In den beiden Vorauflagen des Handbuchs hieß dieser Beitrag noch „Das Bundesverfassungsgericht und die Frauen“. Was Assoziationen weckt, etwa an die Biografie eines Altkanzlers, Außenministers oder einer anderen (historisch) wichtigen und dabei (traditionell) männlichen Persönlichkeit, zu denken wäre vielleicht auch an die eines Schauspielers mit aufregendem Lebenswandel („… und die Frauen“), hat Christine Hohmann-Dennhardt in ihrem Beitrag aus den ersten beiden Auflagen dieses Handbuchs aus dem Jahr 2006 (der Beitrag wurde in der zweiten Auflage 2015 unverändert übernommen) als „Neugierde weckende Allianz“ logisch miteinander verknüpft. Erhalte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit einem „und“ die Frauen an seine Seite gestellt, müsse man nicht allzu lange suchen, um beide auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: „die Gleichberechtigung“.Footnote 1

Dabei könne man mit Fug und Recht von einem Wechselspiel zwischen dem BVerfG und den Frauen reden. Ohne Frauen gäbe es nicht das Gleichberechtigungsgebot in unserer Verfassung, ohne dieses hätte das BVerfG den Frauen nicht zu ihren Rechten verhelfen können, und Frauen wiederum hätten in diesem Gericht das ihre dazu beigetragen, der Gleichberechtigung Nachdruck zu verleihen.Footnote 2

Bei „der Gleichberechtigung“ geht es um die Gleichberechtigung von „Männern und Frauen“, wie sie in Art. 3 Abs. 2 GG bereits seit Schaffung des Grundgesetzes (heute: Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG) festgeschrieben ist. Mit dem Titel „und die Frauen“ hervorgehoben werden aber „die Frauen“ und nicht etwa „die Männer“ Dass das so ist und der Beitrag nicht etwa auch in dieser Auflage als „Das Bundesverfassungsgericht und die Männer“ Neugierde weckt, weist auf ein strukturelles Problem hin. Gemessen an der Vielzahl der am BVerfG bisher tätigen Männer (vgl. dazu noch unter Abschn. 1) würde „Das Bundesverfassungsgericht und die Männer“ der Historie des BVerfG sogar besser entsprechen (waren am BVerfG doch von Beginn an vor allem Männer und erst ab den 1990er-Jahren vermehrt auch Frauen tätig, vgl. dazu noch unter Abschn. 1 und 2), formuliert wird aber mit Blick auf die strukturelle Minderheit, die im Falle der „Frauen“ gemessen an der Gesamtbevölkerung eigentlich keine Minderheit ist, sondern etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmacht.

Werden „die Frauen“ dem Bundesverfassungsgericht mit einem „und“ an die Seite gestellt und derart hervorgehoben, könnte man auch auf die Idee kommen, dass mit diesen „Frauen“ irgendetwas nicht stimmt. Tatsächlich ist das „Frausein“ überhaupt nicht zu beanstanden; werden „die Frauen“ aber derart hervorgehoben, ging es 2006 und geht es auch heute – und damit mehr als 70 Jahre nach Schaffung von Art. 3 Abs. 2 GG – immer noch um: „die Gleichberechtigung“.

Das liegt vor allem auch daran, dass die gelegentlich geäußerte Auffassung, das mit „dieser Gleichberechtigung“ habe sich „mittlerweile doch wohl erledigt“, so nicht zutreffend ist. Tatsächlich herrscht in der deutschen Rechtsordnung heute ganz überwiegend formale Gleichheit, materielle Gleichheit, in der Form, dass gerade für Frauen aus dieser formalen Gleichheit auch dieselben Chancen erwachsen würden, herrscht aber nicht.Footnote 3 Dabei wird letzterem bereits seit 1994 auch im Grundgesetz begegnet, weil der Verfassungsgeber – dem BVerfG folgend – erkannt hatte, dass ersteres nicht ausreichen würde. Art. 3 Abs. 2 (Satz 1) GG trifft bereits seit Schaffung des Grundgesetzes eine absolute Feststellung: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Hatte das BVerfG dieser Formulierung bereits von Beginn an auch ein Gebot der Förderung der Gleichberechtigung in Bereichen entnommen, in denen vor allem Frauen benachteiligt waren, wurde dieses Gebot im Jahr 1994 als Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch ausdrücklich im Grundgesetz festgeschrieben: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Trotz dieser ausdrücklichen verfassungsrechtlichen GeboteFootnote 4 wird zum Teil auch heute noch (oder schon wieder) übersehen, dass es bei Maßnahmen zur Herstellung materieller Gleichheit (immer noch) um ein verfassungsrechtlich gebotenes Abstellen von Diskriminierungen, den Ausgleich struktureller Nachteile geht und ganz und gar nicht um eine anlasslose Übervorteilung der Angehörigen eines anderen Geschlechts. Dabei wirkt „die Gleichberechtigung“ gerade auch zugunsten von Männern, wenn diese diskriminiert oder strukturell benachteiligt werden und in bestimmten Bereichen unterrepräsentiert sind.

Geht es nicht nur um eine Diskriminierung von „Männern und Frauen“ (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG) gegenüber „Frauen und Männern“ (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG), sondern auch darüber hinaus um Diskriminierungen „wegen des Geschlechts“, misst das BVerfG diese an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sowie ganz überwiegend auch an Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Von Art. 3 GG erfasst ist damit letztlich jede Diskriminierung „wegen des Geschlechts“, und jedenfalls seit 2017 steht dabei fest: Auch aus Sicht des BVerfG gibt es nicht nur „Männer und Frauen“, sondern die Welt ist darüber hinaus auch „divers“.Footnote 5

Männlich, weiblich, divers (m/w/d) ist dabei die Reihenfolge, die in Stellenanzeigen sicher am häufigsten vorkommt und die ich hier auch für den aktualisierten Titel dieses Beitrags gewählt habe. Die Reihenfolge dürfte (absteigend) der Verteilung der Geschlechtsidentität der am BVerfG bisher tätigen Personen entsprechen (vgl. im Folgenden jeweils unter Abschn. 1, 2 und 3 sowie insbesondere noch unter Abschn. 3.4), sie dürfte darüber hinaus (aufsteigend) aber auch den gesellschaftlichen Diskriminierungsindex widerspiegeln, wobei Männer und Frauen (zur Rechtsprechung zur „Gleichberechtigung“ vgl. noch unter Abschn. 2) gegenüber „divers“ häufig dann plötzlich auch zusammen eine Vergleichsgruppe bilden.Footnote 6 Wie bei jeder Art von Diskriminierung wird dann leicht übersehen, dass man gerade noch selbst diskriminiert wurde (vgl. etwa zur Diskriminierung von Trans* Personen noch unter Abschn. 3).

1 Männlich

Bisher waren es vor allem Männer, die am BVerfG Recht gesprochen haben.Footnote 7 Dabei war von Beginn an zunächst immer genau eine Verfassungsrichterin am BVerfG tätig. Ab 1986 gehörten dem BVerfG immer mindestens zwei Verfassungsrichterinnen an, ab 1994 immer mindestens drei Verfassungsrichterinnen. Bisher waren 96 Verfassungsrichter und 22 Verfassungsrichterinnen am BVerfG tätig, wobei die Zahl der Verfassungsrichterinnen sich überhaupt erst in den letzten 13 Jahren verdoppelt hat. Bis 2010 haben elf Verfassungsrichterinnen am BVerfG Recht gesprochen, und diese elf Verfassungsrichterinnen waren es auch, deren Verdiensten um die Gleichberechtigung Christine Hohmann-Dennhardt sich mit ihrem Beitrag in den beiden Vorauflagen dieses Handbuchs u. a. gewidmet hat.Footnote 8 Neben den 13 Vizepräsidenten, die bisher am BVerfG tätig waren, gibt es derzeit eine zweite Vizepräsidentin, neben den neun Präsidenten gab es bisher eine Präsidentin.Footnote 9

Insgesamt ist die Liste der bisherigen Verfassungsrichter daher lang:

Konrad Zweigert, Hermann Höpker-Aschoff, Rudolf Katz, Martin Drath, Julius Federer, Ernst Friesenhahn, Georg Fröhlich, Willi Geiger, Gerhard Heiland, Anton Henneka, Walter Klaas, Joachim Lehmann, Gerhard Leibholz, Claus Leusser, Theodor Ritterspach, Conrad Frederick Roediger, Hans Georg Rupp, Herbert Scholtissek, Erwin Stein, Franz Wessel, Bernhard Wolff, Wilhelm Ellinghaus, Kurt Zweigert, Egon Schunck, Josef Wintrich, Karl Heck, Hans Kutscher, Gebhard Müller, Hugo Berger, Friedrich Wilhelm Wagner, Karl Haager, Gregor Geller, Werner Böhmer, Wolfgang Zeidler, Hans Brox, Fabian von Schlabrendorff, Walter Seuffert, Hans-Justus Rinck, Helmut Simon, Walter Rudi Wand, Ernst Benda, Hans Joachim Faller, Martin Hirsch, Joachim Rottmann, Konrad Hesse, Dietrich Katzenstein, Engelbert Niebler, Helmut Steinberger, Ernst Träger, Hermann Heußner, Ernst Gottfried Mahrenholz, Franz Niedermaier, Johann Friedrich Henschel, Roman Herzog, Ernst-Wolfgang Böckenförde, Hans Hugo Klein, Otto Seidl, Dieter Grimm, Thomas Dieterich, Everhardt Franßen, Paul Kirchhof, Konrad Kruis, Alfred Söllner, Jürgen Kühling, Klaus Winter, Bertold Sommer, Dieter Hömig, Udo Steiner, Winfried Hassemer, Hans-Joachim Jentsch, Hans-Jürgen Papier, Siegfried Broß, Udo Di Fabio, Wolfgang Hoffmann-Riem, Brun-Otto Bryde, Rudolf Mellinghoff, Michael Gerhardt, Reinhard Gaier, Herbert Landau, Michael Eichberger, Wilhelm Schluckebier, Ferdinand Kirchhof, Johannes Masing, Andreas Voßkuhle, Andreas Paulus, Peter M. Huber, Peter Müller, Ulrich Maidowski, Josef Christ, Henning Radtke, Stephan Harbarth, Heinrich Amadeus Wolff, Thomas Offenloch, Martin Eifert, Peter Frank, Holger Wöckel.Footnote 10

Die Liste der bisherigen Verfassungsrichterinnen ist kurz:

Erna Scheffler, Wiltraut Rupp-von Brünneck, Gisela Niemeyer, Karin Graßhof, Helga Seibert, Jutta Limbach, Renate Jaeger, Evelyn Haas, Lerke Osterloh, Christine Hohmann-Dennhardt, Gertrude Lübbe-Wolff, Monika Hermanns, Susanne Baer, Gabriele Britz, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König, Christine Langenfeld, Yvonne Ott, Astrid Wallrabenstein, Ines Härtel, Rhona Fetzer, Miriam Meßling.Footnote 11

Derzeit sind am BVerfG neun Verfassungsrichter und sieben Verfassungsrichterinnen tätig.Footnote 12 Damit ist das BVerfG nach einer kurzen Phase, in der es von Juli 2020 bis Februar 2023 zum ersten Mal mit mehr Verfassungsrichterinnen als Verfassungsrichtern (9:7) bzw. von Februar 2023 bis Dezember 2023 jedenfalls nach Männern und Frauen paritätisch (8:8) besetzt warFootnote 13 (vgl. zu beidem noch unter Abschn. 2), wie in den letzten mehr als 70 Jahren absolut üblich wieder mit mehr Männern als Frauen besetzt. Welchen Beitrag die einzelnen Persönlichkeiten zur Rechtsprechung des BVerfG geleistet haben oder noch leisten werden und welche Rolle dabei insbesondere auch ihr Geschlecht gespielt hatFootnote 14 oder noch spielen wird, lässt sich anhand nur weniger auch außerhalb des Gerichts sichtbarer Anhaltspunkte lediglich erahnen. Allein gemessen an ihrer Zahl müsste der Einfluss der Verfassungsrichter jedenfalls nahezu durchweg deutlich größer gewesen sein als der der Verfassungsrichterinnen. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Rechtsprechung des BVerfG zu Fragen der Gleichberechtigung, die bisher vor allem Ungleichbehandlungen von Frauen betrafen, wird deutlich, dass dort jedenfalls nicht ausschließlich Frauen die Rechte von Frauen gestärkt haben können. In der Vergangenheit hat sich das BVerfG häufig – zum Teil auch besetzt mit nur einer einzigen Frau (vgl. unter Abschn. 2.1) – als Motor der GleichberechtigungFootnote 15 betätigt (vgl. unter Abschn. 2.2). Auch wenn sich die Verfassungsrichterinnen und -richter bisher jedenfalls nach außen selbst nicht allzu „divers“ gezeigt haben (ein Gender*sternchen braucht man hier daher wohl auch nicht, vgl. dazu noch unter Abschn. 3.4), lässt sich dem BVerfG mit seiner Rechtsprechung zu „Diskriminierungen wegen des Geschlechts“ im Übrigen (vgl. dazu insgesamt noch unter Abschn. 3) dieselbe Funktion – eines vor allem auch den Gesetzgeber immer wieder anstoßenden Motors – zuschreiben.

2 Weiblich

2.1 Frauen am Bundesverfassungsgericht

Am BVerfG sind nicht nur Frauen als Verfassungsrichterinnen, sondern auch Frauen in der Verwaltung, Frauen als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Frauen in den Vorzimmern tätig. Nach außen sichtbar sind – auch auf der Homepage des BVerfG – nur die Verfassungsrichterinnen.Footnote 16

Als ich im Jahr 2010 meine Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am BVerfG aufgenommen habe, war das BVerfG mit 13 Verfassungsrichtern und drei Verfassungsrichterinnen besetzt. In der Verwaltung kamen alle Leitungsfunktionen bis auf die der damaligen DirektorinFootnote 17 Männern zu, alle Vorzimmer waren mit Frauen besetzt. Der sog. Dritte Senat (vgl. dazu auch den Beitrag zu den wiss. Mit. in diesem Handbuch) war zu 2/3 mit wissenschaftlichen Mitarbeitern und zu 1/3 mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen besetzt. Mehrere Dezernate (die von den einzelnen Verfassungsrichterinnen und -richtern mit jeweils einem Vorzimmer sowie in der Regel vier wiss. Mit. gebildet werden) waren nur mit wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzt, ein einziges Dezernat ausschließlich mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Während die Zusammensetzung aller „monogeschlechtlichen“ Dezernate innerhalb des Gerichts noch recht gleichmäßig kommentiert wurde, trafen Kommentare von außen nahezu ausschließlich das rein weibliche Dezernat. Gerüchteweise gab es erst seit den 1970er-Jahren überhaupt auch wissenschaftliche MitarbeiterinnenFootnote 18 und erst seit den 1990er-Jahren soll die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen deutlich angestiegen sein. Ob ihre Zahl vor 2010 jemals höher als 1/3 war, vermag ich nicht zu sagen. Derzeit sind aber wohl etwa die Hälfte der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen Frauen. Ob es sich dabei um ein dauerhaftes oder lediglich vorübergehendes Phänomen handelt, bleibt abzuwarten.

2.1.1 Elf Verfassungsrichterinnen bis 2010

Was die Verfassungsrichterinnen angeht, war das BVerfG schon immer auch weiblich besetzt. In den ersten 35 Jahren seines Bestehens (von 1951 bis 1986) war immer genau eine Verfassungsrichterin am BVerfG tätig und das immer im Ehe- und Familienrecht.Footnote 19 Es galt das „Drehtürprinzip“: Eine Frau kommt, eine Frau geht. Erna Scheffler war die erste Frau, die gleich bei Konstituierung des BVerfG neben damals noch dreiundzwanzig Verfassungsrichtern in den Ersten Senat des Gerichts einzog und dort die Zuständigkeit für das Ehe- und Familienrecht erhielt.Footnote 20 1963 wurde sie von Wiltraut Rupp-von Brünneck als Verfassungsrichterin im Ersten Senat im Ehe- und Familienrecht abgelöst.Footnote 21 Die Nachfolge von Wiltraut Rupp-von Brünneck trat 1977 Gisela Niemeyer an.Footnote 22 Während der Erste Senat damit von Beginn an immer auch mit einer Frau besetzt war, zog mit Karin Graßhof erst 1986 erstmals auch eine Verfassungsrichterin in den Zweiten Senat ein, und damit erstmals eine Verfassungsrichterin, die nicht für das Ehe- und Familienrecht zuständig war.Footnote 23 Ab 1986 waren danach immer mindestens zwei Verfassungsrichterinnen am BVerfG tätig. 1989 wurde Gisela Niemeyer im Ersten Senat von Helga Seibert im Ehe- und Familienrecht abgelöst.Footnote 24

1994 – und damit mehr als 40 Jahre nach Gründung des BVerfG – explodierte die Zahl der Verfassungsrichterinnen, die gleichzeitig am BVerfG tätig waren, geradezu. Die Zahl der Verfassungsrichterinnen im Ersten Senat verdoppelte sich auf zwei Verfassungsrichterinnen, die Zahl der Verfassungsrichterinnen im Zweiten Senat verdreifachte sich sogar auf drei Verfassungsrichterinnen. Im März 1994 war mit Jutta Limbach in den bisher nur mit Karin Graßhof besetzten Zweiten Senat eine Frau eingezogen,Footnote 25 die sich um die letztlich im selben Jahr erfolgte Ergänzung von Art. 3 Abs. 2 GG um einen weiteren Satz (vgl. dazu bereits einleitend oben) verdient gemacht hatte.Footnote 26 Zeitgleich hatte Renate Jaeger den Ersten Senat, der zuvor nur mit Helga Seibert im Ehe- und Familienrecht besetzt war, verstärkt.Footnote 27 Damit übernahm auch im Ersten Senat zum ersten Mal eine Verfassungsrichterin eine andere Materie als das Ehe- und Familienrecht. Gleichzeitig endete mit der Wahl von Jutta Limbach und Renate Jäger am BVerfG zunächst die Zeit der sog. Schneewittchensenate, in der die Senate mit einer Frau und sieben Männern besetzt waren.Footnote 28 Im September wurde Jutta Limbach im Zweiten Senat zur bisher einzigen Präsidentin des BVerfG gewählt.Footnote 29 Anschließend wurde der bereits mit Helga Seibert und Renate Jaeger besetzte Erste Senat mit Evelyn Haas noch um eine dritte Verfassungsrichterin ergänzt.Footnote 30 Damit waren nach einer Verfassungsrichterin bis 1986 und zwei Verfassungsrichterinnen bis 1994 zunächst sogar fünf Verfassungsrichterinnen zeitgleich am BVerfG tätig.

1998 wurde Karin Graßhof im Zweiten Senat von Lerke Osterloh abgelöst,Footnote 31 sodass dem Zweiten Senat mit der Präsidentin sowie Lerke Osterloh auch weiterhin zwei Verfassungsrichterinnen angehörten. Ein Jahr später übernahm Christine Hohmann-Dennhardt, die sich wie Jutta Limbach zuvor für die 1994 erfolgte Ergänzung von Art. 3 Abs. 2 GG eingesetzt hatte,Footnote 32 im Ersten Senat das Ehe- und Familienrecht von Helga Seibert.Footnote 33 Mit Renate Jaeger, Evelyn Haas und Christine Hohmann-Dennhardt waren im Ersten Senat daher zunächst auch weiterhin drei Verfassungsrichterinnen tätig. 2002 folgte auf Jutta Limbach im Zweiten Senat Gertrude Lübbe-Wolff, sodass der Zweite Senat in der Folge mit Lerke Osterloh und Gertrude Lübbe-Wolff besetzt war.Footnote 34 Nach dem Ausscheiden von Renate Jaeger war der Erste Senat statt mit drei Verfassungsrichterinnen ab 2004 nur noch mit zwei Verfassungsrichterinnen – Evelyn Haas und Christine Hohmann-Dennhardt – besetzt.

Was Christine Hohmann-Dennhardt beim Schreiben ihres Beitrags in den ersten beiden Auflagen dieses Handbuchs noch nicht wissen konnte und ihr vermutlich auch nicht sehr gefallen hätte (hatte sie dem BVerfG am Ende ihres Beitrags noch viele weitere Frauen in seinen Reihen gewünscht, vgl. dazu auch noch unter Abschn. 3.4): Mit dem Ausscheiden von Evelyn Haas kam es im Ersten Senat 2006 zu einer Renaissance des „Schneewittchensenats“. Bis 2011 gehörte dem Ersten Senat mit Christine Hohmann-Dennhardt nur noch eine Verfassungsrichterin neben sieben Verfassungsrichtern an.Footnote 35 Während zu meiner Zeit am BVerfG (von 2010 bis 2014) ganz offenbar niemand ein Problem damit hatte, sich Christine Hohmann-Dennhardt als namensgebende Protagonistin vorzustellen, die den Männern allerdings nicht den Haushalt, sondern die Mine wirft, wurde aber wohl ganz bewusst davon abgesehen, daneben auch die „sieben Zwerge“ zu visualisieren: Am BVerfG gab es danach genau ein Schneewittchen, aber natürlich keinen einzigen Zwerg. Neben Christine Hohmann-Dennhardt im Ersten Senat waren mit Lerke Osterloh und Gertrude Lübbe-Wolff im Zweiten Senat von 2006 bis 2010 insgesamt nur noch drei Verfassungsrichterinnen am BVerfG tätig.

In ihrem Beitrag in den ersten beiden Auflagen dieses Handbuchs hatte Christine Hohmann-Dennhardt noch von dem „kleinen Reigen der elf Verfassungsrichterinnen“ gesprochen, die bis 2006 am BVerfG tätig waren.Footnote 36 Was sie damals ebenfalls noch nicht wissen konnte, ihr aber vermutlich sehr – wenn auch vielleicht nur als Minimum – gefallen hätte: Der „kleine Reigen der elf Verfassungsrichterinnen“ würde sich bis 2023 in mehreren Sprüngen verdoppeln (und ihrem Wunsch nach noch vielen Frauen am BVerfG damit jedenfalls im Ansatz entsprochen). Mit den sieben Verfassungsrichterinnen die derzeit am BVerfG tätig sind,Footnote 37 haben bis heute insgesamt 22 Verfassungsrichterinnen am BVerfG Recht gesprochen.Footnote 38

2.1.2 Elf Verfassungsrichterinnen ab 2010

2010 folgte zunächst im Zweiten Senat Monika Hermanns auf Lerke Osterloh.Footnote 39 Mit Gertrude Lübbe-Wolff und Monika Hermanns war der Zweite Senat danach auch weiterhin mit zwei Verfassungsrichterinnen besetzt. Christine Hohmann-Dennhardt wurde im Ersten Senat 2011 von Gabriele Britz im Ehe- und Familienrecht abgelöst.Footnote 40 Am selben Tag nahm auch Susanne Baer ihre Tätigkeit im Ersten Senat des BVerfG auf.Footnote 41 Damit war die Renaissance des „Schneewittchensenats“ im Ersten Senat wieder vorbei, und es blieb Gabriele Britz erspart, nach Christine Hohmann-Dennhardt das neue „Schneewittchen“ zu sein. Mit Gabriele Britz und Susanne Baer gehörten dem Ersten Senat bis 2016 zwei Verfassungsrichterinnen an. Ende 2011 wurde Sibylle Kessal-Wulf in den Zweiten Senat gewählt.Footnote 42 Mit Gertrude Lübbe-Wolff, Monika Hermanns und Sibylle Kessal-Wulf war der Zweite Senat damit sogar erstmals mit drei Verfassungsrichterinnen besetzt. 2014 wurde Gertrude Lübbe-Wolff im Zweiten Senat von Doris König abgelöst.Footnote 43 Mit Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf und Doris König war der Zweite Senat danach bis 2016 zunächst auch weiterhin mit drei Verfassungsrichterinnen besetzt. Von 2006 bis 2016 hatte sich der „kleine Reigen der elf Verfassungsrichterinnen“ damit in nur zehn Jahren bereits auf 16 Verfassungsrichterinnen erhöht, die bis dahin am BVerfG tätig waren.

Ab 2016 geschah dann etwas historisch betrachtet völlig Unerwartetes, es ging Knall auf Fall: Mit der Wahl von Christine Langenfeld als weiterer Verfassungsrichterin im Zweiten Senat war zum ersten Mal in der damals bereits fünfundsechzigjährigen Geschichte des BVerfG ein Senat mit vier Verfassungsrichterinnen und vier Verfassungsrichtern nach Frauen und Männern paritätisch besetzt.Footnote 44 Ende 2016 holte der nur mit zwei Verfassungsrichterinnen besetzte Erste Senat mit der Wahl von Yvonne Ott gegenüber dem mit bereits vier Verfassungsrichterinnen besetzten Zweiten Senat etwas auf.Footnote 45 Bis 2020 war der erste Senat danach mit Susanne Baer, Gabriele Britz und Yvonne Ott mit drei Verfassungsrichterinnen besetzt, im Zweiten Senat waren mit Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König und Christine Langenfeld weiterhin vier Verfassungsrichterinnen tätig. 2018 kam es zu einem weiteren Novum. Allerdings nicht, was die Zahl der Verfassungsrichterinnen, sondern die Verteilung der Zuständigkeiten an jeweils eine Verfassungsrichterin im Ersten Senat in ungebrochener Kontinuität seit 1951 anging. Anders als der Zweite Senat, der seine Zuständigkeiten senatsintern immer dann neu sortiert, wenn ein neues Mitglied den Senat verstärkt (abgetreten wird an das neue Mitglied, was von den bisherigen Mitgliedern nicht mehr gewollt wird), hatten sich die Zuständigkeiten im Ersten Senat in ihrem Zuschnitt über Jahrzehnte hinweg nicht verändert. Daher ließen sich „Rechtsprechungslinien“ in der Vergangenheit, wenn überhaupt, auch nur im Ersten Senat anhand der aufeinanderfolgenden Übernahme von immer gleichen Zuständigkeiten nachverfolgen.Footnote 46 Mittlerweile wird die Verteilung auch im Ersten Senat anders vorgenommen, wobei insbesondere auch die unterschiedliche Arbeitsbelastung mit zum Teil hohen Fallzahlen berücksichtigt wird. 2018 hatte dabei u. a. Gabriele Britz ihre Zuständigkeit für das Ehe- und Familienrecht – und das ist hier das eigentlich bemerkenswerte – letztlich an einen Kollegen (!) abgegeben. Damit fiel das Ehe- und Familienrecht zum ersten Mal seit 1951 – und damit zum ersten Mal in der Geschichte des BVerfG – in die Zuständigkeit eines Verfassungsrichters (was auch heute noch der Fall ist).Footnote 47 Auf lange Sicht wird sich zeigen müssen, ob das – wenn es denn überhaupt irgendwie messbar ist – einen Unterschied macht. Bereits 2016 hatte sich mit der Wahl von Christine Langenfeld in den Zweiten Senat die Zahl der am BVerfG bisher tätigen Verfassungsrichterinnen auf insgesamt 17 Verfassungsrichterinnen erhöht. Ab 2020 kamen dann in nur drei Jahren noch einmal fünf Verfassungsrichterinnen hinzu, sodass am BVerfG bis heute 22 Verfassungsrichterinnen tätig waren (und es zum Teil auch noch sind).

Im Juni 2020 war der Erste Senat mit Susanne Baer, Gabriele Britz und Yvonne Ott mit drei Verfassungsrichterinnen besetzt, im Zweiten Senat waren mit Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König und Christine Langenfeld vier Verfassungsrichterinnen tätig. Dann zog der Zweite Senat mit seiner Besetzung gegenüber dem Ersten Senat etwas davon: Noch unerwarteter als 2016 die Wahl von Christine Langenfeld zur vierten Richterin im Zweiten Senat wurde Astrid Wallrabenstein sogar zur fünften Richterin im Zweiten Senat gewählt.Footnote 48 Damit war zum ersten Mal in der Geschichte des BVerfG ein Senat mit mehr Verfassungsrichterinnen als Verfassungsrichtern besetzt. Gleichzeitig wurde Doris König im Zweiten Senat zur bisher zweiten Vizepräsidentin des BVerfG gewählt.Footnote 49 Damit gesellt sie sich zu den 13 Vizepräsidenten und der einen Vizepräsidentin, die vor ihr am BVerfG tätig waren. Mit drei Verfassungsrichterinnen im Ersten Senat und gleich fünf Verfassungsrichterinnen im Zweiten Senat war das BVerfG 2020 dann auch erstmals insgesamt nach Männern und Frauen paritätisch besetztFootnote 50 (zu einem „dritten Geschlecht“ vgl. noch unter Abschn. 3). Im Juli 2020 kam mit der Wahl von Ines Härtel zur Richterin im Ersten Senat sogar noch eine weitere Verfassungsrichterin hinzu.Footnote 51 Mit Susanne Baer, Gabriele Britz, Yvonne Ott und Ines Härtel waren im Ersten Senat damit nun erstmals vier Verfassungsrichterinnen tätig. Der Zweite Senat war mit Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf, Doris König, Christine Langenfeld und Astrid Wallrabenstein auch weiterhin mit sogar fünf Verfassungsrichterinnen besetzt.

Mit insgesamt neun Verfassungsrichterinnen, die gleichzeitig am BVerfG tätig waren, erreichte die Zahl der Verfassungsrichterinnen am BVerfG von 2020 bis 2023 dann auch ihr allzeit Hoch. Auf die leider immer noch eher erwartungsgemäß gestellte Frage, wo das „mit diesen vielen Verfassungsrichterinnen denn noch hinführen“ solle und „wann es denn da mal genug“ sei, kann man eigentlich nur mit Ruth Bader Ginsburg antworten: „Wenn es sechzehn sind.“ („When there are nine.“)Footnote 52 In diesem Zusammenhang stellt sich mir auch die Frage, welche Art der (hypothetischen) Besetzung heute wohl (immer noch) den größeren (hypothetischen) Protest hervorrufen würde: eine rein männliche oder eine rein weibliche Besetzung des BVerfG? Ich habe einen Verdacht. Die neuesten Entwicklungen am BVerfG lassen jedenfalls vermuten, dass bei einer insgesamt paritätischen Besetzung des BVerfG (nach Männern und Frauen) wohl Schluss sein dürfte. So sind durch das Ausscheiden von Verfassungsrichterinnen entstandene Vakanzen zuletzt nicht in jedem Fall auch wieder mit Verfassungsrichterinnen besetzt worden, und das letztlich auch dann nicht, wenn das an der paritätischen Besetzung des Gerichts (nach Männern und Frauen) insgesamt – und zwar zu Ungunsten der Frauen – etwas geändert hat: Im Januar 2023 wurde Monika Hermanns mit Rhona Fetzer im Zweiten Senat noch von einer Verfassungsrichterin abgelöst.Footnote 53 Anschließend wurde für Susanne Baer im Februar 2023 im Ersten Senat allerdings ein Verfassungsrichter gewählt. Damit waren nach neun Verfassungsrichterinnen zwischen 2020 und 2023 dann nur noch acht Verfassungsrichterinnen am BVerfG tätig. Im April 2023 wurde Gabriele Britz im Ersten Senat von Miriam Meßling abgelöst, sodass danach zunächst auch weiterhin insgesamt acht Verfassungsrichterinnen am BVerfG tätig waren, drei Verfassungsrichterinnen im Ersten und fünf Verfassungsrichterinnen im Zweiten Senat.Footnote 54 Hätte Gabriele Britz eigentlich zusammen mit Susanne Baer bereits im Februar 2023 ausscheiden müssen, hatte sich die Wahl ihrer Nachfolgerin vor allem auch deshalb hingezogen, weil auch für die Nachfolge „Britz“ zunächst die Wahl eines weiteren Verfassungsrichters im Gespräch gewesen war. Mit der Wahl eines weiteren Verfassungsrichters wäre das BVerfG danach aber nicht mehr paritätisch besetzt gewesen, was neben anderen Punkten in den Medien kritisiert worden ist.Footnote 55 Die Wahl von Miriam Meßling zur Nachfolgerin von Gabriele Britz (wozu in den Medien u. a. auch geraten worden warFootnote 56) führte letztlich dazu, dass das BVerfG zunächst auch weiterhin mit acht Verfassungsrichterinnen besetzt war. Ab Dezember 2023 waren es dann allerdings ganz plötzlich nur noch sieben: Sieben Verfassungsrichterinnen, die neben neun Verfassungsrichtern auch derzeit noch am BVerfG tätig sind, denn Sibylle Kessal-Wulf wurde – ohne große Kritik in den MedienFootnote 57 – von einem Verfassungsrichter abgelöst. Es bleibt abzuwarten, ob es künftig einmal wieder acht Verfassungsrichterinnen am BVerfG geben wird oder sogar „nine“. Mit Yvonne Ott, Ines Härtel und Miriam Meßling gehören dem Ersten Senat derzeit drei Verfassungsrichterinnen an, im Zweiten Senat sind mit Doris König, Christine Langenfeld, Astrid Wallrabenstein und Rhona Fetzer derzeit vier Verfassungsrichterinnen tätig. Miriam Meßling ist die 22. Richterin des BVerfG.Footnote 58

2.1.3 Gleichberechtigung und beruflicher Hintergrund

Die Verdienste der ersten elf Verfassungsrichterinnen um die Gleichberechtigung hat Christine Hohmann-Dennhardt in ihrem Beitrag von 2006 – mit einem zum Teil auch persönlichen Zugang – exzellent gewürdigt.Footnote 59 Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich alle bisherigen Verfassungsrichterinnen in der einen oder anderen Form um „die Gleichberechtigung“ verdient gemacht haben, und sei es auch nur dadurch, dass sie auf einem Stuhl Platz genommen haben, auf dem sie nach außen sichtbar und anderen ein Vorbild sind.Footnote 60 Mit ihrem Engagement heraus sticht Susanne Baer, die nicht nur mit einer Professur für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien seit mehr als 20 Jahren insbesondere auch Fragen der Gleichberechtigung zu ihrem Thema macht.Footnote 61

Susanne Baer ist eine von bisher neun Verfassungsrichterinnen, die als Professorinnen zum BVerfG gewählt wurden. Zu ihnen gehören auch Jutta Limbach, Lerke Osterloh, Gertrude Lübbe-Wolff, Gabriele Britz, Doris König, Christine Langenfeld, Astrid Wallrabenstein und Ines Härtel. Jutta Limbach war die erste Professorin, die am BVerfG tätig war, und die bisher einzige Professorin nicht mit einem Lehrstuhl im Öffentlichen Recht, sondern mit einem zivilrechtlichen Lehrstuhl.Footnote 62 Ines Härtel ist die bisher einzige Richterin, die in der DDR geboren ist.Footnote 63 Erna Scheffler war zunächst Rechtsanwältin und dann Richterin; sie ist soweit ersichtlich die bisher einzige Verfassungsrichterin mit jüdischen Wurzeln.Footnote 64 Wiltraut Rupp-von Brünneck war zunächst Richterin und anschließend im hessischen Justizministerium sowie in der hessischen Staatskanzlei tätig, sie ist die einzige Verfassungsrichterin, deren Tätigkeiten im Nationalsozialismus Thema sind. Gisela Niemeyer kam aus der Finanzverwaltung und wechselte später in die Finanzgerichtsbarkeit, wo sie schließlich zum Bundesfinanzhof gewählt wurde und zuletzt als (erste) Präsidentin eines Finanzgerichts tätig war. Karin Graßhof wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) zum BVerfG gewählt und gehört damit zu den insgesamt acht Verfassungsrichterinnen, die (direkt) von einem obersten Bundesgericht zum BVerfG gewählt wurden.Footnote 65 Mit Karin Graßhof, Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf, Yvonne Ott und Rhona Fetzer wurden bisher sechs Richterinnen vom BGH zum BVerfG gewählt.Footnote 66 Renate Jaeger und zuletzt Miriam Meßling waren beide zuvor am Bundessozialgericht tätig, Evelyn Haas ist die bisher einzige Richterin, die vom Bundesverwaltungsgericht zum BVerfG gewählt wurde.Footnote 67 Helga Seibert kam vom Bundesjustizministerium zum BVerfG, während Christine Hohmann-Dennhardt aus der Sozialgerichtsbarkeit stammte und dort zuletzt am Landessozialgericht sowie danach als Direktorin eines Sozialgerichts tätig war, bevor sie hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst wurde.Footnote 68 Jedenfalls Helga Seibert, Renate Jaeger, Evelyn Haas, Yvonne Ott und Miriam Meßling waren bereits als wiss. Mit. am BVerfG tätig.Footnote 69 Über Helga Seibert soll einer ihrer männlichen Verfassungsgerichtskollegen einmal gesagt haben, dass wenn alle Richterinnen wie sie wären, er sich nur noch Frauen am BVerfG wünsche.Footnote 70 Das lässt sich (theoretisch) machen, auch wenn ich nicht weiß, wie Helga Seibert war und ob es sich hier um ein echtes Kompliment gehandelt hat.

2.2 Rechtsprechung zur Gleichberechtigung

Was seine Rechtsprechung angeht, war das BVerfG schon immer sehr viel weniger „männlich“ als seine Zusammensetzung es hätte vermuten lassen. Ob das von Beginn an der Überzeugungskraft der nur wenigen Verfassungsrichterinnen geschuldet war, die am BVerfG tätig waren, lässt sich von außen nicht sagen. Feststellen lässt sich aber, dass die zahlreichen Verfassungsrichter sich in der Vergangenheit entweder immer wieder haben überzeugen lassen, wenn sie denn überzeugt werden müssten, oder aber auch ohne Überzeugung bzw. überzeugt werden zu müssen, im Sinne „der Gleichberechtigung“ entschieden haben.Footnote 71

Als das BVerfG 1951 seine Arbeit aufnahm, war die Garantie der Gleichberechtigung bereits mit dem heutigen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG (damals noch als einziger Satz) im Grundgesetz enthalten. Dass das so war, war keine Selbstverständlichkeit.Footnote 72 Vielmehr hatte Elisabeth Selbert als eines der wenigen weiblichen Mitglieder des Parlamentarischen Rates die Aufnahme der Bestimmung mit hohem persönlichen Einsatz erstritten.Footnote 73 Eine Bestimmung zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen hatte auch bereits die Weimarer Reichsverfassung enthalten. Allerdings hatte es sich dabei um einen reinen Programmsatz gehandelt. Ein Recht auf Gleichheit hatte zwar bereits zuvor eine lange Tradition (so z. B. die Egalité), erfasst waren davon allerdings nur Männer untereinander. Mit dem heutigen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sollte nunmehr eine Bestimmung in das Grundgesetz aufgenommen werden, die absolut formuliert war und mit der verdeutlicht werden sollte, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz für die gesamte Rechtsordnung gilt.Footnote 74 Im Parlamentarischen Rat wurde die Aufnahme der Bestimmung zunächst mehrheitlich abgelehnt. „Gewarnt wurde vor den unabsehbaren Folgen eines solchen mit Verfassungsrang ausgestatteten Gebotes“, insbesondere für das Ehe- und Familienrecht, was Christine Hohmann-Dennhardt als „aus vornehmlich männlicher Sicht erklärliche“ und wie sich später zeigen würde, „durchaus richtige Befürchtung“ eingeordnet hat.Footnote 75 Elisabeth Selbert hatte innerhalb des Parlamentarischen Rates und auch in der Öffentlichkeit lautstark darauf hingewiesen, dass „die Frau, die während der Kriegsjahre auf den Trümmern gestanden und den Mann an der Arbeitsstelle ersetzt habe, einen moralischen Anspruch darauf habe, auf allen Rechtsgebieten dem Manne gleichgestellt und wie der Mann bewertet zu werden.“Footnote 76 Nachdem sie öffentlich zu Protest aufgerufen hatte, wurde der Parlamentarische Rat waschkörbeweise mit Petitionen (im Postkartenformat) überschwemmt.Footnote 77 Letztlich war es ein wohl vor allem auch von der späteren Verfassungsrichterin Wiltraud Rupp-von Brünneck erarbeiteter Kompromissvorschlag,Footnote 78 der dazu führte, dass das Gebot der Gleichberechtigung tatsächlich in Art. 3 Abs. 2 des neuen Grundgesetzes Einzug hielt. Wiltraud Rupp-von Brünneck hatte dem Parlamentarischen Rat damals selbst gar nicht angehört, sondern einem (männlichen) Mitglied des Rates assistiert.Footnote 79 Der angenommene Kompromissvorschlag beinhaltete, dass mit Art. 117 Abs. 1 GG eine Übergangsvorschrift geschaffen wurde, wonach Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes Recht zunächst in Kraft bleiben sollte, allerdings nicht länger als bis zum 31. März 1953. Erstmal passierte: nichts.Footnote 80 Der Gesetzgeber ließ die Frist des Art. 117 Abs. 1 GG weitgehend tatenlos verstreichenFootnote 81 und bereits deshalb fiel dem BVerfG schon in den 1950er-Jahren mehrfach die Aufgabe zu, dem Gesetzgeber die Regelung in Art. 3 Abs. 2 GG ins Gedächtnis zu rufen.Footnote 82

Auf die im Rahmen einer Vorlage nach Ablauf der Frist gestellte Frage, ob es denn angehen könne, dass dem Gleichberechtigungsgrundsatz entgegenstehendes Familienrecht jetzt ohne ein entsprechendes Anpassungsgesetz außer Kraft gesetzt sei,Footnote 83 fanden die damals noch elf Verfassungsrichter plus Erna Scheffler als Berichterstatterin bereits im Dezember 1953 eine deutliche Antwort:Footnote 84 Art. 117 Abs. 1 GG sei insoweit wirksam, als dass er Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehendes bürgerliches Recht auf dem Gebiet von Ehe und Familie mit Ablauf des 31. März 1953 außer Kraft setze. Anders als in der Weimarer Reichsverfassung handele es sich bei Art. 3 Abs. 2 GG nicht nur um einen Programmsatz, sondern um eine unmittelbar wirkende Rechtsnorm. Ob der Geschlechtsunterschied heute noch als rechtlich erheblich anzusehen sei, könne nicht mehr gefragt werden. Mit der Frage würde die vom Grundgesetz getroffene Entscheidung sonst in die Hände des Gesetzgebers zurückgespielt und Art. 3 Abs. 2 GG seiner rechtlichen Bedeutung entkleidet.Footnote 85 Diese Entscheidung bildete den „Startschuss“ für viele noch folgende Entscheidungen, mit denen das Gericht Frauen diskriminierendes Recht aufgehoben, den Gesetzgeber korrigiert und ihm bei zögerlichem Vorangehen in Sachen Gleichberechtigung Beine gemacht hat.Footnote 86

Bis Mitte der 1990er-Jahre hatte das BVerfG u. a. das weiterhin vorgesehene Alleinvertretungsrecht des Vaters gegenüber den ehelichen Kindern für unvereinbar mit dem Gleichberechtigungsgebot erklärt,Footnote 87 eine Neuregelung des Kindschaftsrechts mit gleichberechtigter Elternverantwortung zum Wohle des Kindes angemahnt,Footnote 88 die steuerliche Zusammenveranlagung von EhegattenFootnote 89 und den Vorrang des männlichen Geschlechts bei der bäuerlichen Erbfolge beanstandet,Footnote 90 die verfassungsrechtlich geschützte Ehe als gleichberechtigte Partnerschaft von Mann und Frau bei gleicher Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten definiertFootnote 91 sowie den Gesetzgeber veranlasst, das Namensrecht so zu gestalten, dass auch Frauen sich mit ihrem Namen wiederfinden, ihren Namen im Falle der Heirat behalten und ihn an ihre Kinder weitergeben können.Footnote 92 Darüber hinaus hatte es auch zur Gleichberechtigung im Erwerbsleben aufgefordert und hier rechtliche Einschränkungen oder Zugangsbarrieren für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 2 GG erklärt.Footnote 93 Immer wieder betonte es dabei, dass es bei Art. 3 Abs. 2 GG auch darum gehe, die Lebensverhältnisse von Männern und Frauen anzugleichen, überkommene Rollenverteilungen, die Frauen benachteiligten, nicht durch staatliche Maßnahmen zu verfestigen sowie faktische Benachteiligungen rechtlich zu berücksichtigen und durch begünstigende Regelungen auszugleichen.Footnote 94

1994 wurde Art. 3 Abs. 2 GG im Rahmen der Verfassungsrevision nach der Wiedervereinigung um einen neuen Satz 2 ergänzt.Footnote 95 Nachdem das Bundesverfassungsgericht zu diesem Zeitpunkt bereits über 40 Jahre lang immer wieder klare Vorgaben nicht nur zu einem Verbot der Diskriminierung, sondern auch zu einem Gleichstellungsgebot gemacht hatte, wurde mit dem neuen Satz im Grunde das fixiert, was der Rechtsprechung des BVerfG zu dieser Frage ohnehin bereits entsprach:Footnote 96 „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Auch diese Ergänzung ging auf die Initiative von Frauen zurück. Der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bund und Ländern, die nach der Wiedervereinigung mit dem Auftrag geschaffen worden war, Vorschläge für die Transformation des Grundgesetzes in eine gesamtdeutsche Verfassung zu erarbeiten, gehörte nicht nur Jutta Limbach, sondern auch Christine Hohmann-Dennhardt an.Footnote 97 Letztlich war es der „Beharrlichkeit der Initiatorinnen“ sowie einer „bundesweiten Kampagne“ zu verdanken, dass die Widerstände gegen die Aufnahme einer solchen Klarstellung gebrochen werden konnten.Footnote 98 Wie der Parlamentarische Rat mehr als vierzig Jahre zuvor wurde jetzt auch die Gemeinsame Verfassungskommission mit Forderungen vor allem auf dem Postweg überschwemmt (Christine Hohmann-Dennhardt schreibt von 107.589 Eingaben).Footnote 99 Schließlich einigte man sich als Kompromiss auf den immer noch bestehenden Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG.

Allerdings führte auch diese verfassungsrechtliche Klarstellung nicht dazu, dass der Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht weniger ermahnt werden musste. So musste das BVerfG auch weiterhin feststellen, dass sich das Gleichberechtigungsgebot – auch nach nunmehr ausdrücklicher Klarstellung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG – auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt. Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen träfen, sei der Gesetzgeber berechtigt, durch begünstigende Regelungen auszugleichen.Footnote 100 Dabei könnten auch schützende Regelungen zugunsten von Frauen diese benachteiligende Effekte haben. Einen solchen benachteiligenden Effekt und damit eine faktische Diskriminierung von Frauen hatte das Gericht in der finanziellen Belastung des einzelnen Arbeitgebers mit den Kosten des Mutterschaftsgeldes gesehen, die sich negativ auf die Einstellungsaussichten von Frauen auswirkte. Den Gesetzgeber hatte das Gericht daher verpflichtet, die Kostentragungslast für den notwendigen Schutz von Frauen in diesem Bereich so zu regeln, dass sie kein Einstellungshemmnis mehr begründete.Footnote 101

In ihrem Beitrag in den beiden Vorauflagen dieses Handbuchs hat Christine Hohmann-Dennhardt die in den damals 55 Jahren des Bestehens des BVerfG zurückgelegte Wegstrecke betrachtet und in der Rechtsprechung des Gerichts – entlang des jeweiligen gesellschaftlichen Diskursstandes – mehrere Phasen ausgemacht:Footnote 102 Von einem Verständnis insbesondere als Gebot der Verhinderung von Benachteiligungen, die aus der Andersartigkeit von Mann und Frau herrührten, sei der Schwerpunkt später auf die Notwendigkeit gelegt worden, rechtlichen Differenzierungen auf Grund des Geschlechts entgegenzuwirken, um schließlich auch die sozialen Unterschiede der Geschlechter in den Blick zu nehmen und zum Ansatzpunkt für eine nach Art. 3 Abs. 2 GG gebotene Angleichung der Lebenslagen durch gesetzgeberische Interventionen zu machen.Footnote 103 Dabei sei für jeden dieser Entwicklungsschritte zu konstatieren, dass das Gericht, gerade auch beim Gleichberechtigungsgebot, häufig die Rolle des den Gesetzgeber wie die Gesellschaft treibenden Motors eingenommen habe, dabei oft weit dem Zeitgeist mit seinen vielfach noch in alten Rollenbildern von Mann und Frau verhafteten Einstellungen vorauseilend. Damit habe es maßgeblich mit dafür gesorgt, dass nicht nur unmittelbar geschlechtsdiskriminierendes Recht mittlerweile fast gänzlich beseitigt sei, sondern es habe auch das gesellschaftliche Bewusstsein dafür geschärft, dass Gleichberechtigung herzustellen auch im Faktischen eine permanente Aufgabe sei, bei der mit rechtlichen Instrumenten immer wieder justiert werden müsse, um die Gleichheit von Mann und Frau an der gesellschaftlichen Realität auszuloten.Footnote 104

Seit diesem Befund sind weitere 17 Jahre vergangen; er gilt immer noch. Auch nach 2006 ist das BVerfG gerade Diskriminierungen von Frauen immer wieder entgegengetreten und hat sich damit auch weiterhin als Motor der Gleichberechtigung betätigt, den Gesetzgeber vor sich her- und dabei auch Teile der Gesellschaft angetrieben. Entschieden hat es dabei immer wieder auch über Regelungen, die zwar geschlechtsneutral formuliert waren, im Ergebnis aber überwiegend Angehörige nur eines Geschlechts in ihrer diskriminierenden Wirkung trafen. So hat es die Berechnung des Ruhegehaltssatzes für Teilzeitbeschäftige als mittelbar geschlechtsdiskriminierende Regelung beanstandet (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG)Footnote 105 sowie eine Verletzung darin gesehen, dass Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen nahezu ausschließlich Frauen betrafen (Art. 3 Abs. 2 GG).Footnote 106 Es hat entschieden, dass die Regelungen zur Gewährung von Bundeselterngeld Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligen, wenn sie die Gewährung von Voraussetzungen abhängig machen, die Frauen schwerer erfüllen können als Männer (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG).Footnote 107 Das Elternrecht von Vätern nicht ehelicher Kinder aus Art. 6 Abs. 2 GG hat es gestärkt.Footnote 108 Darüber hinaus hat es angenommen, dass eine Regelung, die religiöse Bekundungen im Schuldienst allein durch das äußere Erscheinungsbild unabhängig von einer konkreten Gefahr unterbinde, Frauen benachteilige, weil sie die pädagogische Tätigkeit im Schuldienst damit von Voraussetzungen abhängig mache, die tatsächlich ganz überwiegend Frauen nicht erfüllen könnten. Die Regelung treffe in Deutschland derzeit faktisch ganz überwiegend muslimische Frauen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch trügen.Footnote 109

In seiner Kammerrechtsprechung hat das BVerfG eine intensivere Prüfung durch die Instanzgerichte angemahnt, wenn es um eine dem Arbeitgeber zurechenbare, geschlechtsbezogene Benachteiligung (wie etwa die Bevorzugung männlicher Bewerber in Stellenausschreibungen) geht.Footnote 110 Den erweiterten Bezug von Elterngeld (sog. Partner- oder Vätermonate) hat es angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, für gerechtfertigt gehalten.Footnote 111 Auch eine solche Regelung könne zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern führen, wenn damit für einen längeren Zeitraum erhebliche Nachteile verbunden seien, die in der sozialen Wirklichkeit immer noch typischerweise Frauen träfen.Footnote 112 Darüber hinaus hat es die Nichtberücksichtigung von Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes bei der betrieblichen Zusatzversorgung beanstandetFootnote 113 und erneut den erweiterten Bezug von Elterngeld bei partnerschaftlicher Verteilung der Erziehungsaufgaben unbeanstandet gelassen. Zwar seien hier mehr Frauen als Männer nachteilig betroffen, das sei jedoch auf die verbreitete familiäre Rollenverteilung zurückzuführen, der die Regelung gerade entgegenwirken wolle.Footnote 114

Zurückgewiesen hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde einer Rechtreferendarin mit Kopftuch.Footnote 115 Was eine mittelbare Benachteiligung der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Geschlechts angeht, hat es hier letztlich offengelassen, ob der Regelung eine mittelbar diskriminierende Wirkung zukommt.Footnote 116 Nicht zu Entscheidung angenommen hat es Beschwerden, die die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in Formularen und Vordrucken,Footnote 117 die fehlende paritätische Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts für BundestagswahlenFootnote 118 sowie die Nichtigkeitserklärung eines Paritätsgesetzes durch den entsprechenden LandesverfassungsgerichtshofFootnote 119 oder auch Lohndiskriminierungen betroffen haben.Footnote 120 Bei der Prüfung von Regelungen zur Unwirksamkeit sog. Kinderehen (im Ausland vor Vollendung des 16. Lebensjahrs eines Ehegatten geschlossener Ehen) hat das Gericht auf eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG abgestellt, nach einer Verletzung von Art. 3 GG erst gar nicht gefragt.Footnote 121

3 Divers

Was Diskriminierungen wegen des Geschlechts angeht, hat das BVerfG nicht nur immer wieder zugunsten der Gleichberechtigung entschieden und dabei vor allem Diskriminierungen von Frauen entgegengewirkt (vgl. dazu bereits zuvor unter Abschn. 2.2), sondern sich auch im Hinblick auf die Rechte von Trans* (vgl. noch unter Abschn. 3.1) und Inter* Personen (vgl. noch unter Abschn. 3.2) sowie Diskriminierungen wegen der sexuellen Orientierung* Identität (vgl. noch unter Abschn. 3.3) immer wieder als „Antidiskriminierungsmotor“ betätigt.Footnote 122 Was seine Zusammensetzung betrifft, könnte das BVerfG diverser sein. Mit 96 Verfassungsrichtern und 22 Verfassungsrichterinnen, die bisher am BVerfG tätig waren, ist das BVerfG bis heute ein ausschließlich „binäres“ Gericht. Jedenfalls von außen betrachtet kommen auf eine homosexuelle Verfassungsrichterin 117 heterosexuelle Verfassungsrichter/-innen. Trans* Personen haben am BVerfG bisher nicht Recht gesprochen (vgl. zu mangender Diversität*Vielfalt bei der Besetzung sonst noch unter Abschn. 3.4), Recht bekommen haben sie schon.

3.1 Trans* Personen

Hatte das BVerfG hinsichtlich der Diskriminierung von Trans* Personen in seiner früheren Rechtsprechung immer noch daran angeknüpft, ob es sich nach medizinischen Erkenntnissen um einen „irreversiblen Fall von Transsexualismus“ handelt und eine geschlechtsanpassende Operation durchgeführt worden ist,Footnote 123 hat es dabei später auf das rechtlich anerkannte Selbstverständnis einer Person abgestellt. So sei es geboten, die Anrede einer Person von Verfassungs wegen nach dem rechtlich anerkannten Selbstverständnis einer Person bezüglich ihrer selbst empfundenen Geschlechtszugehörigkeit zu richten, die auch in dem ihr gerichtlich zuerkannten Vornamen zum Ausdruck komme.Footnote 124 Geschützt werde auch das Namensrecht einer „homosexuell orientierten“ Trans* Person, solange ihr eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, ihrem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet werde.Footnote 125 Auch ausländische Trans* Personen, die sich rechtmäßig und nicht nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, können nach Rechtsprechung des BVerfG von der Antragsberechtigung zur Änderung des Vornamens und zur Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit nach dem sog. TranssexuellengesetzFootnote 126 nicht ausgenommen werden.Footnote 127 Verheirateten Trans* Personen, die sich einer geschlechtsändernden Operationen unterzogen haben, könne die Möglichkeit, ihre neue Geschlechtszugehörigkeit personenstandsrechtlich anerkennen zu lassen, auch nicht nur dann eingeräumt werden, wenn ihre Ehe zuvor geschieden worden sei.Footnote 128 Auch eine Bestimmung nach der eine Trans* Person zur rechtlichen Absicherung ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nur dann eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründen können sollte, wenn sie sich zuvor einem die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hatte sowie dauernd fortpflanzungsunfähig war, hat das BVerfG beanstandet.Footnote 129

Immer wieder musste das BVerfG hier Diskriminierungen entgegentreten, was vor allem auch daran lag, dass in Fällen, in denen das BVerfG eine Regelung beanstandet hatte, das in der Regel nicht automatisch dazu führte, dass der Gesetzgeber auch weitere Regelungen geändert hätte, auf deren Verfassungswidrigkeit man aus der neueren Rechtsprechung des BVerfG ohne weiteres hätte schließen können. Mit Blick auf die Entscheidungen des BVerfG ist es bemerkenswert, dass das BVerfG Trans* Frauen ausschließlich männlich adressiert (der Transsexuelle, seine Geschlechtsanpassung usw.).

Als Motor-„Bremse“ hat sich das BVerfG erwiesen, was die Elternschaft von Trans* Personen angeht. Hinsichtlich der Stellung als Mutter oder Vater stellt es hier auf das biologische Ausgangsgeschlecht ab.Footnote 130 Viele Fragen sind außerdem noch offen. Das betrifft etwa die zum Teil immer noch medizinische Pathologisierung von Trans* Personen, die nach dem „Transsexuellengesetz“ immer noch erforderlichen psychologischen Begutachtungen, Ansprüche auf Zugang zu chirurgischen und hormonellen Eingriffen sowie auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Zur Zeit diskutiert und im Bundestag beraten wird das sog. Selbstbestimmungsgesetz, das Trans* Personen, aber auch Inter* und Non-Binären* Personen (vgl. dazu noch unter Abschn. 3.2), eine Geschlechtsanerkennung allein aufgrund des selbstempfundenen Geschlechts ohne psychologische Beratung ermöglichen soll. Das entspricht der Richtung, in die das BVerfG als „Motor“ hier bisher gegangen ist. Ob es darüber gleichwohl künftig noch entscheiden muss, bleibt abzuwarten; ich hoffe es nicht.

3.2 Inter* Personen und auch Non-Binäre* Personen

Geht es im Zusammenhang mit dem BVerfG um die Begriffe „männlich, weiblich, divers“ (m/w/d), wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur sowie in den Medien in aller Regel an eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2017 angeknüpft.Footnote 131 Mit dieser Entscheidung hatte das BVerfG den Gesetzgeber dazu angehalten, für Personen, die sich biologisch dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, einen weiteren positiven Geschlechtseintrag (wie etwa „divers“) im Personenstandsregister zu schaffen. Auch hier hatte sich das BVerfG als Motor erwiesen, der in diesem Fall die Rechte von Inter* Personen gestärkt und dabei Diskriminierungen wegen des Geschlechts (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG), aber auch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Schutz der geschlechtlichen Identität) entgegengetreten ist.Footnote 132 Die Entscheidung von 2017 betrifft ausschließlich Inter* Personen, deren angeborene genetische, hormonelle oder körperliche Merkmale nicht den medizinischen Normen von „männlich“ oder „weiblich“ entsprechen. Nicht erfasst sind Personen, die aus anderen Gründen zwischen den Geschlechtern bleiben wollen,Footnote 133 wie etwa Non-binäre* Personen, die sich unabhängig von physisch-biologischen Merkmalen nicht einem der beiden Geschlechter „männlich“ oder „weiblich“ (daher auch non-binär) zuordnen. Auch Non-binären* Personen muss es von Verfassungs wegen möglich sein, von einem weiteren positiven Geschlechtseintrag im Personenstandsregister Gebrauch zu machen, darüber entschieden hat das BVerfG aber (noch) nicht. Das Personenstandsgesetz sieht eine solche Möglichkeit bisher jedenfalls nicht vor, denn geändert hat der Gesetzgeber auch nach der Entscheidung des BVerfG von 2017 nur das, was er danach unbedingt ändern musste,Footnote 134 (vgl. dazu sonst bereits oben unter Abschn. 3.1). Zwischenzeitlich hat der BGH angenommen, dass sich eine Möglichkeit für Non-binäre* Personen, ihren Geschlechtseintrag entsprechend ändern zu lassen, aber aus dem „Transsexuellengesetz“ ergibt.Footnote 135 Das sog. Selbstbestimmungsgesetz, wie es derzeit im Bundestag diskutiert wird, sieht vor, dass auch Non-Binäre* Personen, ihren Geschlechtseintrag ihrem selbstempfundenen Geschlecht entsprechend – und das anders als nach dem bisherigen „Transsexuellengesetz“ auch ohne psychologische Beratung – ändern könnenFootnote 136 (vgl. dazu auch noch unter Abschn. 3.2).

Inter* Personen wehren sich vor allem auch gegen chirurgische Eingriffe im frühen Kindesalter, die den Geschlechtskörper – vor allem unter kosmetischen Gesichtspunkten – vereindeutigen sollen. Folge solcher Eingriffe sind oft chronische Beschwerden sowie ein Leben lang auf die Einnahme von Hormonpräparaten angewiesen zu sein. Solche Eingriffe dürften das Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung sowie eine offene Zukunft (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzen und auch Diskriminierungen wegen des Geschlechts darstellen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG).Footnote 137 Entschieden hat das BVerfG hierüber nicht. Seit Mai 2021 erlaubt das „Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ nur noch operative Eingriffe an Inter* Personen im Kindesalter, wenn es dafür eine medizinische Indikation gibt.Footnote 138 Operationen, die lediglich einen kosmetischen Nutzen haben, sind danach ausgeschlossen. Zuletzt hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde, die die Versagung von Versorgungsansprüchen nach Durchführung einer geschlechtszuweisenden Operation im Kindesalter betraf, mangels ausreichender Darlegungen nicht zur Entscheidung angenommen.Footnote 139

3.3 Sexuelle Identität* Orientierung

Immer noch ist die „sexuelle Orientierung“ oder auch „sexuelle Identität“ vom Verbot der Diskriminierung „wegen des Geschlechts“ in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht erfasst.Footnote 140 Das verwundert deshalb, weil gerade auch Homosexuelle im Nationalsozialismus verfolgt wurden und daher von dem Art. 3 Abs. 3 GG zugrunde liegenden „nie wieder“ erfasst sein sollten,Footnote 141 aber auch deshalb, weil eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung* Identität selbstverständlich immer auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts ist. Ich konnte meine Frau nicht heiraten, weil sie eine Frau und kein Mann ist, sie konnte mich nicht heiraten, weil sie eine Frau und kein Mann ist. Wechselseitig hatte immer eine das „falsche“ GeschlechtFootnote 142 und konnte nur deswegen nicht die Person heiraten, die sie wollte. Dass jede aber hätte einen Mann heiraten können, ändert an der Ungleichbehandlung nichts; schließlich hätte auch der nur geheiratet werden können, weil er keine Frau und man selbst kein Mann ist.Footnote 143 Bemühungen, Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich um die sexuelle Orientierung* Identität zu ergänzen, waren bisher erfolglos.Footnote 144 Das BVerfG behilft sich mit einem Schutz über Art. 3 Abs. 1 GG, wobei es Ungleichbehandlungen aufgrund der sexuellen Orientierung* Identität wegen der Nähe zu den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich genannten Ungleichbehandlungen verschärften Rechtfertigungsanforderungen unterwirft.Footnote 145 Wie mit seiner Rechtsprechung zur Gleichberechtigung (vgl. dazu bereits oben unter Abschn. 2.2) hat sich das Bundesverfassungsgericht – und das anfänglich durchaus auch noch etwas unerwartet – als Motor der Gleichberechtigung auch im Hinblick auf die sexuelle Orientierung* Identität erwiesen. Zunächst hatte es das Lebenspartnerschaftsgesetz, bei dem insbesondere auch die Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates bei geschickter Aufspaltung der Regelungsmaterien umstritten war, für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten, wenn es dort auch noch mit einem „Abstandsgebot“ zur Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG argumentiert hatte.Footnote 146 In der Folge hatte es in zahlreichen Entscheidungen dann immer wieder die Benachteiligung der eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe als Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung* Identität beanstandet. Das betraf die betriebliche Hinterbliebenenversorgung im öffentlichen Dienst,Footnote 147 die Erbschaft- und Schenkungsteuer,Footnote 148 den Familienzuschlag bei Beamten,Footnote 149 die Grunderwerbsteuer,Footnote 150 die sog. SukzessivadoptionFootnote 151 oder auch das Ehegattensplitting.Footnote 152 Je mehr es Ungleichbehandlungen von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft beanstandete, umso geringer wurde mit der Zeit der vom BVerfG ursprünglich noch angemahnte „Abstand“ zur Ehe.

Dabei entstand nach und nach der Eindruck, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein könne, dass das BVerfG bei einem völligem Gleichlauf von Ehe und Lebenspartnerschaft irgendwann entscheiden würde, dass inhaltsgleiche Institute mit absolut denselben Rechten, dann auch nicht mehr unterschiedlich benannt werden dürfen, nur weil diese Rechte in dem einem Fall von heterosexuellen und im anderen Fall von homosexuellen Paaren wahrgenommen werden. Dem Hinweis eines Kollegen, mit der unterschiedlichen Bezeichnung werde doch gerade der Unterschied zwischen einem Institut für homosexuelle Paare und einem Institut für heterosexuelle Paare gekennzeichnet, und es könne doch keine Diskriminierung sein, wenn das was drauf stehe, tatsächlich auch drin sei, konnte mit einem Tauschangebot begegnet werden. Wenn es tatsächlich keinen Unterschied mache und nur der Beschreibung diene, könne man doch auch tauschen. Von nun an heiße die Ehe „Lebenspartnerschaft“ und die Lebenspartnerschaft „Ehe“. Mit welchem diskriminierungsfreien Begriff dieser Unterschied umschrieben werde, dürfe dann ja keinen Unterschied machen. Der Tausch wurde abgelehnt, man wolle schließlich in einer „Ehe“ leben. Eben.

Während die unterschiedliche Bezeichnung der beiden Institute in einigen Rechtsordnungen dann auch tatsächlich keinen Bestand hatte,Footnote 153 kam das Bundesverfassungsgericht erst gar nicht mehr dazu, hier evtl. auch noch den letzten Schritt zu gehen. Mit großer fraktionsübergreifender Mehrheit hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2017 im Rahmen einer zur Gewissenfrage erklärten Abstimmung für die Öffnung der Ehe „für alle“ gestimmt.Footnote 154 Wobei im Nachgang zunächst umstritten war, ob die Ehe damit tatsächlich „für alle“ geöffnet wurde oder zum Beispiel Inter* Personen von der neuen Regelung nicht erfasst seien.Footnote 155 Mit der Gesetzesbegründung zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ stellte der Gesetzgeber dann klar, dass die „Ehe“ für Paare „gleichen oder verschiedenen Geschlechts geöffnet wurde“ und dazu auch Inter* Personen gehörten, denn auch diese seien im Verhältnis zueinander oder zu anderen entweder „gleichen oder verschiedenen Geschlechts“.Footnote 156 Das Institut der Lebenspartnerschaft existiert nach Öffnung der Ehe zwar noch weiter, es können aber keine neuen Lebenspartnerschaften mehr geschlossen werden. Nicht alle Fragen wurden damit bisher geklärt, sodass sich z. B. auch weiterhin die Frage stellt, warum die Lebenspartnerin der biologischen Kindsmutter – anders als ein Ehemann (vgl. § 1592 Nr. 1 BGB) – nicht automatisch auch rechtliche Mutter wird, sondern ihr Kind auch weiterhin als Stiefkind adoptieren muss.Footnote 157 Sicher eine Frage der Biologie und/oder der Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der Gesetzgeber hat zwischenzeitlich angekündigt, diese und weitere Fragen im Rahmen einer Reform u. a. des Abstammungsrechts zu klären.Footnote 158

3.4 Diversität*Vielfalt

Anlässlich ihres Ausscheidens aus dem BVerfG hat Susanne Baer in ihrer Abschiedsrede betont, wie wichtig Diversität für die Besetzung von Richter*innenstellen in der Justiz und insbesondere auch am BVerfG ist.Footnote 159 Dabei ging es nicht (mehr) nur um eine Besetzung mit Männern und Frauen mit unterschiedlichen Berufserfahrungen sowie einer Entsendung auf Vorschlag verschiedener Parteien, sondern für produktive Diversität seien auch persönlichere Unterschiede wichtig. Da sei noch Luft nach oben – oder, wie hier bereits festgestellt, das BVerfG könnte diverser sein (vgl. dazu auch bereits eingangs unter Abschn. 3). Für diejenigen, die den Rechtsweg beschreiten und sich letztlich vielleicht sogar an das BVerfG wenden, macht es einen Unterschied, ob an den Gerichten nur der christliche Glaube vertreten ist, wenn Richter*innen Erfahrungen mit einem Handicap haben, selbst oder in ihrem Umfeld, wenn nicht nur heterosexuelle Richter*innen Recht sprechen, und neben zahlreichen Männern immer mehr Frauen auch rote Roben tragen, wenn Menschen unterschiedlicher (sozialer) Herkunft, aus verschiedenen Bundesländern, mit oder ohne Migrationserfahrung zusammen arbeiten, wenn auch Personen of Colour, Menschen unabhängig davon, mit welchem biologischen Geschlecht sie geboren wurden, und auch jenseits des Binären, mit unterschiedlichen Erfahrungen in der Justiz tätig sind, und schließlich alles bei allen irgendwie unterschiedlich zusammenkommt.Footnote 160 Das gilt auch nicht nur für die Richter*innen und Verfassungsrichter*innen, die in der Justiz arbeiten, sondern auch für alle anderen, die dort und insbesondere auch am BVerfG tätig sind. Mit „unterschiedlich trainierten Ohren“Footnote 161 können gerade auch sie die Ohren derjenigen schärfen, die sie bei ihrer Arbeit – wie etwa am BVerfG die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, die Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung und in den Vorzimmern, die Verfassungsrichter*innen – unterstützen. Das ist tatsächlich „nicht ‚übertrieben‘ zeitgeistig“,Footnote 162 sondern wichtig, damit diejenigen, die an den Gerichten und insbesondere auch am BVerfG Schutz suchen, nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden.

Auch Christine Hohmann-Dennhardt hat in ihrem Beitrag die Bedeutung von „Vielfalt“ hervorgehoben, (dort:) was eine Besetzung des BVerfG nicht nur mit Männern, sondern auch mit Frauen angeht,Footnote 163 sodass aus „Vielfalt“ gepaart mit Gleichheit Gleichberechtigung erwachsen kann.Footnote 164 Dabei hat sie dem BVerfG am Ende ihres Beitrags – zunächst ausgehend von einem Zitat von Gertrude Lübbe-Wolff, in dem es u. a. um Hegel, Bildung und Männer mit Mut zur Lücke gingFootnote 165 – letztlich noch viele Frauen in seinen Reihen gewünscht.Footnote 166 Ich schließe mich dem an, und wünsche dem BVerfG ebenfalls noch viele Frauen in seinen Reihen sowie auch sonst Personen (m/w/d), die mit großer auch persönlicher Vielfalt ausgeprägten Mut zeigen, nur nicht gerade zur Lücke.