Franz Josef Strauß am Tegernsee: Letzter Besuch vor Tod
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Warum Strauß ein letztes Mal an den Tegernsee fuhr

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Marianne und Franz Josef Strauß stehen gemeinsam in Wildbad Kreuth (oben). Das Ehepaar hatte dort lange seinen Erstwohnsitz. Auch wenn er nach Mariannes Tod nicht mehr so regelmäßig in Kreuth gesehen wurde, zum Wählen kam er immer persönlich.
Marianne und Franz Josef Strauß stehen gemeinsam in Wildbad Kreuth (oben). Das Ehepaar hatte dort lange seinen Erstwohnsitz. Auch wenn er nach Mariannes Tod nicht mehr so regelmäßig in Kreuth gesehen wurde, zum Wählen kam er immer persönlich. © picture alliance / Heinz Wiesele

Kreuth - Wenige Tage vor seinem Tod unternahm Franz Josef Strauß eine Fahrt an den Tegernsee. Unerkannt, allein, privat. Schneider Benno Eisenburg erinnert sich, wie Strauß die letzte Joppe seines Lebens anprobierte.

Die Ärmel sind ein bisschen zu lang. Sonst passt alles. Eine dunkelgraue Tegernseer Trachtenjoppe mit silbernen Knöpfen. Schlicht, elegant, zurückhaltend. Der Ministerpräsident ist zufrieden. Es ist Donnerstag, 29. September 1988, Franz Josef Strauß steht in der winzigen Gmunder Schneiderei von Benno Eisenburg und macht die letzte Anprobe für die Joppe, die er niemals tragen wird. Strauß ist gut gelaunt, albert herum. Er ist dem Münchner Politbetrieb entflohen. Vor ihm liegt eine Mass Bier beim Oktoberfest und am Samstag eine Hirschjagd mit seinem Freund Fürst Johannes von Thurn und Taxis. Da freut er sich drauf. In einem moosgrünen Mercedes fährt Strauß in Gmund vor.

„Ein anständiger Bayer fährt BMW“, hat er mal zum ehemaligen Kreuther Bürgermeister Josef Hatzl gesagt, als er zum Wählen nach Kreuth gefahren ist. Soviel zu seinen Sprüchen. Strauß hat lange Zeit mit seiner Frau Marianne in Kreuth seinen Erstwohnsitz gehabt. Marianne Strauß ist 1984 bei Scharling tödlich verunglückt (siehe unten). Zu Eisenburg kommt Strauß an jenem Donnerstag ganz allein. Keine Polizei, kein Fahrer.

Auch Benno Eisenburg in seiner Schneiderei besuchte Strauß regelmäßig. Das letzte Mal vier Tage vor seinem Tod.
Auch Benno Eisenburg in seiner Schneiderei besuchte Strauß regelmäßig. Das letzte Mal vier Tage vor seinem Tod. © kn

Nur der Ministerpräsident im Mercedes. Der Schneidermeister wundert sich: „Herr Dr. Strauß, ohne Bewachung?“, fragt Eisenburg. „Heute bin ich einfach abgehaun“, witzelt der Ministerpräsident. Kurz vorher klingelt Strauß persönlich durch, es passe ihm gerade rein, er komme vorbei. Lange dauert die Anprobe nicht. Die Joppe ist fast fertig. Jetzt geht es nur noch um Details. Der Kragen muss noch abgepasst werden. Eng geht’s zu in dem kleinen Ankleideraum, eingekeilt zwischen Schreibtisch und Arbeitstisch. Strauß gefiel der dürre Schneidermeister, der immer akkurat und peinlich genau arbeitete, auf Wunsch mit den schönsten Materialien der ganzen Welt, aber trotzdem immer bayerisch traditionell. Eisenburg ärgert sich, dass er schon wieder keinen Fotoapparat zur Hand hat. Irgendwann muss er doch mal ein Bild von sich und seinem prominentesten Kunden machen. Sein Vermieter ist auch da, der hätte nur kurz draufdrücken müssen. Herrschaft. Dann beim nächsten Mal.

Doch es wird kein nächstes Mal geben. Am Samstag fliegt Strauß mit dem Hubschrauber von München in einen Wald bei Regensburg zur Hirschjagd. Kurz nachdem Strauß gelandet ist, bricht er zusammen. 40 Stunden später, am 3. Oktober 1988, stirbt er in der Regensburger Klinik Barmherzige Brüder. Multiples Organversagen. Die genaue Todesursache ist bis heute unbekannt. Benno Eisenburg trifft die Nachricht schwer. Vor wenigen Tagen ist der Mann noch kerngesund bei ihm im Laden gestanden. „Das blühende Leben.“ Und dann sowas. „Er ist gefallen wie eine Eiche“, sagt Josef Ratzinger später in seiner Andacht.

Die dunkelgraue Joppe hängt noch lange in der kleinen Schneiderei Eisenburg. Abgeholt hat ihn freilich niemand mehr. „Ich glaube, irgendwann habe ich ihn dann einfach verkauft“, erinnert sich der 79-jährige Schneidermeister. Sein Geschäft gibt es schon lange nicht mehr. Die Geschichte von Strauß’ letzter Fahrt an den Tegernsee hat Eisenburg lange für sich behalten. Bei allen historischen Details, mit denen sich der Heimatpfleger sonst auseinander setzt, erschien ihm die Geschichte zu banal. „Aber dann wieder ist es auch ein Teil Geschichte“, sagt er heute. „Und wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis.“ Einmal hat Strauß sich schriftlich für einen Anzug bedankt: „Herzlichen Dank. Kleider machen Leute. Ihr Trachtenanzug macht mich. Ihr Franz Josef Strauß“.

Eine Nacht im Auto eingeklemmt: Mysteriöser Unfalltod der Marianne Strauß

Das Ehepaar Strauß wohnt in den 1980er Jahren in Wildbad Kreuth. Franz Josef Strauß ist freilich selten da, auch noch als Ministerpräsident viel in der Weltgeschichte unterwegs. Marianne Strauß vertreibt sich die Zeit bei Freunden, so auch an jenem 22. Juni 1984, ein Freitag. Mit ihrem Mercedes fährt sie spät abends gegen 22.30 Uhr allein von Rottach-Egern nach Hause. Doch sie kommt dort nie an.

Der Unfallort: Nach der Brücke bei Scharling kam Marianne Strauß von der Straße ab und starb.
Der Unfallort: Nach der Brücke bei Scharling kam Marianne Strauß von der Straße ab und starb. © Thomas Plettenberg

Der Omnibusfahrer Josef Killer aus Wall findet den Mercedes am Samstagmorgen kurz nach der Brücke bei Scharling. Die Unfallstelle ist schwer einzusehen. An der Straße gibt es keine Schäden. Durch seinen erhöhten Fahrersitz hat Killer einen besseren Überblick. Er sieht Reifenspuren in der Wiese, macht kehrt, geht durchs Gestrüpp. Dort hängt das Autowrack zwischen zwei Bäumen. Ein völlig demolierter ockerfarbener Mercedes 280 E. Die Front ist komplett eingefaltet, den Motor hat es in den Fahrerraum gedrückt. Der Aufprall muss so heftig gewesen sein, dass es sogar das Dach eingedrückt hat.

Im Auto sitzt eine Frau, blutüberströmt. Sie scheint tot. Handys gab’s damals noch nicht. Killer fährt zur Kreuther Grenzpolizei. Wenig später rollen die Einsatzkräfte an. Polizei, Rettung, die Kreuther Feuerwehr. Sie können nur noch den Tod der Frau feststellen. Die Feuerwehr stemmt das Auto auf. Durch das Portemonnaie erlangen die Beamten traurige Gewissheit. Die tote Frau ist Marianne Strauß, die Frau des Bayerischen Ministerpräsidenten. Wenig später ist das Landeskriminalamt vor Ort. Das Auto hat sich derart in den Bäumen verkeilt, dass es weder der Feuerwehr noch Landwirtssohn Klaus Oettl mit seinem Traktor gelingt, das Wrack zu bergen. Ein Spezial-Abschleppwagen muss angefordert werden. Der Leichnam wird zum Kreuther Friedhof gebracht. Warum Marianne Strauß in dieser Nacht die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor - ob aus Unachtsamkeit oder weil sie jemand abdrängte - konnte nie aufgeklärt werden.

Seltener Super-8-Film aufgetaucht: Franz Josef Strauß auf der Jagd

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