Hannah Arendt: Packendes, lebensnahes Biopic über Schlüsselmomente im Leben der Philosophin, die Barbara Sukowa unter Margarete von Trottas souveräner Regie kongenial verkörpert.
Packendes, lebensnahes Biopic über Schlüsselmomente im Leben der Philosophin, die Barbara Sukowa unter Margarete von Trottas souveräner Regie kongenial verkörpert.
Für starke, unabhängige Frauen hat sich Margarethe von Trotta in ihren Filmen stets interessiert. Ob für die katholische Mystikerin Hildegard von Bingen in „Vision“, die marxistische Revolutionärin „Rosa Luxemburg“ oder die Schwestern Ensslin in „
Die bleierne Zeit„. Ihrer Lieblingsschauspielerin, ihrer „Schwester“ Barbara Sukowa übertrug sie in diesen Leinwandporträts stets die Hauptrolle, so nun auch in „Hannah Arendt“, ihrer Annäherung an die berühmte deutsch-jüdische Philosophin. Aber wie erzählt man deren Leben? Auch wenn es in diesem an Drama wahrlich nicht fehlte. Nur knapp entkam Arendt (1906 - 1975) den nationalsozialistischen Todeslagern, zu ihren Freunden und Geliebten zählten die Vordenker des 20. Jahrhunderts und sie stand im Mittelpunkt einer der größten politischen Kontroversen ihrer Tage. Bekannt bleibt sie aber für ihre theoretischen Schriften.
Genau diese Person, die unerbittliche, glasklar argumentierende Intellektuelle, die „politische Philosophin“ versucht die Filmemacherin zu fassen. „Gedanken“, wollte Trotta nach eigener Aussage, „in einen Film übersetzen.“ Die „Action“ wird schnell abgehandelt - gleich zu Filmbeginn. Ein Mann spaziert nachts eine Straße entlang. Ein Lastwagen hält. Männer springen heraus, zerren den Fußgänger auf die Ladefläche. Schnitt in ein New Yorker Apartment. Arendt, ihr zweiter Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg), ihre Sekretärin, Freundin und spätere Nachlassverwalterin Lotte Köhler (Julia Jentsch) sowie ihr ehemaliger Kommilitone Hans Jonas (Ulrich Noethen) diskutieren, ob es rechtens war Adolf Eichmann, eine der Schlüsselfiguren in der von Adolf Hitler propagierten „Endlösung“, in Argentinien zu kidnappen, um ihn dann in Israel vor Gericht zu stellen.
Trotta konzentriert sich auf Schlüsselmomente im Leben Arendts. Deren Israel-Besuch 1961 etwa, wo sie fürs renommierte Magazin The New Yorker über den Eichmann-Prozess berichten soll. Daraus entsteht in der Folge ihr bis heute umstrittenes Buch „Eichmann in Jerusalem“, in dem sie ihre These von der „Banalität des Bösen“ formuliert. Viele Feinde macht sie sich, große Teile der jüdischen Welt sind empört, sehen in der Zeichnung Eichmans als Bürokraten und Schreibtischtäter eine Verharmlosung des Holocaust. Doch Arendt steht zu ihrer Behauptung. Sukowa spielt sie auf den Punkt, mit wenigen Worten. Sie raucht pausenlos, nippt nachdenklich an ihrem Wein. Nur mit ihren Freunden, darunter die perfekt besetzte Janet McTeer als Universitätskollegin Mary McCarthy, lässt sie sich auf Streitgespräche ein - kluge, pointierte Dialoge, von der Regisseurin und ihrer Koautorin Pamela Katz („Rosenstraße“) zu Papier gebracht.
Zwischen den USA, Deutschland und Israel pendelt die Handlung. Mit Martin Heidegger (Klaus Pohl), ihrem Lehrer, Mentor und Liebhaber spaziert Arendt durch den Wald, stellt ihn wegen seiner pro-nationalsozialistischen Äußerungen zur Rede. Mit ungläubiger Miene verfolgt sie die Verhandlung gegen Eichmann, Originalaufnahmen vom Prozess werden eingeschnitten, um, so die Regisseurin, „dem Zuschauer die Mittelmäßigkeit Eichmanns spür- und begreifbar zu machen.“ Sorgfältig, stilgenau ist die Ausstattung, ruhig sind Schnitt und Kameraführung (Caroline Champetier), die Farben, vornehmlich Brauntöne, gedeckt. Ein souverän gehandhabtes Biopic, getragen von einem ausgezeichnetem Ensemble. Großes, dramatisches Kino, bewegend, spannend, lebensnah und reflektiert. geh.