Wem gehört unser Leben? Ferdinand von Schirachs „Gott“ im Rosenheimer Kuko
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Wem gehört unser Leben? Ferdinand von Schirachs „Gott“ im Rosenheimer Kuko

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Jedes Mitglied des Ethikrates bringt seine Sichtweise zur Geltung und ist den Fragen der anderen Teilnehmer ausgesetzt. Vortrefflich gespielt!
Jedes Mitglied des Ethikrates bringt seine Sichtweise zur Geltung und ist den Fragen der anderen Teilnehmer ausgesetzt. Vortrefflich gespielt! © Susanne Grun

Die Diskussion um Sterbehilfe hat der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach in seinem Theaterstück „Gott“ aufgegriffen. Die Zuschauer erlebten eine tief bewegende Inszenierung.

Rosenheim – Die Debatte um Sterbehilfe wird politisch geführt, ethisch-moralisch diskutiert und religiös beantwortet. Ferdinand von Schirach hat sich in seinem zweiten Theater „Gott“ dieses so sperrigen Themas angenommen und es geschafft, auf eine menschliche Ebene herunterzubrechen, die keinen der Zuschauer kalt lässt.

Tanz mit dem Kleid der toten Frau

Die Aufführung im Kultur- und Kongress-Zentrum beginnt mit Richard Gärtner, hoch emotional gespielt von Ernst Wilhelm Lenik. Der 71-Jährige, selbst kerngesund, hat vor Kurzem seine geliebte Frau – und damit seinen Lebensmut – verloren. Er trägt eine Kiste, die Erinnerungen birgt, darunter auch ein leichtes Sommerkleid seiner Frau, mit dem er noch im Halbdunkel der Bühne gefühlvoll tanzt.

Gärtner möchte sterben und hat beim Bundesinstitut für Arzneimittel eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital beantragt, ein Mittel, das in anderen Ländern von Sterbehilfeorganisationen eingesetzt wird. Doch Gärtner ist weder unheilbar krank, noch leidet er an körperlichen Schmerzen. Das Bundesinstitut lehnt die Herausgabe des Medikaments ab. Daraufhin bittet Richard Gärtner seine Hausärztin um Beihilfe zum Suizid, was diese jedoch ablehnt.

Wie eine öffentliche Sitzung

Nun wird die Angelegenheit in einer öffentlichen Sitzung des Ethikrates verhandelt. Jeder der Ethikratsmitglieder plädiert für seine Sichtweise und so entwickelt sich eine wortgewaltige, ernste und mit großem Engagement geführte Diskussion. Christian Meyer als Gärtners Anwalt und alle anderen Darsteller glänzten mit Schauspielkunst auf höchstem Niveau, fühlte man sich doch den ganzen Abend nicht als Besucher eines Theaterstücks, sondern als Teilnehmer der öffentlichen Sitzung des Ethikrates.

Kein Szenenapplaus

Das Publikum verfolgte die Diskussion absolut still, es gab keinen Szenenapplaus. In der Pause war es dazu aufgerufen, selbst darüber abstimmen soll, ob Richard Gärtner die geforderte Hilfe durch die Verordnung des Medikaments erhalten soll. Und so war jeder der Zuschauer fast schon gezwungen, über die eigene Einstellung zu dieser Frage von Leben und Tod nachzudenken. Manche der Besucher diskutierten in der Pause oder im Anschluss an das Stück angeregt, manche aber auch verhalten über die Hilfe zum Suizid.

Ungewöhnlich faszinierend ist dieses Stück des Regisseurs Miraz Bezar. Bewegend ist auch, dass das Stück endet, wie es begann. Nämlich als Richard Gärtner die Kiste mit den Erinnerungen seines Lebens und seiner Frau in ein Regal mit anderen Kisten stellte. Sicher ist mit dem Fall des Vorhangs an diesem Abend im KuKo Rosenheim dieses wichtige und aktuelle Thema nicht so einfach aus den Köpfen der Zuschauer verschwunden. Tief bewegend erstklassig inszeniert. Chapeau! susanne grun

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