Gerhard Schröder ist mir egal – aber ich liebe seine Gattin Soyeon!

Stilkritik: Gerhard Schröder ist mir egal – aber ich liebe seine Gattin Soyeon!

Szenen einer Ehe, herrlich aus der Zeit gefallen: Soyeon Schröder-Kims Instagram-Account ist zum Kult geworden. Unser Autor würdigt ihn mit einer Stilkritik.

Lächeln, was das Zeug hält: Soyeon Schröder-Kim und Gerhard Schröder im Glück.
Lächeln, was das Zeug hält: Soyeon Schröder-Kim und Gerhard Schröder im Glück.Michael Kappeler/dpa

Für mich fing alles mit einem Sträußchen Hagebutten an. Beziehungsweise: mit einem Video von selbigem Gewächs. Im Clip präsentiert Gerhard Schröder seiner Ehefrau eine Vase voll davon. „Oh, Gerhard, was ist denn das?“, will diese wissen. „Das sind Hagebutten“, erklärt der ehemalige Bundeskanzler im gutmütigen Mansplaining-Ton.

Aus den roten Früchten könne man Tee machen, so Schröder weiter, „aber wir Jungs, als wir noch ganz klein waren, haben was anderes daraus gemacht“. Juckpulver nämlich, das die Bengel den Mädchen „immer in den Nacken gestreut haben“, um sie zu ärgern – und die Gattin stößt ein glockenhelles Lachen aus.

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Im Oktober 2020 veröffentlichte Soyeon Schröder-Kim das drollige Heimvideo auf Instagram – seitdem ist es um mich geschehen: Immer wieder kehre ich auf ihren Account zurück, sehe mir Fotos und Videos an, lese Begleittexte und Kommentare. Allein bin ich mit dieser seltsamen Faszination für eine mir völlig fremde Lebensart bei weitem nicht: Rund 48.000 Menschen folgen Schröder-Kim auf dem sozialen Medium, längst ist ihr Account zum Kult geworden.

Gerhard und Soyeon beim romantischen Frühstück auf dem heimischen Balkon; Gerhard und Soyeon beim Christbaumschmücken mit klassisch roten Kugeln; Gerhard und Soyeon bei trauten Spaziergängen durch Hongkong oder Zürich. Sie schneidet ihm während der Corona-Pandemie selbst die Haare, er verzieht lustig das Gesicht; Gerhard hält am Kopfende einer langen Silvestertafel staatstragende Reden, Soyeon hängt ihm selig lächelnd an den Lippen.

Im Mai 2018 haben der Bundeskanzler a.D., der am Sonntag 80 Jahre alt wird, und die 1968 im südkoreanischen Seoul geborene Unternehmerin geheiratet. Auch davon gibt es Fotos, natürlich, bei Schröder-Kim auf Instagram: Die Braut trägt ein hübsches cremeweißes Kleid mit Spitzendetails und U-Boot-Ausschnitt, der Bräutigam einen schneidigen Anzug, dazu ein kleines Orchideen-Bouquet am steigenden Revers. Für sie ist es die zweite – für ihn bekanntlich die fünfte Ehe. Gut möglich aber, dass es für beide die letzte, die einzig wahre Liebe ist.

Gerhard Schröder und Soyeon Schröder-Kim sind glücklich zusammen. Das kann man sehen und sich (je nach persönlichem Temperament und Neidempfinden) mit ihnen darüber freuen – selbst wenn man für den Politiker Gerhard Schröder nie viel übrig hatte. Gut gelaunten Leuten beim Gute-Laune-haben zuzuschauen, so könnte man es ausdrücken, macht richtig gute Laune. Vielleicht ist das ein Geheimnis des Instagram-Erfolgs der Südkoreanerin, der nur wenige Niederlagen kennt.

Sich so glamourös zu präsentieren, ist herrlich undeutsch

Im März 2022 etwa veröffentlichte Schröder-Kim ein Foto von sich, das für Unmut sorgte. Im Hintergrund ist die Basilius-Kathedrale Moskaus zu sehen; das Paar war zusammen in die russische Hauptstadt gereist, womöglich für eines der umstrittenen Treffen Gerhard Schröders mit Wladimir Putin, so ganz genau weiß man das bis heute nicht. Soyeon Schröder-Kim jedenfalls faltet auf dem Moskau-Foto ihre zarten Hände zum Gebet – eine Friedensgeste, die zumindest mal ein bisschen albern wirkt.

Ansonsten aber: eitel Sonnenschein, kitschige Liebesschwüre und angeklebtes Lächeln, üppig gedeckte Dinnertische und leuchtende Adventskränze; völlig irrelevante Informationen über die strenge Diät, auf die Soyeon Schröder-Kim ihren Gatten gesetzt hat. Szenen einer Ehe, herrlich aus der Zeit gefallen. Und: Wie einer anderen Welt, zumindest einem anderen Land entnommen.

Sich so privat, noch dazu so glamourös zu präsentieren, in noblen Restaurants und auf teuren Fernreisen, ist wunderbar undeutsch, gerade für (ehemalige) Politiker und ihre Partnerinnen. In den USA wird regelmäßig die amtierende First Lady, zuletzt auch die Vize-Präsidentin Kamala Harris auf dem Cover des Modemagazins Vogue präsentiert – in Deutschland gleicht wenigstens der Instagram-Account von Soyeon Schröder-Kim einer einzigen, endgültigen Hochglanz-Homestory.

Aber Moment mal – Hochglanz und Homestory, da war doch was: Schon im März 1999 hatte Gerhard Schröder tatsächlich dem Magazin Life & Style ein Interview gegeben, lange bevor er seine jetzige Frau kennengelernt hat, Modefotos inklusive. Zugleich wurde damals Schröders Vorliebe für kostspielige Anzüge, am liebsten der italienischen Marke Brioni, von Medien mit dem putzigen Beinamen „Kaschmir-Kanzler“ quittiert. Politiker, die dank üppiger Gehälter ihr Leben genießen – so etwas schätzt der spießige, neidgeplagte Deutsche nicht.

Gerhard Schröder macht’s trotzdem, gerade jetzt, gerade mit der neuen Frau an seiner von italienischen Wollstoffen verhüllten Seite. Zuletzt hatte Soyeon Schröder-Kim am Sonntag ein Foto veröffentlicht: Darauf ist das Paar im Partnerlook zu sehen, der ehemalige Bundeskanzler milde lächelnd, seine Ehefrau sanft eingehakt.

Beide tragen blaue Jacketts und ihre Eheringe sicher nicht zufällig formschön ins Bild geschoben. „Frohe Ostern“, ist in gelben Lettern über das Bild geschrieben, dazu das Emoji eines schlüpfenden Kükens. Knapp 2200 Userinnen und Usern gefällt das. Und mir gefällt es auch.