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Experte über brisantes FDP-Papier: Warum die FDP jetzt ihren Plan vorlegt - und er „auf keinen Fall“ umgesetzt wird
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Habeck, Scholz und Lindner
Michael Kappeler/dpa

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  • FOCUS-online-Redakteur

Die FDP hat mit einem Positionspapier neuen Streit in der Ampel provoziert. Politikwissenschaftler Uwe Jun erklärt im Interview, was sich die Partei davon erhofft – und was ein Bruch der Koalition den drei Partnern bringen würde.

Am Wochenende wurde ein Positionspapier der FDP bekannt, in dem die Parteispitze unter anderem die Abschaffung der Rente mit 63 und drastische Bürgergeld-Kürzungen für Arbeitsverweigerer fordert. Es droht neuer Streit in der Ampelkoalition. Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier, bewertet das Papier als gezielte Provokation.

FOCUS online: Gibt es irgendein denkbares Szenario, in dem die FDP diese Forderungen innerhalb der Koalition umsetzen könnte?

Uwe Jun: Auf keinen Fall. Die Forderungen berühren den Kernbereich der SPD, nämlich die Sozialpolitik, und der Grünen, nämlich die Energiepolitik. Aber noch ist das Papier nur ein Vorschlag, es muss zunächst auf dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende beschlossen werden. Möglicherweise wird es dort noch entschärft.

Entscheidend wird sein, wie sich Christian Lindner als Parteivorsitzender zu diesem Papier positioniert. Er genießt den vollen Rückhalt der Partei und auf ihn wird es jetzt ankommen.

Was bezweckt die Partei denn mit dem Papier?

Jun: Die FDP markiert ihre Position damit, es ist eine scharfe Kritik an der Politik von Grünen und SPD. Die FDP macht deutlich, dass sie in der Wirtschafts-, Sozial- und Energiepolitik mit ihren beiden Koalitionspartnern bei zentralen Aspekten nicht mehr übereinstimmt. Die Partei sieht Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung negativ und will zeigen, dass sie einen anderen Weg aus der Misere sieht als SPD und Grüne.

„Dass es bei den Grünen so still war, hat auch damit zu tun, dass sie noch abwägen, wie sie reagieren sollen“

Die Differenzen gibt es schon länger. Warum hat die FDP gerade jetzt dieses Papier geschrieben?

Jun: Die Unzufriedenheit in der FDP gärt schon länger. Immer wieder gibt es Forderungen vom Parteivorsitzenden und Generalsekretär, die haben aus Sicht der Partei aber zu wenig Beachtung gefunden. Die FDP hat jetzt angesichts der schlechten wirtschaftlichen Daten, die jüngst wieder veröffentlicht wurden, eine Chance gesehen, ein deutliches Zeichen zu setzen. Und gerade laufen die Haushaltverhandlungen, wo es auf die FDP ankommt.

Inwiefern ist das auch schon Wahlkampfgetöse mit Hinblick auf die Europawahl im Juni?

Jun: Wir befinden uns schon im Wahlkampf, das spielt sicher auch eine Rolle.

Für die SPD haben unter anderem Parteichef Lars Klingbeil und Fraktionschef Rolf Mützenich nach Bekanntwerden des Papiers gegen die FDP geschossen. Die Grünen haben sich hingegen zurückgehalten. Was ist das schlauere Vorgehen – für die jeweilige Partei und die Koalition?

Jun: Wenn man um die Stabilität der Koalition bemüht ist, sollte man solche Dinge eigentlich intern klären. Aber diese Stabilität scheint ja auch der FDP nicht mehr wichtig zu sein, sonst wäre das Papier nicht an die Öffentlichkeit gekommen.

Die SPD fühlt sich nun herausgefordert, sie versteht das als Provokation auf dem Gebiet ihrer Kernkompetenz, der Sozialpolitik. Sie muss das schroff zurückweisen, weil das Papier aus ihrer Sicht den Fortbestand der Koalition gefährdet. Dass es bei den Grünen so still war, hat vielleicht auch damit zu tun, dass sie noch abwägen, wie sie reagieren sollen.

„Eine Trennung zum jetzigen Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig“

Einige spekulieren, dass die FDP mit dem Papier den Ausstieg aus der Ampel forcieren will. Ist das jetzt tatsächlich realistischer geworden?

Jun: Damit würden sich eigentlich alle Parteien verschlechtern. Wenn sich SPD und Grüne auf die Provokation einließen, wäre ihre Alternative eine Minderheitsregierung. Aber der Haushalt für 2025 ist noch nicht verabschiedet, zu zweit würde ihnen das auch nicht gelingen. Deshalb wäre eine Trennung zum jetzigen Zeitpunkt denkbar ungünstig.

Und die FDP hat keinen potenziellen Partner, mit dem sie sofort eine Mehrheit im Bundestag bilden könnte. Aber die Partei muss immer wieder situativ abwägen. Die entscheidende Frage ist: Setzt man die parlamentarische Existenz aufs Spiel? Wenn die FDP tatsächlich keine Basis mehr für eine gemeinsame Regierungspolitik mit SPD und Grünen sieht, dann erscheint es glaubwürdiger das auch zu bekunden und zu handeln. Denn Glaubwürdigkeit ist essenziell.

Das Papier erinnert an ein Konzept von Otto Graf Lambsdorff, das 1982 den Ausstieg der FDP aus der sozialliberalen Koalition besiegelt hat. Ist das ein treffender Vergleich?

Jun: Damals hatte die FDP mit der Union eine Mehrheit im Bundestag und konnte eine neue Koalition bilden. Das ist heute eben anders. Zudem war der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht mehr unumstritten, auch in der eigenen Partei wegen des Nato-Doppelbeschlusses. Und schließlich war die Arbeitslosigkeit und der wirtschaftliche Druck höher als heute. Strukturell gibt es also einige Differenzen.

Aber inhaltlich sind die Unterschiede des aktuellen Papiers und des Lambsdorff-Konzepts gar nicht so groß. Auch 1982 hat die FDP zum Beispiel Kürzungen von Sozialleistungen und eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gefordert. Diese Parallelen sind auf jeden Fall interessant.

Die Union versucht den Streit um das Papier zu befeuern. Kann sie mit gezielten Spitzen den Keil noch tiefer in die Koalition treiben?

Jun: Vor einigen Wochen hat sich Bijan Djir-Sarai, der Generalsekretär der FDP, in einem Interview positiv über die Union geäußert in Bezug auf die Wirtschaftspolitik. Der CDU-Chef Friedrich Merz hat das damals zurückgewiesen, das war kein kluger Schachzug. Wenn die Union geschickt agieren will, müssten sie die FDP jetzt inhaltlich bestärken und deren Forderungen unterstützen. Damit würde sie einen Keil in die Ampel treiben und sich als potenzieller Koalitionspartner der FDP ins Spiel bringen.

sebs/
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