Exklusiv: Ehemaliger EU-Abgeordneter Felix Reda outet sich als trans
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Exklusiv: Ehemaliger EU-Abgeordneter Felix Reda outet sich als trans

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Digitalexperte Felix Reda
Digitalexperte Felix Reda © Volker Conradus

Felix Reda, einst Abgeordneter der Piraten im Europäischen Parlament, stellt klar: „Ich fühle mich sehr wohl so, wie ich bin.“

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Das eigentliche Veröffentlichungsdatum lautet: 15.06.2022.

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Berlin - Seit vergangenem Jahr schon ist der Digitalexperte im Freundeskreis und Kollegium auf der Arbeit als trans geoutet, nun möchte Felix Reda auch die Öffentlichkeit informieren. „Ich bin trans“, sagt er exklusiv gegenüber Ippen Investigativ. „Ich will mich nicht verstecken und mit meinem neuen Namen angesprochen werden”.

Reda möchte mit diesem Schritt ein Zeichen für mehr Akzeptanz setzen, aber auch den medialen Umgang mit der eigenen Person korrigieren. „Ich habe mein ganzes Leben schon mit der weiblichen Rolle gehadert“, sagt Reda im Gespräch. „Ich konnte mich damit gar nicht identifizieren, wie ich in den Medien gesehen werde”. Dies gelte besonders für seine Zeit als EU-Abgeordneter. 

Felix Reda, bislang mit einem weiblichen Vornamen bekannt, ist Digitalexperte für Urheberrecht und Kommunikationsfreiheit und auf Twitter als „senficon” bekannt. Er war von 2014 bis 2019 als einziger Abgeordneter für die Piratenpartei Mitglied im EU-Parlament und einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Fraktion Grüne/EFA.

Felix Reda saß für die Piratenpartei im EU-Parlament

2019 positionierte sich Reda öffentlichkeitswirksam zu der umstrittenen EU-Urheberrechtsreform. Reda kritisierte besonders die sogenannten Uploadfilter. Die Befürchtung: Zukünftig würden eigentlich legale Inhalte im Internet fälschlicherweise gesperrt. Die Meinungsfreiheit sei damit in Gefahr. Reda war damals einer der zentralen Wortführer der Proteste, an denen sich sowohl große Webseitenbetreiber wie Wikipedia als auch hunderttausende private Nutzerinnen und Nutzer beteiligten. Reda bezeichnete die Reform als „Angriff auf das freie Internet“.

Anfang 2019 trat er aus der Partei aus, nachdem #MeToo-Vorwürfe gegen einen seiner Mitarbeiter bekannt wurden, die später von einem zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments bestätigt wurden. Der Mitarbeiter hatte die Vorwürfe gegen ihn bestritten, Reda hatte dem Bundesvorstand der Partei zögerliches Verhalten vorgeworfen und zu Beginn der Wahlkampagne dazu aufgerufen, nicht für die Piraten zu stimmen. Heute ist Reda parteilos, seit 2020 arbeitet er für die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Die GFF unterstützt rechtliche Verfahren für Grund- und Menschenrechte, wie etwa für die rechtliche Gleichstellung lesbischer Mütter.

Reda möchte auch weiterhin für seine digitalpolitischen Themen in der Öffentlichkeit stehen, und weniger für Queerpolitik. „Trans sein macht nicht meine ganze Persönlichkeit aus, und ich hoffe, dass es in den Augen der Medien nicht meine Expertise für andere Themen überschreibt”, so Reda.

Felix Reda: „Trans sein macht nicht meine ganze Persönlichkeit aus”

Den Rückzug aus der Politik begründet Reda im Nachhinein auch teilweise mit dem Unbehagen, in der Öffentlichkeit zu stehen. „Ich fand es immer komisch, wenn in der Presse meine Hosenanzüge kommentiert wurden oder ich in der Maske im Fernsehen einen sehr weiblichen Look bekommen habe, auch wenn ich nur leicht gepudert werden wollte. Ich fand es später angenehm, nicht mehr so stark im Fokus zu stehen.“

Wie schwer die Anerkennung des eigenen Geschlechts in der Öffentlichkeit mitunter sein kann, zeigte zuletzt der Fall Jascha Urbach, bekannt für seine netz- und queeraktivistische Arbeit. Auf Wikipedia entbrannte eine kontroverse Diskussion, ob die Änderung des Vornamens und der nicht-binären Identität Urbachs mit den Richtlinien der Plattformen vereinbar sei, Urbach machte den Streit auf Twitter öffentlich. Die Kernfrage: Darf eine Person für sich selber entscheiden, ihren Vornamen und ihr Geschlecht zu korrigieren? Oder braucht sie für die öffentliche Anerkennung eine Legitimierung durch eine externe Autorität, wie etwa ein Gericht oder Presseberichte?

Bei der Bundestagswahl im vergangenen September sind mit Tessa Ganserer und Nyke Slawik erstmals zwei trans Abgeordnete in das Parlament eingezogen. Vor allem Ganserer tritt dafür an, das Transsexuellengesetz zu ersetzen. Mehrere Paragraphen des Gesetzes wurden bereits durch das Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt. Übrig ist eine Gesetzesruine, die als völlig veraltet gilt. Fast alle Parteien äußerten sich bereits reformwillig, laut Koalitionsvertrag soll ein neues Selbstbestimmungsgesetz die alte Regelung ablösen. Verfahren sollen künftig unkomplizierter bei den Standesämtern ablaufen, Familienministerin Anne Spiegel kündigte im Interview mit der taz eine schnelle Umsetzung an.

Felix Reda kann Personenstand nicht ändern - Transsexuellengesetz soll bald ersetzt werden

Auch Reda würde nun gerne seinen Personenstand ändern lassen, doch das ist für ihn bislang nicht möglich. Laut Gesetz hat das Recht auf eine Änderung nur, wer „seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht“, sich dem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen, als es in der Geburtsurkunde festgeschrieben wurde. Diese Herangehensweise des Gesetzgebers empfindet Reda als völlig falsch. „Manche Menschen verspüren vielleicht einen Zwang, ich persönlich empfinde das nicht so. Ich habe vergangenes Jahr sehr bewusst die Entscheidung getroffen, dass ich auch öffentlich so leben will, wie ich es für richtig empfinde.“ 

Reda hofft nun auf eine rasche Änderung durch die neue Ampelkoalition. „Ich wünsche mir von der Politik, dass sie endlich tätig wird“, so Reda – auch, weil das Transsexuellengesetz insgesamt problematisch sei. Trans Personen müssen derzeit zwei unabhängige psychologische Gutachten einholen und sind von einer gerichtlichen Entscheidung über ihren Geschlechtseintrag abhängig. Die Kosten dafür haben sie selber zu tragen. Das habe eine abschreckende Wirkung, so Reda. Trans Personen machten in diesen Verfahren oft diskriminierende und traumatisierende Erfahrungen.

Felix Reda kämpft beruflich für die „Dritte Option“ im Geschlechtseintrag

Wann die Koalition einen Reformvorschlag für das Transsexuellengesetz vorlegt, ist noch offen. Die beteiligten Ressorts befinden sich dazu im Gespräch, heißt es auf Anfrage aus dem Familienministerium. Angaben zum Zeitplan seien im Augenblick noch nicht möglich. Redas Arbeitgeber, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, unterstützt unterdessen eine Verfassungsbeschwerde: Die seit 2019 gültige „Dritte Option“ ermöglicht es Menschen, ihren Geschlechtseintrag in „divers“ zu ändern oder ganz streichen zu lassen.

Umstritten ist, ob dafür eine ärztliche Bescheinigung notwendig ist und ob außer intersexuellen Menschen auch trans oder andere Personen dieses Verfahren nutzen dürfen. Ob die Beschwerde in Karlsruhe angenommen wird, ist noch offen. Sollte dann das Bundesverfassungsgericht schneller entscheiden als der Gesetzgeber, könnte sich für Reda die Wartezeit verkürzen. 

Mit seinem eigenen Weg hadert der Politiker nicht. „Ich fühle mich sehr wohl so, wie ich bin“, sagt Reda. „Und ich glaube es ist sehr wichtig, dass es Vorbilder gibt, die zeigen, dass trans zu sein kein Schicksalsschlag ist.“ Durch das Coming Out fühlt sich Reda gestärkt und kann sich vorstellen, vielleicht künftig wieder in den politischen Betrieb zurückzukehren.

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