CDU-Chef Friedrich Merz versteht es, sich ins Gespräch zu bringen. Er prognostiziert den Bruch der Ampel-Koalition, bringt Neuwahlen ins Spiel und hat dafür auch gleich einen Termin parat: den 22. September dieses Jahres, am selben Sonntag also, an dem auch die Landtagswahl in Brandenburg stattfindet. Bei aller berechtigten Kritik an den fortwährenden Querelen der Ampel, dem offenen Dissens in beinahe jeder grundlegenden Frage und vor allem ihrer kommunikativen wie politischen Unfähigkeit, einmal getroffene Beschlüsse selbstbewusst und geschlossen zu verteidigen: Der Ruf nach Neuwahlen ist verantwortungslos.
Es ist eine Zeit schwerster Krisen, die fern von parteitaktischen Erwägungen zu bewältigen sind. Das gilt in Deutschland besonders für dieses Jahr, in dem neben der Europawahl drei Landtagswahlen unter prekären Vorzeichen anstehen. Die zu erwartende Stärke der AfD stellt eine ernste politische Gefahr für dieses Land dar.
Merz macht aus seiner strikten Ablehnung dieser in Teilen rechtsextremen Partei eigentlich kein Hehl. Sein Gerede von etwaigen Neuwahlen aber bewirkt genau das Gegenteil: Es stärkt die AfD, die das bereits seit Langem fordert – und mutmaßlich auch am meisten davon profitieren würde. Denn dann könnten sich die Umfragen bewahrheiten, wonach die AfD bundesweit zweitstärkste Kraft würde, vor allen Ampel-Parteien.
Es ist nicht zu erkennen, wie die Union in ihrer kategorischen Abgrenzung zur AfD glaubwürdig bleiben will, wenn sie gleichzeitig den gewaltigen Schaden in Kauf nimmt, den ein Scheitern der Regierung in dieser Krisenzeit hätte.
FDP wenig hilfreich
Wenig hilfreich ist dabei allerdings auch die FDP. Wenn ihr Vizechef Wolfgang Kubicki Merz nun „Größenwahn“ attestiert, steckt dahinter wohl eher eine Projektion als glaubwürdige Kritik an der damit entfachten Debatte. Denn es sind weder die Sozialdemokraten noch die Grünen, die es an dieser Frage an Eindeutigkeit fehlen lassen. Sie lehnen Neuwahlen ab und finden die Diskussion darüber nicht ohne Grund fahrlässig. Die FDP dagegen verhält sich bei diesem Thema ambivalent und lässt dadurch Raum für Spekulationen. Der Haushaltsstreit könnte damit einmal mehr zur Überlebensfrage der Koalition werden.
In dieser angespannten Lage aber gilt erst recht: Wer die Demokratie schützen und vor weiteren politischen Krisen bewahren will, kann kein Interesse an Neuwahlen haben, sondern tut alles dafür, die demokratischen Kräfte in diesem Land zu stabilisieren. Das kann und muss auch seitens einer kraftvollen Opposition im bürgerlichen Lager geschehen – aber innerhalb der regulären Legislatur.