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Meinung Friede Springer zum 80.

Vertrauen können nur die wirklich Souveränen

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Um gerade zu sitzen, braucht es Rückgrat: Friede Springer Um gerade zu sitzen, braucht es Rückgrat: Friede Springer
Um gerade zu sitzen, braucht es Rückgrat: Friede Springer
Quelle: Reto Klar
Friede Springer feiert an diesem Montag ihren 80. Geburtstag. Was macht die Stärke der Frau des verstorbenen Verlagsgründers Axel Springer aus, die als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Axel Springer SE die Geschicke des Verlags mitbestimmt?

Friede Springer sitzt kerzengerade vor einem kleinen Kasten. Es ist das Modell der Bühne, auf der das Leben von Axel Springer aufgeführt werden muss. Hinter ihr stehen, den Atem bange anhaltend: der Regisseur, der Ausstatter und die Autoren des Stücks. Wir erklären, was wir vorhaben. Friede Springer hört aufmerksam zu. Es geht auch um die früheren Ehefrauen in seinem Leben, es geht auch um Axel Springers Religiosität, es geht auch um seine Zweifel und um seinen Tod. Es geht also: ans Eingemachte.

Unser Projekt ist, in einer revueartigen Inszenierung die vielen Facetten des Verlagsgründers darzustellen. Aber für Friede Springer ist er eben nicht nur das, sondern auch der Ehemann. Der Lebensmensch. Was wir zeigen und wie wir etwas zeigen, kommentiert Friede Springers Leben. Eine Anmaßung. Wie wird sie damit umgehen?

Ich erzähle diese Episode, weil ich in der Arbeit an „100 Jahre in 100 Minuten“ eine Eigenschaft kennengelernt habe, die ich nie so ausgeprägt bei einer Person erlebt habe wie bei Friede Springer. Es ist ihre Souveränität. Auch wenn sie mit Szenen fremdelte, stellte sie unser Anliegen, Axel Springer vom Sockel des Denkmals sanft zurück ins Menschliche zu geleiten, über Persönliches. Auch wenn es manchmal sicherlich nicht leicht war. Alle ihre Bemerkungen waren präzise und immer zielführend.

Szene aus dem Musical „100 Jahre in 100 Minuten“
Szene aus dem Musical „100 Jahre in 100 Minuten“
Quelle: picture alliance/dpa/pool/John Macdougall

In der Generalprobe gab es einen Fauxpas. Den Liebesschwur zwischen Friede Springer und Axel Springer erdachten wir uns als Vortrag von Max Raabe vor dem auf einer Bank sitzenden Paar. Das Lied: „Du bist nicht die Erste“. Der Text der Comedian Harmonists war wie für diesen Anlass geschrieben, aber nicht ohne: „Du bist nicht die Erste/Du musst schon verzeihn/Aber meine Letzte könntest du sein.“

Auf der Probe wurde Max Raabe von einem anderen Sänger vertreten, der das Stück zu einer Clownerie machte. Friede Springer saß keine zwei Meter von ihm entfernt. Wieder stockte uns der Atem. Hätte sie gesagt: „Das geht mir zu weit, die Nummer muss raus“ – ich hätte sie so sehr verstanden. Aber sie sagte nichts, weil sie uns vertraute. Vertrauen können nur die wirklich Souveränen.

Später im Stück tanzt Friede Springer zu „It’s A Man’s World“ um eine Schar zu ihrer Beratung (weil sie ihr nichts zutrauten) angetretener Männer. Doch schnell übernimmt sie das Kommando. Freundlich, bestimmt, perfekt gekleidet. Uli Waller, der Regisseur, inszeniert hier das Leben der Unternehmertochter Friede Springer in a nutshell.

Als der Vorhang fiel, war es einen Moment ganz still. Dann setzte der Applaus ein. Friede Springer in der ersten Reihe lächelte. Die zwei Stunden vorher hatte sie sich kaum gerührt. Um gerade zu sitzen, braucht es Rückgrat. Friede Springer sitzt immer kerzengerade.

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