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Szenarien zum Wagenknecht-Streit: Was der Linken jetzt droht - ZDFheute
Szenarien zum Wagenknecht-Streit: Was der Linken jetzt droht
Szenarien zum Wagenknecht-Streit:Was der Linken jetzt droht
von Andrea Maurer
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Parteispitze gegen Wagenknecht. Das ist wie beim Duell: wer verliert zuerst die Nerven? Es geht um nicht weniger als die Spaltung der Partei - und die Frage, wer sie vollzieht.
Sahra Wagenknecht will bis Ende des Jahres entscheiden, ob sie eine neue Partei gründet. Die Linken-Spitze ist empört. Spitzt sich der Streit zu?19.03.2023 | 3:57 min
Seitdem Sahra Wagenknecht in einem Interview mit ZDFheute auf die Frage nach ihren Parteigründungsplänen eine Entscheidung "innerhalb des nächsten Dreivierteljahres" angekündigt hat, erlebt die Linke eine Art Erosion.
Die Parteispitze hat es nun schwarz auf weiß: Wagenknecht denkt offen über eine konkurrierende Partei nach und hat einen konkreten Zeitplan. Der Parteivorsitzende Martin Schirdewan tritt am Montag vor die Presse, und sagt: "Ich bin wirklich stinksauer."
Sahra Wagenknecht denkt offen darüber nach, eine neue Partei zu gründen. Was hält sie eigentlich davon ab?
Interview
Die Scheidungspapiere sind geschrieben
"Parteischädigend" nennt Schirdewan Wagenknechts Pläne. "Parteischädigend" - das ist ein Signalwort für Parteiausschluss. Parteiausschlussverfahren aber sind zäh und schwierig - siehe Hans-Georg Maaßen, Gerhard Schröder oder Boris Palmer.
Und so versucht die linke Parteispitze nun, Wagenknecht öffentlich unter Druck zu setzen: "Sie muss sich jetzt eindeutig von ihrer Idee der Gründung einer Konkurrenzpartei distanzieren - sonst muss sie die entsprechenden Konsequenzen ziehen", sagt Schirdewan.
„Sahra Wagenknecht ist Mitglied unserer Partei […] und bleibt Mitglied der Partei“, so Tobias Bank (Die Linke), Bundesgeschäftsführer, und sieht seine Aufgabe darin, die Partei zusammenzuhalten.07.03.2023 | 7:55 min
Klar ist: Handeln soll Wagenknecht. Denn es geht um nicht weniger als die Existenz von Fraktion und Partei. Und um die Verantwortung, den letzten Schritt zur Spaltung gegangen zu sein.
Politikwissenschaftler Hendrik Träger sagt zu ZDFheute:
Man traue sich aber noch nicht, sich das Papier gegenseitig zuzuschicken, ergänzt Träger. Partei und Wagenknecht würden sich nun in einem Zustand des gegenseitigen Belauerns befinden: Wer handelt als nächstes, und wie?
Nur: wenn Wagenknecht sich nicht treiben lässt, was dann?
Kipping kritisiert Sahra Wagenknecht bei "Lanz" und spricht von einer "besorgniserregenden Entwicklung". Journalist Robin Alexander sagt: "Frau Wagenknecht erpresst die Linke."02.03.2023 | 1:54 min
Das sind die möglichen Szenarien
Option 1: Der Parteivorstand könnte Wagenknecht direkt auffordern, ihr Bundestagsmandat niederzulegen. Sollte sie das nicht tun, könnte ein Fraktionsausschlussverfahren folgen. In der nichtöffentlichen Geschäftsordnung steht dazu: "Der Ausschluss bedarf der Mehrheit der Stimmen von zwei Drittel der Mitglieder der Fraktion. Der Antrag kann vom Fraktionsvorstand oder einem Drittel der Mitglieder gestellt werden."
Ein Drittel für einen solchen Antrag dürften sich inzwischen vielleicht finden, aber dass die beiden Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali ihn unterstützen - bislang kaum vorstellbar.
Träger zu ZDFheute: "Weder die Parteiführung noch die Fraktionsführung weiß, was dann für eine Lawine ins Rollen kommt. Wenn Frau Wagenknecht aus der Fraktion ausgeschlossen werden sollte, könnte es sein, dass sie noch weitere Personen mitnimmt - und dass dann relativ schnell die Grenze erreicht wird, wo die Linke im Bundestag keinen Fraktionsstatus mehr hat."
Gegor Gysi ist ein Urgestein der Linken. Warum er nicht an den Erfolg einer Wagenknecht-Partei glaubt - und will, dass Wagenknecht schnell eine Entscheidung trifft.
Interview
Option 2: Wagenknecht gründet ihre eigene Partei und schafft damit Fakten: Als Mitglied einer anderen Partei kann sie auch nicht mehr Mitglied der Fraktion sein. Das gilt genauso für alle anderen linken Fraktionsmitglieder, die in ihre Partei eintreten würden. Geschätzt sind es etwa vier - die Fraktion könnte also auch bei dieser Option ihren Fraktionsstatus verlieren.
Option 3: Wagenknecht gründet keine neue Partei, verlässt aber freiwillig die Fraktion und bleibt als fraktionslose Abgeordnete im Parlament. Auch hier gilt: gingen mehr als drei weitere Abgeordnete mit, würde die Linksfraktion ihren Status verlieren und wäre nur noch Gruppe.
Option 4: Die Fraktion findet einen Weg, das zu tun, was Bartsch möchte: Wagenknecht wieder mehr einbinden. Und sie lässt sich darauf ein. Das würde wahrscheinlich bedeuten, dass sie nochmal Redezeit im Parlament kriegt. Bislang verhindert das ein Fraktionsbeschluss von September 2022: demnach darf nur noch reden, wer die Mehrheitsmeinung der Fraktion vertritt - die Fraktionsversammlung entscheidet. Für diese Option ist aber wohl schon zu viel Porzellan zerschlagen.
"Das gab es so noch in keiner anderen Partei"
Die Lage, in die Wagenknecht die Linke gebracht hat, nennt Politikwissenschaftler Träger historisch:
Was als nächstes passiert, ist unklar. Klar ist: Der Zeitplan, den Wagenknecht genannt hat, deutet darauf hin, dass sie die Europawahl im Frühjahr 2024 im Blick hat. Die Wahl hat keine Fünf-Prozent-Hürde - und könnte ein erster Testlauf sein für ihre neue Partei.
Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.