"Kein bayerischer Ministerpräsident hält sich dran": Wie sich Söder in die Weltpolitik einmischt | Abendzeitung München

"Kein bayerischer Ministerpräsident hält sich dran": Wie sich Söder in die Weltpolitik einmischt

Vom "Großen Vorsitzenden" Franz Josef Strauß zum Plüsch-Pandabär-Knuddler oder was die China-Reise von Markus Söder mit der Kanzlerkandidatur zu tun haben könnte – eine Experten-Analyse.
| Ralf Müller
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Markus Söder mit einem Plüsch-Panda während seiner China-Reise im März.
Markus Söder mit einem Plüsch-Panda während seiner China-Reise im März. © Peter Kneffel/dpa

München - Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, als die CSU Weltpolitik machte. 1975 wurde der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß als erster deutscher Politiker überhaupt vom Chef der Kommunistischen Partei Chinas Mao Zedong zu einer persönlichen Audienz empfangen. Bilder der "beiden Großen Vorsitzenden" gingen um die Welt.

Heute werden Bilder von einem CSU-Vorsitzenden Markus Söder vor allem in der etwas begrenzteren bayerischen Welt herumgereicht – mit besonderer Freude ein Foto, in dem Söder mit einem Plüsch-Panda kuschelt. Was hätte Franz Josef Strauß dazu gesagt? Vielleicht wäre ihm so etwas wie "politische Pygmäen" eingefallen.

Reisen von Markus Söder: "Gekuschel mit dem Pandabären verdunkelt den eigentlichen Akzent"

Doch man tue Söder Unrecht, wenn man seine kürzlichen Visiten in China, Schweden und auf dem Balkan ins Lächerliche ziehe, auch wenn das "Gekuschel mit dem Pandabären" eher "unangemessen den eigentlichen und wichtigen Akzent" von Söders China-Reise verdunkele, meint der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter. Der "publizistische Klimbim" verdränge den ernsthaften Zweck und Nutzen der China-Reise. Und dann schickt der CSU-Kenner noch eine vielsagende Bemerkung hinterher: "Für Bayerns Handel und Wirtschaft ist es weniger bedeutend, ob Söder Kanzlerkandidat wird."

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Obwohl die CSU in der Geschichte der Bundesrepublik nie einen Bundesaußenminister stellte, haben deren Vorsitzende doch Spuren in Europa und der Welt hinterlassen. Vor allem gilt das für Franz Josef Strauß, dem nicht weniger als 600 Auslandsreisen nachgesagt werden. Legendär ist dessen eigenhändige Pilotierung einer Cessna Citation zu Michail Gorbatschow nach Moskau, an die sich damalige Mitflieger wie Theo Waigel heute noch mit einem gewissen Gruseln erinnern. Keine Frage: An Straußens teilweise auch heftig umstrittenen außenpolitischen Aktivitäten hat bisher noch kein CSU-Politiker heranreichen können. Die Präsenz von Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber in Europa hat ihn aber immerhin für die Position des EU-Präsidenten ins Gespräch gebracht. Stoiber hätte auf ein Angebot des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) nur "Ja" sagen müssen.

Ganz nah dran an diesem Amt war auch CSU-Vize Manfred Weber, bevor ihm ein Komplott von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Frankreichs Staatspräsidenten zugunsten von Ursula von der Leyen (CDU) einen Strich durch die Rechnung machte. Ex-Regierungschef Max Streibl (CSU) wird das Verdienst zugeschrieben, den "Europäischen Ausschuss der Regionen" maßgeblich initiiert zu haben.

Leisten Söders Reisen einen Beitrag zu einer möglichen Kanzlerkandidatur?

Nach dem Grundgesetz, betonte Ex-CSU-Chef Horst Seehofer wiederholt, obliege allein der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Außenpolitik, "aber noch kein bayerischer Ministerpräsident hat sich daran gehalten". Der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung hätte sich am ehesten noch der amtierende Regierungschef Söder unterworfen, hätte man ihm nicht von allen Seiten außenpolitische Inaktivität vorgehalten.

Natürlich hat Söders erwachtes Interesse an der weiten Welt auch innenpolitische Gründe. Vielleicht leisten die Reisen einen Beitrag, "die Idee einer doch vielleicht möglichen Kanzlerkandidatur zu unterstreichen", meint Politikprofessor Oberreuter. Es rentiere sich aber grundsätzlich, an dem Thema "unabhängig von der Karriereplanung" zu arbeiten, denn China sei schließlich der wichtigste Handelspartner des Freistaats.

Mehrheit hält Markus Söder für den erfolgversprechendsten Unions-Kanzlerkandidaten

Der ehemalige Direktor der Politischen Akademie Tutzing hat dem CSU-Chef schon vor dessen gescheiterter Unions-Kanzlerkandidaten-Kandidatur zur Bundestagswahl 2021 zu keinem Zeitpunkt abgenommen, dass er in Bayern bleiben wolle, und tut dies auch jetzt nicht. Fest stehe, dass kein anderer Ministerpräsident in China "so pfleglich und höflich und eigentlich unterstützend behandelt wird wie der gegenwärtige bayerische". Nach Umfragen könnte sich das Drama von 2021 wiederholen: Eine Mehrheit der Wähler wie auch der Unions-Parteigänger hält Söder derzeit für den erfolgversprechendsten Unions-Kanzlerkandidaten.

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Über die "Nebenaußenpolitik" bayerischer Regierungs- und CSU-Parteichefs war und ist man in Bonn respektive Berlin nie glücklich – unabhängig von der politischen Ausrichtung der jeweiligen Bundesregierung. Das hat die Bayern nie gestört. Während Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Chinas Parteichef Xi Jinping für einen "Diktator" hält, schüttelte Söder seinem Ministerpräsidenten Li Qiang unter dem Motto "Dialog statt Abgrenzung" die Hand.

"Wir sind da auf Augenhöhe im Gespräch, und das ist etwas Besonderes", hob Söder hervor. Dennoch ist die CSU nach Ansicht Oberreuters von einer strategischen eigenen Außenpolitik "weit entfernt". Mehr außenpolitische Weisheit als andere besitze die CSU auch nicht. Tatsächlich haben die Christsozialen Kreml-Herrscher und Kriegs-Anstifter Wladimir Putin noch 2020 hofiert. Der Schulterschluss mit dem ungarischen "Mini-Diktator" (O-Ton Ex-Kommissionschef Jean-Claude Juncker) Victor Orbán und die dann wieder korrigierte Annäherung an "Il Cavaliere" Silvio Berlusconi sprechen ebenfalls nicht für einen überragenden Politik-Instinkt.

Markus Söder verteidigt außenpolitische Bestrebungen: "Ergänzung und Bereicherung"

Söder begründe sein Verhalten gegenüber China jetzt so wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) das seine gegenüber Russland, merkt Oberreuter an: "Man muss im Gespräch bleiben." Immerhin habe Stoiber schon die Demokratiefestigkeit Putins bezweifelt, als andere ihn noch für einen ernsthaften Demokraten hielten. Stoiber sei Strauß in der außenpolitischen Kompetenz noch "am nächsten gekommen". Außenpolitik der CSU ist wegen des seit Jahrzehnten beherrschenden Einflusses auf den Freistaat auch gleichzeitig bayerische Außenpolitik. Und da kann Bayern mit dem Pfund wuchern, dass der Freistaat der mit Abstand bekannteste Teil Deutschlands in der Welt ist. "Die Attraktivität und der Status" Bayerns in der Welt erfordere geradezu eine "Ergänzung und Bereicherung zur Außenpolitik des Bundes", heißt es auf der Homepage der bayerischen Staatskanzlei.

Der Freistaat besitze eine "unvergleichliche internationale Anziehungs- und Ausstrahlungskraft", welche die "Staatspartei" CSU nutze, erläutert Oberreuter. Es ist daher kein Zufall, dass SPD-Außenpolitiker Michael Roth die Außenpolitik Söders als "ganz im Stil von Ludwig II." verspottete – ein "traditioneller Eifersuchtsanstoß für den Bund und andere Bundesländer", so der Passauer Politikwissenschaftler.

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3 Kommentare
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  • Allacher am 11.04.2024 12:25 Uhr / Bewertung:

    Dieser MP könnte und dürfte nicht mal die Schuhsohlen von FJS küssen.

  • HanneloreH. am 11.04.2024 10:50 Uhr / Bewertung:

    FJS hätte sich nie zum Kaspar gemacht.

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 11.04.2024 08:53 Uhr / Bewertung:

    der Herr Professor und seine altbekannten Söder-Aversion , ... hätte nicht gedacht, das mal zu schreiben, aber: selbst Ursula Münch lässt mehr Objektivität und Fairness Söder gegenüber walten.