Erika Steinbach: Woher das umstrittene Twitter-Foto kommt

Erika Steinbach: Woher das umstrittene Twitter-Foto kommt

Köln - Am Samstag um 5:34 Uhr postete Erika Steinbach auf dem Onlinedienst Twitter einen Beitrag, mit dem sie wieder einmal polarisierte und bundesweit heftige Kritik erntete. Vor allem das in ihrem Tweet gepostete Bild eines Kindes mit hellen Haaren, das von einer dunkelhäutigen Gruppe umringt ist, sorgte für Protest. FDP-Chef Christian Lindner forderte gar eine „Obergrenze für Dummheit“. Wie sich nun herausstellt, handelt es sich bei der Aufnahme um eine dilettantische Manipulation, die Steinbach wohl entgangen ist.

Gezeigt wird ein blondes Kind in einer Gruppe, in der nachträglich die Köpfe eines arabisch anmutenden und eines schwarzen Kindes eingefügt wurden.  Die dilettantische Manipulation fällt ins Auge.  Fraglich ist, ob Steinbach, mit ihrem Tweet konservative Wähler der CDU ansprechen wollte oder einfach nur völlig daneben griff.  Klar ist, der Tweet und die Aufregung darum lassen die Frage in den Hintergrund treten, woher Steinbach ihr Bild überhaupt nahm und ob sie die Urheberin ist.

Unbeholfene Satire über ein überfremdetes Deutschland

Die Szene ist so harmlos wie alltäglich: Eine Gruppe Kinder umringt ein Kleinkind. Die Gesichter zeigen Neugierde und Freude. Objekt ihrer Neugierde ist ein Kind mit leuchtend hellem Haar und blasser Haut. Der Kontrast zwischen der dunkelhäutigen Gruppe und dem hellhäutigen Kind im Fokus könnte deutlicher nicht sein. Das Bild, mit der Unterschrift „Deutschland 2030 –Woher kommst du denn?“ versehen, schickte Erika Steinbach es weiter in die Welt hinaus. Die Intention des Bildes ist eindeutig. Unbeholfene Satire über ein überfremdetes Deutschland, das von Einwanderern übernommen wurde und die „Bio-Deutschen“ zu Fremden im eigenen Land macht.

Die Spurensuche nach der Quelle im Internet führt in das Jahr 2012 zurück. Die noch unkommentierte Aufnahme findet sich dort ab Januar wieder auf zahlreichen ausländischen Seiten. In Foren, wo die User über Vorurteile und Unterschiede diskutieren, über den Moment mit der Begegnung mit dem Fremden. Aber auch auf Blogs, wo einfach nur skurrile und eindrucksvolle Fotos gesammelt werden über das Reisen, über Indien. Auch in schier zusammenhanglosen Galerien findet es sich wieder. Der letztendliche Ursprung ist nur schwer auszumachen. Eine private Momentaufnahme aus dem Urlaub, die zum viralen Erfolg im Internet wurde? Das erscheint zumindest glaubhaft.

Deutschland 2030, Rumänien 2030, Slowakei 2030

Ab Januar 2012 dauerte es nicht lange, bis sich das Foto verbreitete. Resonanz erfuhr es auch schon bald auf politischen Plattformen. Im März symbolisierte es, natürlich mit entsprechender Beschriftung, Rumänien 2030, im April schon die Slowakei 2030. Letztlich fand es auch seinen Weg in die Netzwerke deutscher Rechtspopulisten. Es findet sich im unpolitischen Kontext, auf Internetseiten, wo allerlei gesammelt wird. Das umfasst mehr oder weniger geschmack- und humorvolle Dinge, die durch WhatsApp und Emails im Internet in den Umlauf geraten.

Das von Steinbach gepostete Foto findet sich auf dem Server von „Michael Mannheimer“, mit bürgerlichem Namen Karl-Michael Merkle, ebenso wieder. Merkle ist einer der führenden Köpfe der rechtspopulistischen Internetszene in Deutschland. Auf seiner Seite untertitelt er den Schnappschuss mit der Behauptung, die deutsche Regierung  führe „gegenwärtig einen schleichenden Genozid an den Deutschen“ durch. Auf seiner Seite bezeichnet er „Asylanten als ultimative Waffe gegen Deutsche, die Kölner Silvesternacht nennt er „Sex-Pogrom“.

Sucht man auf anderen Blogs nach dem Bild, taucht man schnell in ein Milieu ein, welches sich schon von vor langer Zeit von der Zivilgesellschaft verabschiedet hat. Das Weltbild dieses Milieus setzt sich aus selektiven Fakten und Verschwörungstheorien zusammen. Die Kanzlerin heißt hier „IM Erika“ und ist Chefin der „BRD GmbH“. Das Deutsche Reich besteht fort und Kondensstreifen von Flugzeugen sind mit Drogen angereicherte Chemtrails. Ein Impressum fehlt selbstverständlich nur, um der Zensur zu entgehen. Die findet sich selbstredend bei der Lügenpresse – man selber klärt dagegen über die „Gutmenscheritis“ auf.

Die genaue Urheberschaft des bearbeiteten Bildes lässt sich nicht auflösen, ebenso wie der Ursprung des Bildes. Die Bundestagsabgeordnete Steinbach jedoch bediente sich aus dem Sammelsurium des Wutbürgertums.