Während Deutschlands Wirtschaft sich im Sinkflug befindet, flammt die Debatte über höhere Löhne und weniger Arbeitsstunden wieder auf. SPD, Grüne und Gewerkschaften fordern eine Erhöhung des Mindestlohns, den die Ampel-Koalition erst 2022 auf 12 Euro pro Stunde angehoben hatte. Seit diesem Jahr liegt der Mindestlohn bei 12,41 Euro, im kommenden steigt er auf 12,82 Euro. Es ist also nicht so, dass in diesem Land nichts getan würde für faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen.
Doch welcher soziale Fortschritt auch erreicht wird und wie stark – um nicht zu sagen: aufgebläht – der deutsche Sozialstaat auch ist, der linken Seite reicht es nie. Gerade hat SPD-Chefin Saskia Esken ihre Forderung nach einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich bekräftigt.
Sie steht mit dieser hohen Anspruchshaltung nicht allein. Die Deutschen, die sich von der protestantischen Arbeitsethik immer weniger angesprochen fühlen, sind ganz vorn dabei, wenn es darum geht, weniger zu arbeiten und dafür mehr zu verlangen. Aus Industrie und Wirtschaft kommen derweil Warnungen vor einer sinkenden Arbeitsmoral der Bürger, die dem Standort schaden und die Produktivität schmälern könne.
Sozialdemokraten und Gewerkschaften täten gut daran, diese Warnungen nicht als unbegründete Unkenrufe in den Wind zu schlagen. Hier wird nicht einer Entrechtung der Arbeitnehmer das Wort geredet. Die Verve, mit der hierzulande gegen den „Sozialabbau“ gewettert wird, erweckt fast den Eindruck, als würde in Deutschland noch immer die Ausbeutung des Proletariats vorangetrieben, gegen die eine neue Arbeiterbewegung aufbegehren müsste.
An der sozialen Realität der Gegenwart aber geht diese Suggestion vorbei. Gerade die Sozialdemokraten, die sich doch sonst immer gegen Schwarzmalerei wehren, sollten nicht ignorieren, wie gut es den Arbeitnehmern hier bereits geht. Die SPD spricht oft von Fairness. Doch es ist weder fair noch verantwortungsbewusst, die Situation der Arbeitnehmer schlecht- und die aktuelle Wirtschaftslage schönzureden.
Wir können es uns gegenwärtig nicht leisten, noch weniger zu arbeiten, mehr zu bekommen und auf Vater Staat zu hoffen. Eine grenzenlose Verschuldung des Staates wird die wirtschaftlichen Probleme dieses Landes nicht lösen, im Gegenteil. Sie geht zu Lasten der künftigen Generationen, um deren Wohl die Ampel-Koalition etwa in Fragen des Klimaschutzes doch sonst so besorgt ist.
Es ist höchste Zeit, das Prinzip der Nachhaltigkeit auf ökonomische Belange auszuweiten, wenn in den kommenden Wochen der Haushalt 2025 ausgehandelt wird. Das bedeutet in erster Linie, und zwar für alle: Sparen.