Fury - Herz aus Stahl | Kritik | Film | critic.de

Fury - Herz aus Stahl – Kritik

Matsch und Tränen auf deutschen Feldwegen: David Ayer findet leider zunehmend das richtige Timing.

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„I started this war killing Germans in Africa, now I’m killing Germans in Germany.“ Diese Äußerung Don „Wardaddy“ Colliers (Brad Pitt) erinnert nicht nur stark an die lebensfüllende Berufung Lt. Aldo Raines (ebenfalls Brad Pitt) als Nazimetzger in Quentin Tarantinos Inglourious Basterds (2009), sie legt auch offen, wie David Ayer die letzten, für das Hitler-Deutschland schon verlorenen Kriegstage perspektiviert: kein sicheres Terrain, kein Aufbruch, keine Landung; man ist bereits mittendrin. In den Gesichtern lassen sich die Spuren erkennen: Afrika, die Normandie, jahrelange Kriegspraxis. Aber es sind eben Spuren, in denen die Geschichte nur noch diffus erhalten ist, die ebenso viel verbergen wie sie verraten und die sich zuweilen – etwa wenn sich Wardaddy zur Körperpflege auszieht, um uns mit seinem brandvernarbten Rücken zu konfrontieren, wir uns dabei in den fassungslosen Blicken zweier Jugendlicher in Großaufnahme wiederfinden sollen – unangenehm aufdringlich als solche gebärden. In der ersten Einstellung sehen wir einen Reiter langsam aus der Tiefe des Bildes auf uns zu kommen, die Kamera gibt ihm die Richtung vor, sie fährt allmählich nach links, nimmt einen verlassenen Panzer ins Bild. Der Reiter zieht an ihm vorbei und wird schlagartig angesprungen. Ein Messer sticht ihm direkt ins Auge. Die physische Brutalität – eine, die sofort ins Auge geht und auf die Ayer den Film hindurch viel Wert legt – ist bereits Gegenstand des ersten Bildes: Man ist schon mittendrin, die Formen des Krieges haben bereits Gestalt angenommen, sind bereits zur äußersten Gewaltsamkeit geronnen, noch bevor Herz aus Stahl damit beginnt, sie sichtbar zu machen. Nicht umsonst geschieht diese Sichtbarmachung durch die Augen eines jugendlichen Anfängers (Logan Lerman), der noch nie das Innere eines Panzers gesehen hatte, als er dazu verpflichtet wird, in einem solchen an die Front zu rollen. Aus seiner Perspektive erzählt der Film.

Krieg und Erfahrung

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Wenn das Kino den Krieg als eine spezifische Erfahrung präpariert – man denke an Apocalypse Now (1979), die zunehmend gestörte Sicht, das Blind-Werden, die Nebelschwaden, die das Bild verhüllen, die Dunkelheit, die den Raum verfließen lässt – dann formt Herz aus Stahl diese Erfahrung als eine des Unerfahren-Seins aus. Der zögernde Finger am Abzug, das Erbrechen über Leichenteilen, die Überforderung mit der Technik: Geworfensein in eine Welt, deren Gesetze man nicht kennt; außer vielleicht jenes, dass die Unkenntnis über die Gesetze sehr schnell zum Tod führen kann. Im Mittelpunkt steht die Erfahrung, dass die Welt tiefere Schichten offenlegt, als es der Verstand erlaubt. Herz aus Stahl ist solange interessant, wie er diese Diskrepanz aufrechterhält, zwischen dem Krieg als einer bereits absolvierten Welt (wie auch das Leben seiner Akteure immer schon absolviert ist, wenn sie in ihn eingehen) und einer ständig verspäteten Bewusstwerdung über sie; solange also, bis er schließlich doch die Rückkehr zum Bewusstsein feiert, jene Rückkehr, die im US-amerikanischen (Kriegs-)Film schnell Gestalt annehmen kann: in der klassischen Formel vom Heldentum, die kein Zu-Spät mehr kennt, sondern nur noch richtiges Timing, in dem selbst das Sterben noch richtig getimt ist.

Die Kriegshandlung als technischer Vollzug

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Der Blick, der uns diese Welt erschließen lässt, der Blick eines Kriegsnovizen, wird zunehmend klarer, zunehmend erfasst er die Dinge, bevor sie geschehen, hängt ihnen nicht mehr nach, wie noch am Anfang. Eine Perspektive, die immer selbstbewusster wird, im wahrsten Sinne: eine, die sich selbst bewusst wird als ein Teil im Kampfbetrieb, im arbeitsteiligen Räderwerk einer Panzercrew. In dem Maße, in dem Herz aus Stahl diese Wendung vornimmt, erlahmt der Film, fällt er zurück auf eine bloße Materialschau des Krieges: Waffen und Panzer, Schlamm und Nebel, Blut, Tränen und Kotze. Eine einleitende Zeile zu Beginn des Films informiert uns über die technische Überlegenheit deutscher Panzer gegenüber den amerikanischen (eine etwas makaber zugespitzte Einführung in die historische Epoche des Films). Das macht schon deutlich, worum es Ayer eigentlich geht, nämlich um die Kriegshandlung als technischen Vollzug. Über weite und bessere Strecken interessiert ihn das mehr als der psychologische Trauma-Schematismus, in die er seine Charaktere presst. Wie es im Inneren eines Panzers tatsächlich aussieht, lässt sich auch nach dem Film eigentlich immer noch nicht sagen: Zuallererst beschreibt Herz aus Stahl einen Raum, der sich mehr über die Handgriffe, die darin ausgeführt werden, organisiert als über das Verhältnis des Ausschnitts zum Ganzen. Der Panzer ist kein Raum von Größe und Anordnung, er ist ein Raum des Greifens, Ziehens, Drückens und Schraubens.

Lanzenkampf der Panzerwagen

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In der womöglich eindrucksvollsten Szene kommen für einen Moment all diese Prinzipien zusammen: Drei amerikanische Panzer begegnen einem weitaus robusteren deutschen „Tiger 131“. Nach kurzer Zeit schon ist es ein one against one. Innen wird gezogen, nachgeladen, gelenkt, es werden Anweisungen gebrüllt und geflucht; außen umkreisen sich behäbig die Kriegsmaschinen, schlagen Haken, zielen, schießen und verfehlen sich. Das Innen organisiert das Außen und ist ihm dennoch völlig entfremdet, das Außen entscheidet über das Innen und ist letztlich nur dessen vermittelte Abstraktion. In dieser Montage gelingt es Ayer für einen Moment, das technische Ausagieren – das im wahrsten Sinne In-der-Technik-Sitzen, als eine Serie von Handgriffen und Betätigungen, die nur in Summe funktionieren – mit dem Prinzip des ständigen Zu-spät zu verschalten: der Kriegsakt als asynchrone Handhabung der Maschine. Natürlich schaffen es die fünf Soldaten, ihre Handgriffe zu synchronisieren, alles klappt im richtigen Moment, ebenso wie Herz aus Stahl – bedauerlicherweise – sukzessive ins richtige Timing kippt.

Trailer zu „Fury - Herz aus Stahl“


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