Jagsthausen
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Wie Freiherren heute leben

Gottfried und Hans-Sigmund von Berlichingen haben aus dem Pferdestall des Roten Schlosses ein Restaurant gemacht.

Von Vanessa Müller
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Lesezeit  2 Min
Wie Freiherren heute leben
Wo früher Kutscher und Pferdeknechte arbeiteten, speisen heute die Gäste des Restaurants Rotes Schloss. Gottfried von Berlichingen, Frau und Kinder leben Im Herrensitz. Foto:Privat

Ein Adeliger, der auf seinem Herrensitz thront und in Prunk und Pracht die Jahre überdauert. "Das gibt es heute kaum noch in Deutschland", sagt Gottfried Freiherr von Berlichingen. "Ich würde sogar sagen: Ich kenne keinen, der nicht unternehmerisch denkt".

Der Nachfahre des berühmten Ritters mit der eisernen Hand weiß, wovon er spricht. Ein Baron, der Bier ausschenkt? "Wirt zu sein, war zur Jahrhundertwende noch verpönt in Adelskreisen." Heute ist er längst nicht der einzige, der in seinem Herrensitz eine Gastronomie betreibt. Vor zehn Jahren hat die Familie den früheren Pferdestall des Roten Schlosses zum Restaurant umgebaut. Zufällig eigentlich, aus einer Sommerlaune heraus.

Mit dem Bruder gibt es Zukunftspläne

Aufgewachsen ist von Berlichingen auf Gut Halsberg oberhalb des Klosters Schöntal. Landwirtschaft statt Lustwandeln in Ziergärten. Kein Wunder, dass er sich entschließt, in Göttingen Agrarwissenschaften zu studieren - genau wie sein Bruder Hans-Sigmund. Dort lernt er auch seine heutige Frau Julia kennen. "Damals haben wir angefangen davon zu träumen, etwas eigenes aufzumachen", erinnert er sich. Auch mit dem Bruder gibt es Zukunftspläne. Aber als allererstes brauchen sie das, was jeder Unternehmer auf dem Konto haben muss: Startkapital.

"Also haben wir uns überlegt, den Sommer über nach Jagsthausen zu gehen und in der Burgfestspiel-Saison Geld zu verdienen." Mit einem Kiosk am Roten Schloss, das wie das Weiße Schloss nebenan in Familienbesitz ist. Als erstes entrümpeln sie den früheren Pferdestall, zwischenzeitlich Garage und Ablage für Forstwerkzeuge. Küche, Biergarten: Das Projekt wächst und wächst - schneller als sie gedacht haben. Seine Frau und Gottfried von Berlichingen ziehen ins Rote Schloss ein. Vater Konrad sowie Bruder Hans-Sigmund und Familie leben im Weißen.

Verglaster Durchgang zum Gastpferdestall 

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Die Familie (v.l.): Gottfried Freiherr von Berlichingen mit Frau Julia sowie sein Bruder Hans Sigmund mit Frau Sabrina und ihren Kindern. Foto: Katharina Müller

"Wir hatten eigentlich immer noch keine Ahnung, was wir da tun", sagt der Baron schmunzelnd. "Aber kaum waren die Festspiele gestartet, war bei uns total viel los." Und zwar so viel, dass sie 2013 umbauen. Eine offene Küche und ein verglaster Durchgang zum Gastpferdestall kommen dazu. "Wo jetzt der Wickeltisch steht, hat früher der Kutscher der Schlossbesucher übernachtet", erklärt der Baron. Außerdem wird die Terrasse nach hinten erweitert.

Freiherr, Freifrau und ihre drei Kinder mittendrin zwischen Restaurantgästen und Hochzeitsgesellschaften. Ob er Wert darauf legt, von ihnen mit Baron angesprochen zu werden? Von Berlichingen schüttelt lachend den Kopf. "Wenn Sie 25 sind, passt der Schuh nicht so richtig. Heute können mich die Leute gerne so nennen, ich bestehe aber nicht darauf." In früheren Zeiten undenkbar. Zwischen 1572 und 1590 von Hans Reinhard von Berlichingen errichtet, hat das Rote Schloss so manchen adeligen Bewohner kommen und gehen sehen. Manche Schöngeister, andere bodenständig. Im ausgehenden 19. Jahrhundert etwa ist hier der Sitz des Berlichingen"schen Rentamts. Später wohnen zeitweilig auch Schauspiele der Festspiele in den Wohnungen.

Seit über 600 Jahren lebt die Familie hier

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Rotes Schloss. Foto: Vanessa Müller

Das Weiße Schloss, auch Neues Schloss genannt, wird 1792 von Graf Joseph von Berlichingen gebaut. Es ist also das jüngste des Dreierensembles, bestehend aus Rotem und Weißem Schloss auf der einen Seite und der Götzenburg aus dem 15. Jahrhundert, Wohnsitz von Alexandra Freifrau von Berlichingen und Familie, auf der anderen. "Nach dem Zweiten Weltkrieg war Jagsthausen von Amerikanern besetzt", erzählt der Baron. "Sie legten fest, dass Großgrundbesitzer Flächen abgeben müssen. Je größer die Ländereien, desto mehr verloren sie." In dieser Zeit beschließt die Familie, den Gesamtbesitz aufzusplitten.

"Aber die Identifikation mit unseren Wurzeln bleibt bestehen", sagt Gottfried von Berlichingen. "Seit über 600 Jahren lebt unsere Familie hier. Es ist unsere Aufgabe, einen gesunden Betrieb und das Gefühl für Heimat an unsere Kinder weiterzugeben."

 
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