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Wird Altkanzler Kohl von seiner Frau fremdgesteuert?

Peter (l.) und Walter Kohl im TV-Studio. Markus Lanz fragt: „Können Sie Ihren Vater noch sehen?“ – „Nein!“, antwortet Walter Kohl Peter (l.) und Walter Kohl im TV-Studio. Markus Lanz fragt: „Können Sie Ihren Vater noch sehen?“ – „Nein!“, antwortet Walter Kohl
Peter (l.) und Walter Kohl im TV-Studio. Markus Lanz fragt: „Können Sie Ihren Vater noch sehen?“ – „Nein!“, antwortet Walter Kohl
Quelle: ZDF
Peter und Walter Kohl haben bei Markus Lanz ihrer Stiefmutter die Anklage verlesen. Sie sprechen über Fremdsteuerung ihres Vaters Helmut und über Aneignung von Kleidung und Schmuck Hannelore Kohls.

Es sitzen dort bei Markus Lanz im ZDF Peter und Walter Kohl, aber unverkennbar sitzen dort in ihren Gesichtszügen und ihrem Habitus auch die Eltern Helmut und Hannelore Kohl. Der jüngere Sohn Peter, Jahrgang 1965, hat vom Vater die Halbkreisbewegung mit dem Kinn geerbt, die Helmut Kohl vollführt, wenn ihm unwohl zumute ist. Der ältere Sohn Walter, Jahrgang 1963, hat, wenn er lacht, exakt Kohls Mund und auch den dazugehörigen Gesamtausdruck rund um die Augen und die Stirn.

Walter Kohl besitzt die Eloquenz seiner Mutter und ihre Augenfarbe, eingebettet in die Augenform seines Vaters. In Peter Kohl wiederum lebt in bestimmten Momenten die scheinbar devot geneigte Kopfhaltung fort, die Hannelore Kohl einnahm, wenn sie einen Gedanken besonders unterstreichen wollte.

Peter Kohl hat auch ihre Augenform geerbt, zusammen mit der Augenfarbe seines Vaters. Beide jungen Kohls – und in vielen Augenblicken des Abends wirken sie jung, im anrührenden Sinn treuer Söhne – sind ein leibhaftiger Beweis dafür, dass jeder Mensch, der Kinder hat, in seinen Kindern weiterlebt.

Peter und Walter Kohl sind zu Markus Lanz ins Studio gekommen, weil sie Hannelore Kohl weiterleben lassen möchten. Die Hannelore Kohl, die sie gekannt haben. Sie möchten auch ihren Vater leben lassen, so, wie sie es sich für dessen Alter vorgestellt haben. Es geht ihnen nicht darum, die neue Ehe ihres Vaters per se schlecht zu machen.

"Er soll tun und lassen, was er will"

"Wir haben uns eigentlich gefreut, dass er jemanden gefunden hat, die sein Leben begleitet. Unser Vater, wie viele starke Männer, ist sicherlich auch jemand, der eine starke Frau braucht." Peter Kohl fügt hinzu: "Wir sind ja nun erwachsene Kinder von jemand, der wirklich ausreichend erwachsen ist. Er soll tun und lassen, was er will."

Helmut Kohls zweite Frau ist aber trotzdem im Studio so präsent wie Don Giovannis "steinerner Gast", unsichtbar, dräuend, fast die ganze Sendung dreht sich um sie. Man könnte auch sagen: Maike Kohl-Richter wird hier im Studio in Abwesenheit die Anklage verlesen.

"Möglicherweise" ist in diesem Zusammenhang das entscheidende Wort. Walter und Peter Kohl sind offenkundig davon überzeugt, dass ihr Vater seit dem schweren Sturz 2008 von seiner Frau fremdgesteuert wird. Aber die letzte Sicherheit für diese Einschätzung fehlt. Unterstrichen wird die Anklage durch große Einblendfotos, von denen mindestens eines mit boshafter Absicht gezeigt zu werden schien. Nämlich dasjenige einer Maike Kohl-Richter, die ihren Mann Helmut Kohl auf etwas mädchenhafte Art anhimmelt.

Peter Kohl hat zur Neuauflage seiner 2002 publizierten Hannelore-Kohl-Biografie ein neues anklagendes Vorwort geschrieben. Seit heute ist das Buch im Handel. Er teilt den Lesern dort einige private Erlebnisse mit Helmut Kohls späterer Frau Maike Richter mit, die er nun bei Markus Lanz noch einmal schildert.

"Also wilde Propaganda-Abteilung"

Lanz fragt, wie sich diese Beziehung zwischen Helmut Kohl und Maike Richter entwickelt habe. Peter Kohl: "Ich weiß nicht, ob das eine Beziehung im klassischen Sinne auch ist, ganz ehrlich." Zum Beispiel, so Peter Kohl, könne seine Frau Elif sich "mit meinem Vater stundenlang über irgendwelche Themen" unterhalten. Mit Maike Richter sei so etwas aber völlig unmöglich.

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"Ich habe mich – oder fragen Sie meinen Bruder! – mit ihr kein einziges Mal über irgendwelche Themen unterhalten können. Ich schaffe es eigentlich immer, mich mit jemandem über etwas zu unterhalten. Aber nicht mit Maike Richter." Dann setzt er vor der Kamera einige drastische Sätze hinzu: Jedes Gespräch mit Maike Richter bis zur Hochzeit sei "eigentlich immer nur eine Lobhudelei über meinen Vater" gewesen.

"Also wilde Propaganda-Abteilung. Es läuft eine Propagandasendung ab, die nonstop im Hintergrund läuft. Und wenn dann, vor der Hochzeit, andere Menschen da sind, nimmt sie nicht am Gespräch teil. Also: Man sitzt um den Tisch herum und spricht über irgendein Thema, was weiß ich, türkische Innenpolitik oder so was, und sie ist aber nicht Teil des Gesprächs."

Stocken, Schlucken, veränderte Stimmlage

Peter Kohl präzisiert auch die Beschreibung seines bislang letzten Besuches bei seinem Vater vor nunmehr bald zwei Jahren. Im neuen Vorwort zu seinem Buch schreibt er, es sei ihm mit einem Trick gelungen, ins Privathaus Kohls in Ludwigshafen zu kommen.

Bei Markus Lanz sagt Peter Kohl nun, sein Bruder Walter habe noch eine alte Telefonnummer des Begleitkommandos gehabt. "Dann habe ich mich also vor die Tür gestellt und habe bei der Polizei angerufen und gesagt, ich hab jetzt mich mit denen verabredet und bei denen geklingelt, die hören mich nicht; rufen Sie doch mal an, dass sie die Tür aufmachen. Und dann ging die Tür auf, eine sehr aufgebrachte Maike Richter stand da davor, hat nicht Guten Tag gesagt, sprach hektisch in ein Telefon rein, machte eine Handbewegung Richtung Wohnzimmer, wir in das Wohnzimmer rein mit meiner Tochter, mein Vater saß im Rollstuhl, hat sich sehr, sehr gefreut, meine Tochter noch mal zu sehen" – das sagt Peter Kohl genau so: "noch mal zu sehen", und fährt fort: "Und … ah", Stocken, Schlucken, veränderte Stimmlage, "… hielt ihre Hand, und dann nach einer gewissen, ich weiß nicht, so zehn Minuten oder … sagt … –, macht …“ - wieder gerät Peter Kohl kurz ins Stocken, und sagt: "… bedeutet er: Ist besser, dass Ihr geht, sonst gibt es wieder Riesenärger."

Peter Kohl bezieht das offenkundig auf Maike Kohl-Richter und lässt das so im Raume stehen.

"Ich will, dass du mitklagst"

Walter Kohl fügt hinzu, er habe seinen Vater zuletzt telefonisch im Sommer 2011 gesprochen "in der Causa Schwan, so muss man wirklich sagen". Die Causa Schwan ist ein eigener Kriegsschauplatz in diesem Drama. Heribert Schwan war Kohls früherer Ghostwriter für die Abfassung der Memoiren.

Schwan hat im Juni 2011 dann eine Hannelore-Kohl-Biografie publiziert, gegen deren Inhalt beide Söhne Kohls auf Unterlassung klagten und am 28. Februar, kurz vor der Sendung, einen juristischen Sieg verbucht haben. Das verkündet Walter Kohl bei Markus Lanz mit sichtlicher Genugtuung. Peter und Walter Kohl werfen Schwan vor, Fakten frei erfunden und die Haltung der Söhne zur Mutter falsch dargestellt zu haben.

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In dem Telefonat im Sommer 2011 wollte Walter Kohl seinen Vater dazu bringen, gemeinsam mit den Söhnen gegen das Buch vorzugehen. "Das wollte er auch, aber er war schon sehr schlecht informiert, weil er geglaubt hat, ich arbeite mit Dr. Schwan zusammen. Ich sage: ,Papa, ich bin gerade dabei, den Mann zu verklagen. Ich will, dass du mitklagst. Wir müssen als eine Front auftreten.‘"

Das telefonische Missverständnis habe gezeigt, "dass das schon eine sehr schwierige Kommunikation damals war". Das letzte Mal persönlich gesehen habe er seinen Vater "eineinhalb Jahre vorher, glaube ich".

Peter Kohl muss wieder heftig schlucken

Doch die Hauptgegnerin der Söhne Helmut Kohls ist Maike Kohl-Richter, die zwar ebenfalls einen Doktorgrad besitzt, aber von den Söhnen nie mit ihm bezeichnet wird. Markus Lanz fragt nach der Aneignung von Kleidung und Schmuck Hannelore Kohls durch die zweite Ehefrau, und Peter Kohl muss wieder heftig schlucken. Das tut er oft an diesem Abend, seine Stimme bekommt dann schnell einen leicht nasalen Klang, er sucht merklich nach Worten und wirkt wie jemand, der seine Gefühle nur mit Mühe unter Kontrolle hält.

Peter Kohl wirkt wie jemand, der abgöttisch an seiner Mutter gehangen hat und vielleicht sogar erst im Nachhinein versteht, wie abgöttisch er an ihr hing – obwohl er im neuen Vorwort auch von seiner "berechtigten" früheren Kritik an seiner Mutter schreibt. Eine Kritik, vor der seine Frau Elif die Mutter stets in Schutz genommen habe.

Ja, sagt Peter Kohl nun, mit den Kleidern und dem Schmuck, "es ist ja noch schlimmer". Es gebe gewissen Erbschmuck, "der geht also fünf Generationen zurück. Und der geht in der Familie immer an das nächste weibliche Nachkommen, das wäre also in diesem Fall dann meine Tochter". Peter Kohls Ehefrau habe das deswegen "alles im Detail studiert und war natürlich entsetzt".

Manche hätten sich an ihrem Tod "geweidet"

Was geschehen ist, ist geschehen, sagt Walter Kohl. Die beiden Brüder wollen aber ihre Mutter so verteidigen, wie sie sie sehen. Sie haben zum 80. Geburtstag Hannelore Kohls am 7. März einen Film produziert, in dem Menschen wie Kurt Beck oder Doris Schröder-Köpf zu Wort kommen werden.

Warum tun sie das alles, in die Talkshows gehen, Bücher neu herausgeben, einen Film drehen, fragt Markus Lanz.

Walter Kohl sagt: "Es ist so: Wir haben uns 2011 angeschaut nach diesem sehr, sehr schlimmen zehnten Todestag und haben gesagt, es gibt bestimmte Dinge, die wir tun müssen. Wir müssen die juristischen Themen aufarbeiten, Stichwort: dieses Buch korrigieren, und das viel wichtigere Thema ist: Wir müssen für unsere Mutter würdig etwas darstellen." Schon 2001 hätten sich ja manche an ihrem Tod "geweidet".

Der 80. Geburtstag solle nun in Würde begangen werden. "Wir wollen als Fürsprecher unserer Mutter sagen können: Mama, das haben wir für dich getan, das ist uns wichtig." Dafür gibt es vom Publikum großen Beifall. Es gehe, sagt Walter Kohl auf eine Frage, "nicht um intime oder private Dinge. Es geht um etwas ganz anderes."

"Können Sie Ihren Vater noch sehen?" – "Nein!"

Erstens habe man den Auftrag der Mutter verfehlt, sich zu vertragen. "Zweitens, es haben sich Leute eingemischt, die da nichts zu suchen haben. Und sie haben sich auf eine für mich persönlich schmutzige Art eingemischt. Also müssen wir auch da was tun." Walter Kohl bekommt feuchte Augen.

"Und der dritte Punkt ist: Wir sind ihre Kinder, und als ihre Kinder stehen wir zu unserer Mutter. Unsere Mutter ist für uns die Frau, die mit unserem Vater den Weg über 45, 50 Jahre gegangen ist, die unser Leben entwickelt hat, und die auch diese Lebensgeschichte möglich gemacht hat. Und wenn man so will, ist das heute Abend eine Demonstration ohne Fahnen, ohne Plakate, aber für unsere Mutter, für Hannelore Kohl." Der Applaus ist noch lauter als eben.

Markus Lanz fragt noch: "Können Sie Ihren Vater noch sehen? Ist Telefonieren möglich?" Walter Kohl lacht auf und sagt "Nein!". Er lacht mit einem Gesichtsausdruck und einer Stimmlage, die zwischen Resignation, begütigendem Spott und Verzweiflung schwanken. Peter Kohl schließt sich dem an. Beide wirken in dem Augenblick so anrührend wie hilflos und in ihrer Hilflosigkeit fast ein wenig deplatziert.

Ein schleichendes Unbehagen

Denn der steinerne Gast, Maike Kohl-Richter, ist unverwandt weiter im Studio präsent, und unverkennbar hat sie die entscheidenden Fäden in der Hand. Man wünschte sich, sie bekäme auch einmal Gehör oder die Gelegenheit, überhaupt etwas zu sagen. Es scheint so, als wolle sie das nicht.

Es scheint auch so, als hätten die Söhne aus ihrer eigenen Sicht gute Gründe für die Anklage. Und trotzdem bleibt ein schleichendes Unbehagen darüber, hier jemanden vor dem ganzen Land beschuldigt zu sehen, ohne dass es einen Weg zum Gespräch zwischen allen Beteiligten als erwachsenen Menschen zu geben scheint.

Gibt es keinen Pfarrer, der vermitteln könnte? Gibt es inmitten einer Zivilgesellschaft nur diesen immer offener ausgetragenen Kampf? Es mag so kommen, aber einen Gefallen tut sich Deutschland damit nicht, wenn es auf spannende Fortsetzung hofft.

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