Frühstück bei Tiffany: Ein Filmklassiker und seine schönsten Geheimnisse

Frühstück bei Tiffany: Ein Filmklassiker und seine schönsten Geheimnisse

Vor 60 Jahren feierte das ikonische Werk mit Audrey Hepburn Premiere. Der Filmhistoriker Sam Wasson besorgte später die Einordnung des Klassikers.

Stilprägend mit Cocktailkleid, Perlenkette und Zigarettenspitze: Audrey Hepburn als Holly Golightly.
Stilprägend mit Cocktailkleid, Perlenkette und Zigarettenspitze: Audrey Hepburn als Holly Golightly.imago/Ronald Grant

Berlin-Schon die Eröffnungsszene ist unvergesslich: Zu den Klängen von „Moon River“ steigt Audrey Hepburn alias Holly Golightly vor dem New Yorker Nobeljuwelier Tiffany aus dem Taxi, stilecht im schwarzen Cocktailkleid, mit Perlenschmuck und Sonnenbrille. Sie hält eine Papiertüte in der Hand, darin sind ein Kaffeebecher und etwas Backwerk. Ein Partygirl, das am Schaufenster ihres Lieblingsladens an der Fifth Avenue frühstückt – die hauchzarte Hepburn in ihrem Givenchy-Outfit wurde mit dem Film zur Stilikone, bis heute hat der Film von Regisseur Blake Edwards kaum etwas von seiner Anziehungskraft eingebüßt.

Als „Breakfast at Tiffany’s“, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Truman Capote, am 5. Oktober 1961 in die US-Kinos kam, herrschte in Amerika noch ein Frauenbild, das mit dem im Film gezeigten oder gar mit dem in der Romanvorlage beschriebenen so gar nicht korrespondieren wollte. Hollywood befand sich zu dieser Zeit fest im Griff der Moralhüter: Die Damenwelt hatte züchtig zu sein oder mochte sich doch bitte zumindest entscheiden zwischen Hure und Heiliger, zwischen Marilyn Monroe und Doris Day. Die Männer waren entweder galant oder Machos. Sex durfte maximal angedeutet werden, aber, please, keine Prostitution oder Homoerotik. Ein Balanceakt für die Drehbuchschreiber, die sich um Anspielungen und Reizthemen jedweder Art herumlavieren mussten.

Kein Wunder, dass Capote, der die Figur der Holly Golightly nach dem Vorbild seiner eigenen Mutter und mehrerer ihm gut bekannter Society-Ladies geformt hatte, das Ergebnis harsch aburteilte. Es sei der fehlbesetzteste Film, den er je gesehen habe, er hätte „kotzen können“, sagte er Jahre später einem Journalisten. Gleichwohl musste er wohl zur Kenntnis nehmen, dass das Werk für seine Zeit trotz aller Entschärfungen als enorm progressiv gelten durfte. 

Wie lange der Welterfolg auf der Kippe stand, mit welchen Widrigkeiten die Produktion zu kämpfen hatte, das alles zeichnet der Filmhistoriker Sam Wasson in seinem Buch „Fifth Avenue, 5 a.m.“, das pünktlich zum 60. Jahrestag der Verfilmung in einer aktualisierten Auflage erscheint, amüsant und überaus unterhaltsam nach. Die Widersprüche begannen schon mit der Vermarktung des Films durch Paramount Pictures. 

1961 unternahm die Werbeabteilung der Filmproduktionsgesellschaft eine bemerkenswert akrobatische Leistung. Sie versuchte zu erklären, warum Holly Golightly – eine Frau, die die ganze Nacht ausblieb und regelmäßig 50 Dollar Trinkgelder von verschiedenen Gentlemen-Freunden akzeptierte – tatsächlich blitzblank war. „Da Miss Audrey Hepburn nie eine Rolle gespielt hat, die darauf hindeutet, dass sie alles andere als rein, höflich und möglicherweise eine Prinzessin ist“, heißt es in einer reichlich verzweifelt wirkenden Pressemitteilung, „ist ein genauer Blick auf Miss Golightly angebracht.“

Wütende Zuschauer, selbsternannte Moralwächter

Die amerikanische Öffentlichkeit musste überzeugt werden, dass die zu diesem Zeitpunkt schon sehr bekannte und beliebte Schauspielerin ganz und gar nichts zu tun hatte mit der Figur, die sie spielte. Dass aber auch die Figur ganz anders war, als es schien: Holly war keine Prostituierte, sondern eine Exzentrikerin. Nicht alle ließen sich davon überzeugen: Ein wütender Zuschauer schrieb 1961, nicht nur zeige der Film Prostitution, er verharmlose auch Diebstahl. Der Verfall der Sitten, er dräute allerorten für selbsternannte Moralwächter.

Wassons Buch ist voller Anekdoten darüber, wie verwirrend „Frühstück bei Tiffany“ von Anfang an war. Der Mitarbeiter von Paramount, der den ersten Blick auf Capotes Buch geworfen hatte, bezeichnete es als „nicht empfehlenswert“.  Am Ende kauften die Produzenten dem Schriftsteller doch die Rechte ab: für 65.000 Dollar. Capote hätte gern Marilyn Monroe in der Rolle der Holly Golightly gesehen, doch dazu kam es nicht. Monroes Berater riet ihr von der Rolle ab, weil das Spielen einer Prostituierten (die Romanvorlage ist diesbezüglich etwas expliziter als der Film) schlecht für ihr Image sei.

Sie war seine erste Wahl: Truman Capote hätte gern seine Freundin Marilyn Monroe in der Rolle der Holly Golightly gesehen. 
Sie war seine erste Wahl: Truman Capote hätte gern seine Freundin Marilyn Monroe in der Rolle der Holly Golightly gesehen. Imago/Cinema Publishers Collection

Und so wurde stattdessen die zweite Wahl Audrey Hepburn mit ihrer Darstellung der Holly zur Stilikone. Wasson macht noch einmal die Vielschichtigkeit ihrer Figur deutlich: „Sie ist ein Original, ein unabhängiges Mädchen. Kein gutes oder schlechtes Mädchen, aber frei, ein disruptives Abbild moderner Weiblichkeit (fröhlicher vorehelicher Sex!).“ Dies werde ausgeglichen durch die Anmut von Hepburns eigener Persönlichkeit und ihrer ewigen Jugendlichkeit.

Heute, 60 Jahre später, sei diese besondere Kombination aus süß (Audrey) und sauer (Holly) noch genauso dynamisch und beschwingt wie eh und je. Mit ziemlicher Sicherheit werde es nie wieder eine wie Audrey Hepburn geben, resümiert der Autor. Die 1993 in der Schweiz verstorbene Schauspielerin erklärte zur Rolle ihres Lebens einmal: „Ich bin introvertiert. Das extrovertierte Mädchen zu spielen war das schwierigste, was ich je getan habe.“ 

Das Unerhörte, das der Film auf die große Leinwand und in die Köpfe einer prüden Gesellschaft brachte: Auf einmal – und weil es sich um Audrey handelte – nahm man zur Kenntnis, dass Frauen allein leben, ausgehen, fabelhaft aussehen, sich betrinken. Single zu sein, das war plötzlich nicht mehr mit Scham besetzt, es schien Spaß zu machen. Wenn man so will, ist „Breakfast at Tiffany’s“ der Wegbereiter für „Sex and the City“.

Bis zu diesem Film waren glamouröse Frauen im Kino stets jenen Schichten zuzuordnen, die sich Pelz und Seide leisten konnten. Golightly umwehte eine andere Art von Glamour. Wasson nennt ihn demokratisch, weil jeder ihn sich leisten könne. 

Die Macher des Films wiederum konnten sich eine Pleite nicht leisten, nicht nur aus finanzieller Sicht. Zu groß war der Ehrgeiz, aus der eigentlich unadaptierbaren Vorlage etwas Cineastisches zu machen. Eine Herausforderung für jeden Drehbuchautoren, der sich vor schier unlösbaren Problemen sah: Die Buchvorlage hatte einen homosexuellen Protagonisten (aus dem schwulen Erzähler wurde im Film ein viriler Autor) und kein Happy End (was in verkitschter Hollywood-Manier geändert wurde).  

Truman Capote konnte sich mit der Verfilmung nie versöhnen

Auch Hepburn tat sich schwer, die Rolle der Holly Golightly anzunehmen. Immer wieder habe sie versucht, den Charakter abzuschwächen, ihn sanfter und weicher zu machen, heißt es im Buch. Sie könne doch keine Prostituierte spielen. Die Produzenten griffen zum gleichen akrobatischen Trick wie später die Presseabteilung: Holly sei eine Träumerin, eine Romantikerin. Wenn Hepburn das nicht erkenne, sei sie vielleicht doch nicht die Richtige für die Rolle. Damit hatten sie sie am Ende gewonnen.

Truman Capote allerdings konnte sich mit der Verfilmung nie versöhnen. Er hasste auch Hepburn in der Hauptrolle. Sein Biograf Gerald Clarke bezeichnete den Film als „Valentinstag“ für freigeistige Frauen und nicht als warnende Geschichte über ein Mädchen, das in der Großstadt verloren ging. „Der Film ist ein Konfekt, ein Zucker- und Gewürzkonfekt.“

Vielleicht war es am Ende auch eine persönliche Kränkung des exzentrischen Schriftstellers, die ihn zu seinen vernichtenden Urteilen veranlasste. Der Filmhistoriker immerhin insinuiert etwas in der Art, als er beschreibt, dass Capote in Vorgesprächen mit den Produzenten darauf beharrte, die männliche Hauptrolle im Film höchstselbst zu übernehmen. Man brachte ihn von dieser Idee wieder ab, mit einem Trick, der an die Eitelkeit Capotes appellierte: Die Rolle sei einfach nicht gut genug für ihn, alle Augen würden doch eh auf Holly Golightly ruhen. Er verdiene etwas Besseres, Schillernderes. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als man sogar Steve McQueen für die männliche Hauptrolle in Betracht zog (der dann absagte), dürfte Capote der Schwindel aufgegangen sein. Da war die Sache für ihn aber schon gelaufen.