbeichte jetzt, weil es sein letztes Buch sein soll?

Ein Meister wohl formulierter und gezielt platzierter Worte wie Helmut Schmidt weiß natürlich ganz genau um die Wirkung der beiden Absätze in seinem neuesten Werk. Kommt ein Stück Lebensbeichte jetzt, weil es wirklich sein letztes Buch sein soll?

Im August 2012 hatte der Altkanzler einen ähnlichen Donnerhall mit einem gleichfalls scheinbar zufällig in einem „Zeit“-Artikel untergebrachten Nebensatz geerntet. Damals informierte der rüstige Senior die Öffentlichkeit auf hanseatisch dezente Art über die Existenz einer neuen Frau an seiner Seite: Ruth Loah, langjährige Vertraute, Sekretärin und sozialdemokratische Weggefährtin.

Die heute 81-Jährige nimmt die Rolle einer Seelenverwandten ein, die dem 15 Jahre älteren Freund helfend zur Seite steht und zu seiner Unterhaltung beiträgt. Frau Loah begleitete Herrn Schmidt auch nach Berlin, als Bundespräsident Joachim Gauck den Altkanzler aus Langenhorn anlässlich dessen 95. Geburtstags würdigte. „Das ist natürlich in so hohem Alter ein ganz besonderes Verhältnis“, weiß einer aus dem engen Umfeld Helmut Schmidts. „Die beiden verstehen sich auch ohne viele Worte."

Unabhängig von Ruth Loah, der im neuen Buch versteckten Seitensprung-Beichte und dem, was sonst womöglich noch so vorgefallen sein mag, ist in Schmidts Freundeskreis eine Tatsache unbestritten: Loki war die große Liebe seines Lebens!

Die Schätze seiner verstorbenen Ehefrau bewahrt Schmidt zu Hause weiter auf

68 Jahre Ehe waren das Äußere, die innere Zuneigung währt länger. Helmut Schmidt wiederholt heutzutage gerne umgekehrt, was Loki zu Lebzeiten so gerne über ihn sagte: „Er ist mein Zuhause.“ Gemeint ist eine seelische Verbundenheit, eine über so viele Jahre gewachsene Zuneigung.

Und wer den Witwer nach Hannelores Tod daheim am Neubergerweg in Langenhorn besuchte, fand dort ein kleines „Lokiseum“ vor. Die Schätze seiner verstorbenen Ehefrau wie Steine, getrocknete Pflanzen oder kleine Skulpturen werden unverändert in Ehren gehalten.

Trauerfeier für Loki Schmidt im November 2010: