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FOCUS Magazin | Nr. 32 (2012)
REPORT: Mit Honecker beim FKK
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Dienstag, 19.11.2013, 15:59

Der DDR-Staatschef trank Westbier aus der Dose, hüpfte nackt in die Ostsee und hasste Mundgeruch. Jetzt schildert sein früherer Diener Lothar Herzog erstmals die unbekannten Seiten des Despoten

Der Mann hatte mächtige Feinde in aller Welt, seinen größten Gegner bekämpfte er mit einer Biowaffe: Jeden Morgen schlürfte Erich Honecker ein Glas Zitronensaft, pur und ungesüßt. Von der Vitamin-C-Bombe versprach sich der DDR-Staatschef dauerhaften Schutz vor fiesen Grippeviren.

Auch sonst achtete Genosse Honecker penibel darauf, sich keine Krankheiten einzufangen. Unnötigen Körperkontakt vermied er, nach Handschlag-Begrüßungen ging er auf die Toilette und wusch sich. Zwischendurch ließ er sich Feuchttücher reichen, um seine Finger zu säubern.



Die Angst vor Magen-Darm-Infekten verfolgte Honecker bis in den letzten Winkel der Erde. Bei Auslandsbesuchen verschmähte er bis auf ein paar Anstandshappen die kulinarischen Darreichungen des Gastgebers. Oft aß er sich erst an Bord des DDR-Regierungsflugzeugs satt. Auf Reisen nach Afrika musste seine Entourage nicht nur Lebensmittel mitschleppen, sondern auch Luftmatratzen, Kerzen und – man weiß ja nie – Klopapier.

Erich Honecker, ein Bergarbeitersohn aus dem Saarland, der es bis in die Beletage der Weltpolitik geschafft hatte, war ein unsicherer und verklemmter Mensch. Er fürchtete die Weite und alles Fremde. Wohl fühlte sich der Despot zu Hause, im Schutz der Bonzensiedlung Wandlitz. „Er sehnte sich nach vertrauter Umgebung und Geborgenheit“, sagt Lothar Herzog, zwölf Jahre lang engster Begleiter des Diktators.


Herzog, ein 1,84 Meter großer Rentner mit grauen, abstehenden Haaren, war von 1972 bis 1984 Honeckers privater Diener. Offiziell gehörte der Stasi-Hauptmann zum Trupp der Personenschützer, Monatsverdienst 1800 Ostmark. Tatsächlich agierte Herzog als eine Art sozialistisches Mainzelmännchen. Er kredenzte dem Ost-Regenten Spiegeleier zum Frühstück, reichte ihm Mundwasser gegen muffigen Atem, begleitete ihn in den Urlaub und auf Staatsreisen.

18 Jahre nach Honeckers Tod und pünktlich zu dessen 100. Geburtstag am 25. August erscheinen die Erinnerungen Herzogs als Buch („Honecker privat. Ein Personenschützer berichtet“, Verlag Das Neue Berlin). Auf knapp 200 Seiten beschreibt der ehemalige Butler den Aufstieg seines Vorgesetzten an die Spitze eines Regimes, das sein Volk einsperrte, bespitzelte und schikanierte.

Über den gescheiterten Politiker („Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“) ist so ziemlich alles gesagt und geschrieben worden. Über den Privatmann Honecker weiß Herzog neue Details zu berichten, und die sind alles andere als schmeichelhaft.

Der Angestellte lernte Honecker als spröden, unnahbaren und phasenweise widerlichen Vorgesetzten kennen, der seinen Untertanen mit Geringschätzung strafte. Die Ignoranz ging so weit, dass er mit dem getreuen Diener kein einziges persönliches Wort wechselte – über all die Jahre hinweg. Herzog: „Er registrierte zwar täglich meine Anwesenheit, aber er nahm mich nicht als Person wahr.“

So hölzern wie Honecker bei offiziellen Anlässen wirkte, so hölzern war er meist auch privat. „Er zeigte nie Gefühle“, sagt Herzog. „Eine Stimmung war bei ihm kaum auszumachen.“ Erst nach der Geburt seines Enkels Roberto 1974 sei er „menschlicher und milder“ geworden.

Als einer der wenigen bekam der Privatassistent mit, wie es um die Ehe Honeckers mit seiner 15 Jahre jüngeren Frau Margot bestellt war. Das Verhältnis zwischen beiden sei „ein wenig distanziert“ gewesen, meint Herzog. „Ein turtelndes Liebespaar waren sie nicht.“

Während Honecker sein Volk mit rigider Kommandowirtschaft an der kurzen Leine hielt, mangelte es ihm selbst an nichts. Er trank Importbier (am liebsten Dortmunder DAB aus der Büchse), strich Langnese-Honig aufs Brötchen und schlürfte mit Vorliebe Nescafé. Jeden Morgen ließ er sich ausgiebig massieren.

Obwohl er über alle denkbaren Privilegien verfügte, war Honecker unfähig, das Leben zu genießen. Das Essen zum Beispiel musste nur drei Bedingungen erfüllen: einfach, heiß und deutsch. Honecker aß extrem schnell, am liebsten Kassler, Bouletten und Bratwurst. Nicht nur am Tisch bewies er ein erstaunliches Maß an Eintönigkeit, sein ganzes Leben muss recht langweilig gewesen sein. Jeden Abend schaute Honecker fern (natürlich die „Tagesschau“), dann nickte er ein.

Der Hut- und Hornbrillenträger besaß keine Fahrerlaubnis, in technischen Fragen war er eine Niete. Als er einmal am Steuer eines Motorboots über den Döllnsee rauschte, hing der Geruch von verbranntem Gummi in der Luft: Der Freizeitkapitän hatte Gaspedal und Bremse gleichzeitig durchgetreten.

Bei Urlauben auf der Ostseeinsel Vilms frönte Honecker der Freikörperkultur (FKK). Schob der Staatsführer seinen nackten Leib in die Wellen, achtete er darauf, dass niemand ihn beobachtete. Sah Herzog den Chef dann doch mal entblößt am Ufer liegen, wendete er sich schnell wieder ab. „Zu viel wollte man auch gar nicht sehen.“

Nachdem der Butler 1984 in Ungnade gefallen war – er hatte sich abfällig über Honeckers Hund geäußert -, servierte ihn der Chef eiskalt ab, ohne Dank, ohne Händedruck. Nur mit Glück fand Herzog einen neuen Job als Ober im Palast der Republik, nach dem Mauerfall kellnerte er im Berliner Kongresszentrum ICC.

Sein Rausschmiss als oberster Lakai der DDR grämt den 68-Jährigen bis heute. Zu Lebzeiten Honeckers hätte er sich nicht getraut, Privates über seinen Boss auszuplaudern. „Ich war immer loyal“, sagt Herzog. Aufregen könnte sich jetzt nur noch Honeckers Frau. Herzog: „Margot wird mein Buch sicherlich lesen.“

»Er zeigte nie Gefühle. Eine Stimmung war bei ihm kaum auszumachen« Lothar Herzog, Honeckers Ex-Butler
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