Friedrich Engels: Mentor der europäischen Arbeiterbewegung | Vorwärts
Geschichte

Friedrich Engels: Mentor der europäischen Arbeiterbewegung

Friedrich Engels war Wissenschaftler, obwohl er nie studiert hatte. Zugleich war er erfolgreicher Akteur an der Börse und Unternehmer. Seine Fähigkeiten setzte er ein, um die Lebensverhältnisse der Arbeiter*innen zu erforschen – und zu verbessern.
von Beenhard Oldigs · 28. November 2020
Mehr als nur Marx zweite Violine: Zum 150. Geburtstag von Friedrich Engels 1970 gab die Deutsche Post diese Briefmarke heraus.
Mehr als nur Marx zweite Violine: Zum 150. Geburtstag von Friedrich Engels 1970 gab die Deutsche Post diese Briefmarke heraus.

Friedrich Engels – ein Sohn der Stadt Bremen? Übertrieben? Ja, zumal er schrieb, „dass man in dieser Stadt nichts anderes tun kann als fechten, essen, trinken, schlafen und ochsen. Ich danke Gott, dass ich nun auch dieses langweilige Nest verlasse,“ so Friedrich Engels im März des Jahres 1841. Aber diese kurze Zusammenfassung von Engels über Bremen gibt bei weitem nicht das wieder, was er an positiven Erfahrungen in der Hansestadt gemacht hat. Davon zeugen zahlreiche Briefe an seine Schwester Marie. Immerhin lebte Friedrich Engels fast drei Jahre in Bremen.

Börne, Freiligrath und Heine waren Engels' Favoriten

Am 28. November 1820 wurde Friedrich Engels in Wuppertal-Barmen geboren. Er wuchs in einer religiös pietistischen Familie auf. Sein Vater war Besitzer eines der größten Textilunternehmens in der Umgebung. Als ältester Sohn sollte Friedrich Junior die Fabrik später übernehmen. Doch dieser interessierte sich als sprachbegabter Schüler mehr für die Literatur des Vormärz. Börne, Freiligrath und Heine waren seine Favoriten. Dies ging dem Vater zu weit und er nahm seinen Sohn von der Schule, damit er eine Kaufmannslehre im elterlichen Betrieb aufnahm.

Es funktionierte nicht so recht zwischen Vater und Sohn und so kam es, dass der junge Friedrich im August 1838 – drei Monate vor seinem 18. Geburtstag – in die Lehre nach Bremen zum Exportkaufmann Heinrich Leupold geschickt wurde. Untergebracht war er bei der Pastorenfamilie Treviranus direkt gegenüber in der Martinistraße. Engels hat sich meistens positiv über seine „Aufsichtsfamilien“ geäußert. Allerdings füllte ihn die Kaufmannslehre kaum aus.  So konnte er seinen anderen Begabungen nachgehen. In seiner Bremer Zeit verfasste er unter dem Pseudonym Friedrich Oswald zahlreiche Essays, Gedichte und Buchbesprechungen. Zeichnungen und Karikaturen sind auch darunter. Zeit für den einen oder anderen Becher Wein im Ratskeller blieb dennoch.

Engels, ein Pionier der empirischen Sozialforschung

Vier Jahre nachdem er Bremen verlassen hatte, erschien 1845 eines der bedeutendsten Werke von Engels: „Die Lage der arbeitenden Klasse in England.“ Er wusste, wovon er sprach. In Manchester hatte er die Methoden der frühkapitalistischen Produktionsweise kennengelernt. Engels kann als Pionier der empirischen Sozialforschung angesehen werden. Er durchleuchtete das moderne Fabriksystem in dem Kinderarbeit weit verbreitet war und Berufskrankheiten und Sterblichkeitsraten in enger Verbindung standen. Über die elenden Wohnverhältnisse der arbeitenden Menschen (Die Wohnungsfrage) schrieb und sprach Engels ebenfalls. Viele seiner Kenntnisse gingen auch auf seine Lebensgefährtin Mary Burns zurück, eine irische Arbeiterin, die er später heiratete. Wenn heute über das Thema Armut und Reichtum diskutiert wird sind die Ausarbeitungen von Engels von grundlegender Aktualität.

Schon sehr früh und noch vor Marx, der sich in dieser Zeit vor allem mit philosophischen Fragen befasste, beschäftigte sich Engels mit Problemen der politischen Ökonomie. Gleichzeitig kritisierte er schon damals eine Produktionsweise, die den Raubbau an der Natur dauerhaft zerstört. Ebenfalls hochaktuell. Ihn allerdings zum Urheber und weitsichtigen Kenner der ökologischen Frage zu erheben, scheint etwas übertrieben. Genauso übertrieben, nein falsch war es, die Freunde Marx und Engels im Namen des Marxismus-Leninismus zu einer Art heiligen Zweifaltigkeit zu machen. Es wäre besser gewesen und wissenschaftlich redlicher, auf diese Heiligenlegenden zu verzichten.

Mehr als nur Marx' zweite Violine

Engels selbst bezeichnete sich gegenüber Marx als zweite Violine. Zu Unrecht und zu viel Bescheidenheit. Neuere Forschungen zeigen: Da begegnen sich zwei außergewöhnliche Wissenschaftler, Journalisten und politische Akteure auf Augenhöhe. Hinzu kommt etwas anderes: Ohne Engels wären die drei Bände des Kapitals nie fertig geworden. Er hatte erkannt, welch bahnbrechende Wissenschaft in dem Buch verborgen lag. Engels hat neun lange Jahre darauf verwandt den zweiten und dritten Band nicht nur fertig zu stellen, sondern auch etwas lesbarer zu machen. Er konnte dies tun, weil er in seinen späten Jahren für sich und für viele andere die ihm nahestanden, vorgesorgt hatte.

Er konnte von seinem Wohlstand abgeben. Davon hat nicht nur die Familie Marx profitiert, die zeitweilig in Armut überleben musste. Engels war Wissenschaftler, obwohl er nie studiert hatte, er war zugleich erfolgreicher Akteur an der Börse und Unternehmer. So konnte er als Manager nicht nur auf Englisch und Französisch korrespondieren, sondern biografische Forschungen berichten, dass er sich in zwölf Sprachen verständigen konnte.

Nach dem Tod von Marx im Jahr 1883 wurde Engels zum Mentor der europäischen Arbeiterbewegung. Er pflegte in seinen letzten Jahren einen intensiven persönlichen und politischen Austausch mit dem SPD - Vorsitzenden August Bebel.

Autor*in
Beenhard Oldigs

ist Vorsitzender der Historischen Kommission beim Landesverband der SPD Bremen und ehemaliger Leiter des Europahauses Aurich.

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