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Robin Gibb, der ewige Zweite der Bee Gees, ist tot

Robin Gibb Robin Gibb
Robin Gibb, der ewige Zweite der Bee Gees, ist tot
Quelle: DAPD
Sein Zwillingsbruder Maurice starb 2003. Jetzt hat Robin Gibb seinen Kampf gegen den Krebs verloren und ist im Alter von 62 Jahre gestorben. Zurück bleibt Barry, der Älteste und der Kopf der Band.

Man könnte das Leben von Robin Gibb als tragisches aufschreiben, als das eines Hochbegabten, dessen Talent überstrahlt wurde ausgerechnet von dem des eigenen Bruders. Die Familiengeschichte der Gibbs eignete sich vortrefflich für eine solche Erzählung, vier Brüder gab es einst, und nun ist nur noch einer übrig, Barry, der Älteste, der sie alle überragte, aus dessen Schatten sie scheinbar nicht treten konnten.

Andy nicht, der Jüngste und Einzige, der nie mit seinen Brüdern in deren Band sang und dennoch eine kurze, durchaus erfolgreiche Musikkarriere hatte, aber früh starb, 1988, mit gerade mal 30 Jahren. Maurice nicht, der Zweitjüngste, der wiewohl als zwischenzeitlicher "musikalischer Leiter" der Brüder-Band lediglich als die dritte Stimme galt, der Mann erst am Klavier, später am Bass, er starb im Jahr 2003. Und eben auch Robin nicht, der nur wenige Minuten älter war als sein Zwillingsbruder Maurice, er war der Mittlere der Bee Gees, derjenige, der sich künstlerisch am heftigsten dagegen wehrte, bloß der jüngere Bruder von Barry zu sein.

Wollte man Robin Gibbs Leben also tragisch erzählen, müsste man schreiben: Die Emanzipation ist ihm nie wirklich gelungen. Bis zum Schluss nicht, obwohl er da doch nach Höherem, Ewigerem zu greifen schien als nach Popmusik, er verfasste ein Orchesterwerk, ein Requiem auf die Toten der "Titanic". Als es uraufgeführt wurde am 10. April in London vom Royal Philharmonic Orchestra, anlässlich des da nahenden 100. Jahrestags des berühmtesten aller Schiffsuntergänge, konnte Robin Gibb schon nicht mehr dabei sein in der Westminster Central Hall. Das "Titanic Requiem" wurde so gleichsam zu einer Gedenkfeier auf einen Sterbenden, seinen Schöpfer, der sich irgendwie auch selbst zu betrauern schien in der Musik, die getragen war und groß, manchmal arg groß.

Am erfolgreichsten waren die Gibbs zusammen

"The Bee Gees Sing and Play 14 Barry Gibb Songs", so hieß das (nur in Australien erschienene) Debütalbum der Brüder im Jahr 1965. Der Titel schon klang nach familieninterner Hierarchie, man sang und spielte Barrys Lieder, so wie fünf Jahre später der Titel von Robins erstem Soloalbum wie eine trotzige Antwort darauf klang: "Robin’s Reign". Das Reich für die so apostrophierte Herrschaft Robins jedoch blieb klein im Vergleich zu dem der Bee Gees, daran änderten auch spätere Alleingänge Robins wenig. Das aber galt ebenso für Barrys. Am erfolgreichsten waren die Gibbs eben immer zusammen, auch am besten.

Das war bei den anderen, noch berühmteren Brüder-Bands, bei den Beach Boys und den Jackson Five, durchaus anders. Brian Wilson brauchte seine Brüder nicht, um gut zu sein, genial, Michael Jackson war ohne seine Brüder noch erfolgreicher als mit ihnen. In diesen Familien schienen die Talente deutlicher, offenkundig ungleicher verteilt: Brian Wilson und Michael Jackson überragten ihre Brüder viel mehr, als Barry Gibb das je tat, letztlich auch in ihrem tragischen Potenzial als Popstars. Wilson wie Jackson sind, jeder auf seine Weise, am Ruhm zerbrochen, am Leben gescheitert.

Vergleichbar Monströses scheint keinem der Gibb-Brüder widerfahren zu sein, obwohl ihr Ruhm begleitet war vom Hohn derjenigen, die sich lustig machten über die Bee Gees, über Barrys Falsett vor allem, und ihr Werk geringschätzten, vor allem den zweiten Abschnitt der Band-Karriere seit dem Soundtrack zum Film "Saturday Night Fever" aus dem Punk-Jahr 1977: Disco-Lala, Hausfrauenpop.

Robin Gibbs stand 1958 erstmals auf der Bühne

Unfassbare 24 Wochen lang stand dieses Album allein in den USA auf Platz eins, von Januar bis Juli 1978, während "Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols" es zur gleichen Zeit bloß bis auf Platz 106 der Billboard-Charts brachte. Wer Punk als ungleich bedeutendere und langfristig einflussreichere Subkultur betrachtet als Disco, der verkennt, dass "Saturday Night Fever" als Platte musikalisch weniger von Disco handelte, als dass sich die Bee Gees darauf als weiße Soulband endgültig neuerfanden. Das blieb ihr Vermächtnis.

Warum Robin Gibbs Lebensgeschichte also nicht viel eher als glückliche erzählen? Im Jahr 1949 geboren auf der britischen Isle of Man, 1958 schon steht er das erste Mal mit Barry und Maurice auf einer Bühne und singt, im gleichen Jahr emigriert die Familie nach Australien, kehrt jedoch 1966 nach England zurück, wohl vor allem, weil der erste internationale Hit da ist, "Spicks and Specks", geschrieben noch allein von Barry.

Er und Robin teilen sich in den ersten Jahren die Lead Vocals zumeist getrennt, sie streiten vielmehr darum, wer nun der wahre erste Sänger der Brüder ist, die Hits gehen trotzdem oder gerade deswegen weiter, "Massachusetts", "Words", "How Can You Mend a Broken Heart". Die Bee Gees sind Teil der britischen Pop-Explosion der späten sechziger Jahre, doch im neuen Jahrzehnt droht ihre Karriere zu verläppern, zu abenteuerunlustig, zu unskandalös, zu uninspiriert ist ihre Musik, letztlich zu brav.

Nie der Erste unter den Gibbs-Brüdern

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Welcher der Drei dann den Entschluss fällt, zusammen nach Amerika zu gehen, nach Florida, und dort noch mal neu anzufangen, mit neuer Musik, Disco, ist nicht klar. Mit "Jive Talkin’" aber gelingt 1975 dann tatsächlich die Neudefinition der Bee Gees: als weiße Band, die schwarze Musik adaptiert, als früher Dance-Act, stimmlich angeführt von Barrys Falsett. Während zumindest nominell die weiteren Hits allesamt von den Dreien gemeinsam geschrieben und co-produziert werden, "Night Fever", "Stayin’ Alive", "How Deep Is Your Love", treten Robins und Maurices Stimmen in den Hintergrund. Es wirkt wie ein Deal unter Brüdern: Man teilt die Songcredits und überlässt Barry die Bühnenmitte.

Und während Robin immerhin in Deutschland dann 1983 auch endlich die Solo-Nummer-Eins schafft mit dem etwas sirenenhaften Popliedchen "Juliet", ist er auch an Barrys Nebentätigkeiten abseits der Bee Gees nicht unbeteiligt, die beiden schreiben im Jahr 1980 zusammen für Barbra Streisand den Großteil ihres Comeback-Albums "Guilty", beim Titelstück ist auch Maurice mit dabei.

Spätestens in den Achtzigerjahren, so scheint es, hat Robin Gibb seinen Frieden gemacht mit seiner Rolle als ewiger Zweiter der Bee Gees, auch wenn ihn geschmerzt haben mag, dass seine schließlich sechs Soloplatten nie den ganz großen internationalen Erfolg hatten. Barry war dann auch als Produzent für Diana Ross, Dionne Warwick, Kenny Rogers und eben Streisand erfolgreicher als Robin als Einzelsänger. Erfolglos aber war Robin nie, er wurde bloß nie: Erster unter den Brüdern Gibb.

Nun ist Robin gestorben, im Alter von 62 Jahren, und Barry, der immer der Erste unter den Brüdern war, ist nun auch der Letzte.

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