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„30 Jahre Facts and fiction“Wie die Kölner Agentur sich nach ganz oben kämpfte

Lesezeit 5 Minuten
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Angekommen: Seit 1998 hat die Agentur von Dietmar Jähn und Jörg Krauthäuser  ihren Sitz im Rheinauhafen.  

Köln – Manchmal sind es die vermeintlich kleinen Dinge, die ganz besonders in Erinnerung bleiben. Die Gesangseinlage eines zehnjährigen Mädchens etwa, das zur 100-Jahr-Feier des BVB die Hymne singt und die ganze Arena fällt spontan a cappella mit ein. Oder die Begegnung mit beeinträchtigten Sportlern in der Lanxess-Arena, die schon eine Stunde vor Spielbeginn im Tunnel stehen und erklären, sie wollen diesen Moment so lange wie möglich genießen.

„Wir sind uns immer treu geblieben“

Es gibt einige Stationen im Leben von Dietmar Jähn und Jörg Krauthäuser, die so ganz abseits von millionenschweren Event-Veranstaltungen in den letzten 30 Jahren seit Bestehen der Agentur „facts and fiction“ geblieben sind. Was auch daran liegen mag, dass man von Anfang an einen eigenen Weg gesucht hat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und dem, was der eigenen Leitlinie entspricht.

„Wir sind uns immer treu geblieben“, sagt Krauthäuser. Kein Tabak, keine Rüstung, kein Atom – Prämissen, die für eine aufstrebende Agentur schon eine Einschränkung sein können. Nicht für „facts and fiction“. „Es war von vornherein klar, dass wir nur Projekte entwickeln, hinter denen wir auch stehen können“, betont Jähn.

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Meilensteine

1992 erfolgte die Gründung auf dem Bettmerhorn. Als erstes Agenturbüro diente ein Schlafzimmer. Nach einer Zwischenstation in der Bismarckstraße erfolgte 1998 der Umzug in den Rheinauhafen. Ca. 80 Mitarbeiter in Köln und Berlin hat die Agentur heute.

2005 Facts and fiction zeichnet für die Konzeption und Produktion der Eröffnungs- und Abschlussfeier des World Games in der Lanxess-Arena verantwortlich. 400 Tänzerinnen und Tänzer sowie 1500 Sportler wirkten mit.

2009 Gründung des Berliner Büros. Die Agentur entwickelt unterschiedliche Formate im Kontext des politischen Diskurses für Ministerien, Institutionen und Verbände.

2019 Facts and fiction konzipiert und inszeniert mit „res d“ die 8000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche des deutsche Bergbau-Museums in Bochum.

2021 Die Agentur konzipiert für die Expo 2020 in Dubai die Länderbeteiligungen für Deutschland, Monaco, Belgien und Jordanien. (two)

Es war ein Warmstart, damals, vor 30 Jahren. Die beiden geschäftsführenden Gesellschafter machen kein Geheimnis daraus, dass die gemeinsame Zeit bei der Bavaria Filmproduktion viele Kontakte geschaffen hat. Kontakte, die sie nach der Gründung der eigenen Firma 1992 auch nutzten. Auf den Weg ganz nach oben machten sich die Gründer damals, genauer gesagt unter das Gipfelkreuz des knapp 3000 Meter hohen Bettmerhorns in den Berner Alpen. Dort wurde die Gründungsurkunde unterzeichnet. „Es sollte unseren Anspruch unterstreichen, nach oben zu kommen“, sagt Jähn mit einem Augenzwinkern. Wobei mit „oben“ weniger die Größe als die angestrebte Qualität gemeint war. Als kreativer Motor zunächst in der Imagefilm- und später in der Veranstaltungsbranche. Das Maskottchen, der fliegende Fisch, wurde später einem Relaunch unterzogen. Das Motto aber blieb immer: „Wer nicht vom Fliegen träumt, dem wachsen keine Flügel“.

Sich selbst immer wieder hinterfragen, von Beginn an und in jedem Projekt. Letztlich ist es diese Stringenz, die Jähn und Krauthäuser bis heute ihren Job gerne machen lassen. Auch wenn sich im Lauf der Jahre die Prioritäten verschieben. Der Start führte einmal quer durch die Autowelt: Mit Ford, Subaru, Mitsubishi und der Benzin geschwängerten Luft des Nürburgringes machte sich „facts and fiction“ schnell einen Namen.

Heute, viele Jahre später, können sie sich noch gut daran erinnern, als der letzte Auftrag für einen Automobilhersteller abgeschlossen war und sie eine Flasche Rotkäppchen-Sekt öffneten. „Irgendwann konnten wir nicht mehr dahinterstehen“, sagt Krauthäuser. Auch die Aufträge aus der Industrie wurden immer seltener. Dafür öffnete sich immer weiter ein ganz anderes, kulturpolitisches Feld.

Hingehen, wo es wehtut

Der Wandel hatte zwei Seiten. Die eine, die sie in der Agentur selbst in die Wege geleitet haben. Weg vom reinen Produkt und hin zu einer werteorientierten Begleitung von Ausstellungen, Museen und politischer Bildung. Große aktuelle Projekte im Bereich öffentliche Museen und Ausstellungen, die die Agentur konzipiert und realisiert hat, sind beispielsweise das Bergbaumuseum in Bochum und die Berlin Ausstellung im Humboldt Forum in Berlin.

„Auch dahin gehen, wo es wehtut“, sagt Jähn. Es fällt relativ leicht, auf dem Roncalliplatz über Klimawandel und gesellschaftliche Entwicklungen zu sprechen. Auf dem Dorfplatz in der unteren Lausitz fällt das schon schwerer.

Die zweite Seite ist, den politischen und gesellschaftlichen Wandel selbst begleiten zu können. „Facts and fiction“ ist seit Langem im Spannungsfeld der politischen Kommunikation aktiv, arbeitet mit diversen Ministerien, Institutionen und Verbänden zusammen und ist seit vielen Jahren für Deutschland und andere Nationen auf den Weltausstellungen präsent.

Selbst in die aktive Politik zu gehen war allerdings nie ein Thema. „Wir helfen lieber“, sagen beide und müssen etwas lachen. Um kurz darauf wieder ernst zu werden: „Es ist natürlich wichtig, dass Menschen politische Verantwortung übernehmen. Aber es ist auch wichtig, dass das diejenigen tun, die noch länger als wir auf der Erde bleiben werden.“

Offen bleibt trotz allen Wandels die Agentur „facts and fiction“ dennoch auch weiterhin für die industrielle Klientel. „Wenn heute ein Automobilhersteller käme und fragt, könnt ihr uns auf unserem Weg zu grüner Mobilität begleiten – selbstverständlich würden wir das tun.“ Nur mit Verbrennern müsste man ihnen heute vermutlich nicht mehr kommen.

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