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Die Nato entstand, weil Russland „in absehbarer Zukunft die größte Einzelgefahr“ war

Regelmäßig blickt WELTGeschichte auf Schlagzeilen, die WELT im Laufe der Jahrzehnte veröffentlicht hat – und berichtet, was weiter geschah. Heute: Die Unterzeichnung des Nordatlantikpaktes am 4. April 1949, die zur Geburtsstunde der Nato wurde, und ihre Entwicklung bis 2024.
Leitender Redakteur Geschichte
Die Vertreter der beteiligten Länder während der feierlichen Unterzeichnungszeremonie am 4. April 1949 in Washington D.C.. Unter dem Symbol der vierstrahligen Windrose schlossen sich am 4. April 1949 zehn europäische Staaten mit den USA und Kanada zu dem Verteidigungsbündnis "Nord-Atlantische Vertragsorganisation", (engl. Abkürzung: NATO) zusammen, dem 1955 auch die BRD beitrat. Die NATO war die Antwort des Westens auf das Expansionsstreben der spätstalinistischen Sowjetunion, die wiederum 1955 den "Warschauer Pakt" ins Leben rief. Ziele der NATO sind die Stärkung der Sicherheit durch Zusammenarbeit des nordatlantischen Raumes auf der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ebene. Die Vertreter der beteiligten Länder während der feierlichen Unterzeichnungszeremonie am 4. April 1949 in Washington D.C.. Unter dem Symbol der vierstrahligen Windrose schlossen sich am 4. April 1949 zehn europäische Staaten mit den USA und Kanada zu dem Verteidigungsbündnis "Nord-Atlantische Vertragsorganisation", (engl. Abkürzung: NATO) zusammen, dem 1955 auch die BRD beitrat. Die NATO war die Antwort des Westens auf das Expansionsstreben der spätstalinistischen Sowjetunion, die wiederum 1955 den "Warschauer Pakt" ins Leben rief. Ziele der NATO sind die Stärkung der Sicherheit durch Zusammenarbeit des nordatlantischen Raumes auf der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ebene.
Eine feierliche Zeremonie am 4. April 1949 in Washington D.C. war die Geburtsstunde der Nato
Quelle: picture-alliance / dpa
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Der sonst so nüchtern-distanzierte Präsident wurde geradezu volksnah: „Wir sind wie eine Gruppe von Familienvätern, die in derselben Ortschaft wohnen und sich entschließen, die Gemeinsamkeit ihrer Interessen dadurch auszudrücken, dass sie sich zu ihrem gegenseitigen Schutz auch formell zusammenschließen“, sagte Harry S. Truman am 4. April 1949 in Washington D. C.

An diesem Montag stand die Unterzeichnung des Nordatlantikpaktes an, dessen Ziel Truman klar beschrieb: „Für uns ist der Krieg nicht unvermeidlich. Menschen mit Mut und klarem Blick können immer noch ihr eigenes Geschick bestimmen. Das Abkommen, das wir heute hier unterzeichnen, deutet den Weg an, den wir einschlagen werden.“

Der Präsident der USA, Harry S. Truman, während seiner Ansprache am 4. April 1949 in Washington D.C.. Unter dem Symbol der vierstrahligen Windrose schlossen sich am 4. April 1949 zehn europäische Staaten mit den USA und Kanada zu einem Verteidigungsbündnis ("Nord-Atlantische Vertragsorganisation", (engl. Abkürzung: NATO) zusammen, dem 1955 auch die BRD beitrat. Die NATO war die Antwort des Westens auf das Expansionsstreben der spätstalinistischen Sowjetunion, die wiederum 1955 den "Warschauer Pakt" ins Leben rief. Ziele der NATO sind die Stärkung der Sicherheit durch Zusammenarbeit des nordatlantischen Raumes auf der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ebene.
US-Präsident Harry S. Truman am 4. April 1949 in Washington D.C.
Quelle: picture-alliance / dpa

Truman verkniff sich, den Grund für den Vertrag anzusprechen – denn dann hätte er das Scheitern der zentralen politischen Vision seines Vorgängers einräumen müssen. Franklin D. Roosevelt hatte seit der Wende des Zweiten Weltkrieges 1942/43 seine ganze politische Kraft in ein Projekt gesteckt, das ihm ein Herzensanliegen war und das er als politisches Vermächtnis sah: einen neuen Völkerbund, nur diesmal anders als in den Jahren nach 1919 unter Mitwirkung der USA.

Doch die United Nations (eigentlich die seit Anfang 1942 gängige Bezeichnung für die anfangs 26 Länder der Anti-Hitler-Koalition, darunter acht von der Wehrmacht besetzte Staaten Europas) waren schon wenige Jahre nach ihrer Gründung im Juli 1945 faktisch gescheitert: Spätestens die Blockade der drei westlichen Sektoren der vormaligen Reichshauptstadt Berlin ab Ende Juni 1948 hatte demonstriert, dass die Sowjetunion an einem friedfertigen Miteinander nicht interessiert war.

Schon die Machtübernahme der polnischen und ungarischen Kommunisten bald nach Kriegsende sowie der von der UdSSR massiv unterstützte Bürgerkrieg griechischer Partisanen gegen die Mehrheitsgesellschaft hatten diesen Schluss nahegelegt. Truman kündigte daraufhin am 12. März 1947 vor dem US-Kongress an, künftig „freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“.

Quelle: Infografik WELT

Doch erst der (aus Sicht der UdSSR erfolgreiche) Umsturz in Prag Ende Februar 1948 sowie eben die Berlin-Blockade mit der Luftbrücke als so kreativer wie von Stalin unerwarteter friedlicher Gegenmaßnahme verhalfen dieser neuen Politik zum Durchbruch. Nun rangen sich das Weiße Haus und das State Department zu der Erkenntnis durch, dass Reagieren zu wenig sei, vielmehr aktives Handeln zur Eindämmung der kommunistischen Machtambitionen Not tue.

Am 23. November 1948, als die Luftbrücke für Berlin wegen längeren schlechten Wetters und Erschöpfung des eingesetzten Personals kurz vor dem Scheitern stand, genehmigte Truman den geheimen Bericht 20/4 des Nationalen Sicherheitsrates der USA, in dem es hieß: „Der Wille und die Fähigkeit der Anführer der UdSSR, eine Politik zu verfolgen, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedroht, stellen in absehbarer Zukunft die größte Einzelgefahr für die USA dar.“

Zu dieser Zeit hatten bereits die wesentlichen Vorgespräche für den Nordatlantikpakt stattgefunden; die genauen Formulierungen und Abstimmungen mit den Regierungen der Gründungsmitglieder zogen sich aber noch monatelang hin. Dann endlich stand das Dokument, das am 4. April 1949 feierlich von den Außenministern der beteiligten Länder sowie ihren Botschaftern in Washington D.C. unterzeichnet wurde.

Schon in der Präambel (übrigens auch 75 Jahre später unverändert) betonten die Mitgliedstaaten ihren „Glauben an die Ziele und Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen“ und ihren „Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben“. Im ersten Artikel verpflichteten alle Unterzeichner, Streitfälle friedlich zu regeln und „sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist“ – also beispielsweise Eroberungskriege oder die militärische Besetzung fremder Territorien.

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Artikel 2 verpflichtete die Staaten zur Zusammenarbeit auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet, Artikel 3 auf die Stärkung der „Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe“ – also gemeinsame Rüstung. Artikel 4 erlegte den Mitgliedstaaten eine Konsultationspflicht auf. Entscheidend war Artikel 5, demzufolge „ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere“ der Länder als „ein Angriff gegen sie alle angesehen“ werden solle. Die übrigen neun Artikel waren im Wesentlichen Verfahrensregeln.

Truman wollte die Demokratien Westeuropas und Nordamerikas zur gegenseitigen Verteidigung gegenüber der von der Sowjetunion ausgehenden Bedrohung verpflichten und so durch effektive Abschreckung der kommunistischen Diktatur neue Kriege in Europa vermeiden. Es handelte sich also um einen reinen Defensivpakt.

ASV_WERE_19490405_001
Titelseite von WELT vom 5. April 1949
Quelle: Axel Springer SE

Der „historisch beispiellos“ ist, wie der Freiburger Zeithistoriker Jan Eckel sagt: „Ein derart dauerhaftes, weitreichendes und so viele Staaten umfassendes Militär- und Verteidigungsbündnis hatte es zuvor nicht gegeben – und auch seitdem ist nichts Vergleichbares entstanden.“

Nach der Ratifizierung des Nordatlantikvertrages durch die Parlamente der beteiligten Staaten traten diese Regelungen am 24. August 1949 in Kraft; faktisch existierte die Nato jedoch bereits seit dem 4. April 1949. Seither kamen zahlreiche Staaten hinzu – zuerst Griechenland und die Türkei 1952, dann die (damalige) Bundesrepublik 1955 sowie 1982 das inzwischen wieder demokratische Spanien (Portugal war hingegen schon 1949 Gründungsmitglied, obwohl es zu dieser Zeit diktatorisch regiert wurde).

Im Vereinigungsprozess 1990 war die Nato-Mitgliedschaft der vormaligen DDR ein zentrales Thema. Die USA bestanden darauf, dass ein vereinigtes Deutschland Vollmitglied der Nato sein müsse, gestand aber zu, dass keine nichtdeutschen Nato-Streitkräfte auf vormaligem DDR-Gebiet stationiert werden würden.

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Dagegen handelte es sich beim angeblichen Versprechen, die Nato nicht nach Osten auszudehnen, lediglich um die Meinung der damaligen Außenminister Deutschlands und der USA, Hans-Dietrich Genscher und James Baker. Die Regierungschefs Helmut Kohl und George H. W. Bush kassierten diese nicht autorisierten und daher irrelevanten, vor allem aber undurchdachten Äußerungen sofort wieder. Sie spielten auch bei den weiteren Zwei-plus-Vier-Verhandlungen keine Rolle mehr.

Erst im Zuge der zunehmend aggressiven russischen Politik seit etwa 2006 wurde dieses vermeintliche Versprechen öffentlichkeitswirksam thematisiert.

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Die Nato hatte als Verteidigungsbündnis gegen stalinistische Aggression begonnen und mehr als drei Jahrzehnte lang effektiv den Frieden in Europa bewahrt. Mit dem Ende des Warschauer Paktes 1991 gab es ihr Gegenüber nicht mehr. Jedoch bremste Russland alle Versuche der Nato auf engere Zusammenarbeit aus. Seit Mitte der 1990er-Jahre drängten daher die baltischen Staaten, ferner Polen, Ungarn und weitere ehemalige Ostblockstaaten um die Aufnahme in die Nato, was bis 2004 vollzogen wurde.

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Anfang April 2008 lehnte die Nato wesentlich aufgrund von Kanzlerin Angela Merkels Einspruch die engere Einbindung Georgiens und der Ukraine ab. Schon im August desselben Jahres griff Russland Georgien an, annektierte 2014 die ukrainische Krim und inszenierte einen Bürgerkrieg im Donbass. Im Februar 2022 folgte dann der offene Eroberungskrieg gegen die Ukraine – und als Folge der Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato.

Harry S. Truman hatte das Bündnis konzipiert, um „freien Völkern beizustehen“, die sich „bewaffneten Minderheiten“ oder „äußerem Druck“ widersetzen. Sein Ansatz von 1947 ist auch im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts bedauerlicherweise immer noch notwendig.

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