Paare an der Macht: Wie das Erich und Margot Honecker über Jahrzehnte gelungen ist

Paare an der Macht: Wie das Erich und Margot Honecker über Jahrzehnte gelungen ist

Ein Power-Paar im politischen Berlin gab es schon vor Kai Wegner und Katharina Günther-Wünsch. Überraschende Parallelen und Geschichten aus dem Hause Honecker.

Erich Honecker, der Mann an der Spitze, und Margot Honecker, die Bildungsministerin. Das Foto ist mutmaßlich Anfang der 1970er-Jahre entstanden.
Erich Honecker, der Mann an der Spitze, und Margot Honecker, die Bildungsministerin. Das Foto ist mutmaßlich Anfang der 1970er-Jahre entstanden.imago images

Das kennen wir doch: Eine lebenslustige Ostdeutsche regiert das Bildungswesen; sie ist liiert mit dem Regierenden, einem Wessi mit einigen Exen, auch kein Kind von Traurigkeit. Wir reden hier nur assoziativ vom aktuellen Power-Paar der Berliner Welt – der Sächsin Katharina Günther-Wünsch, Bildungssenatorin, und dem West-Berliner Wegner, Kai, Regierender Bürgermeister von Berlin. Die unlängst beschlossen haben „eine Beziehung einzugehen“ und seit gestern mit einer „Liebes-Klausel“ abgesichert ihre Ämter weiter versehen wollen.

So hielten es weiland Margot Honecker aus Halle an der Saale und Erich Honecker aus Saarbrücken. Sie war von 1963 bis 1989 DDR-Volksbildungsministerin und gehörte dem Zentralkomitee der SED an. Er gelangte 1971 an die Spitze der führenden Partei SED und damit an den größten Hebel der Macht. Geheiratet hatten Margot und Erich 1953 nach Jahren wilder Ehe voller Leidenschaft. Die 15 Jahre jüngere war seine dritte Frau. Ihre Vorgängerin mühte sich vergeblich, die Liaison durch Intervention an höchster Stelle zu beenden. Doch die DDR-Oberen brachten schließlich genügend Verständnis auf – und die Liebe war stärker. Was man jetzt wieder sieht.

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Margot und Erich blieben ein Paar, bis dass der Tod Erichs 1994 sie nach mehr als 40 Jahren schied. Wie haben sie das geschafft – als öffentliche Leute, er als Chef und sie als Unterchefin? Zu beobachten war: Sie machte ihr Ding, er seins – und zwar auf der Basis der gemeinsamen sozialistischen Grundüberzeugung.

Wichtig ist, miteinander reden zu können: Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister, und Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin.
Wichtig ist, miteinander reden zu können: Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister, und Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin.Jörg/Carstensen

Reibungslos ging das nicht, und manchmal ging es um echte Staatsaffären. Ein langjähriger Kenner der DDR-Politszene und der Familie Honecker, in den letzten Jahren der DDR auch Nachbar in der Politbürosiedlung, Egon Krenz, plaudert in seinen jüngst erschienenen Memoiren aus dem Nähkästchen – zum Beispiel diese Geschichte: 1976 sollte SED-Generalsekretär Erich Honecker auch Staatsratsvorsitzender werden, also Staatsoberhaupt der DDR. Als Margot davon hörte, schrieb sie, so Krenz, einen Protestbrief an das Politbüro. Sie sei gegen eine Vereinigung beider Positionen. Krenz zitiert aus dem Schreiben: „Sollte dies allerdings schon feststehen, könne sie ihr Amt als Volksbildungsministerin nicht mehr souverän ausüben. Sie wolle nicht die Rolle einer begleitenden Gattin des Staatschefs wahrnehmen. Eine First Lady könne und wolle sie nicht sein.“

Als das Problem im Politbüro erörtert wurde, habe Erich Honecker geschwiegen, alle Redner hätten Margots Gesuch abgelehnt. Kurt Hager sei beauftragt worden, sie zu bitten, den Brief zurückzuziehen. Das tat sie, blieb im Amt und „wurde nicht zum Anhängsel ihres Mannes degradiert“ (Zitat Krenz).

Frauenprogramme machte sie nicht, was später noch zu einem Thema in der Familie Krenz werden sollte: Als Raissa Gorbatschowa, die populäre Ehefrau des sowjetischen Staats- und Parteichefs ihren Mann 1986 zum Staatsbesuch in die DDR begleitete, wurde Erika Krenz zur Ehrenbegleiterin ernannt. Die Lehrerausbilderin protestierte: „Wieso macht das Margot nicht? Sie muss es ja nicht als Ministerin machen, sondern einfach als Genossin Honecker.“ Sie erledigte die Aufgabe schließlich doch – mit Charme und Klugheit.

Sie war gleicher als die anderen

Margot Honecker war offiziell anderen Ministerkollegen gleich – und doch gleicher als andere. In der Berliner Zeitung (und sicherlich nicht nur dort) galt die von oben ausgegebene Protokollregel: Wenn die Nachrichtenagentur ADN eine Aktivität der Ministerin meldet, dann steht das ganz oben auf der für Protokollmeldungen vorbehaltenen Seite 2. Sonst wurden die Politbüro- und ZK-Mitglieder in der Regel alphabetisch von oben nach unten platziert.

Der Palast der Republik wird am 23. April 1976 der Öffentlichkeit übergeben: Mit einem Tanz eröffnen Erich Honecker und seine Gattin Margot (M.) die Feier.
Der Palast der Republik wird am 23. April 1976 der Öffentlichkeit übergeben: Mit einem Tanz eröffnen Erich Honecker und seine Gattin Margot (M.) die Feier.dpa

Helga Labs, 1974 bis 1985 Vorsitzende der Pionierorganisation, will beobachtet haben, dass Margot Honecker in der Ehe die Dominierende war: „Sie war die Intelligentere und hat die Linie bestimmt – in der Ehe wie in der Politik.“

Immer wieder gab es in den Ehejahren Gerüchte – in Westmedien freudig verbreitete, aber auch solche von „vermeintlich gut informierten Gerüchtemachern im eigenen Haus“, wie Egon Krenz berichtet. Honecker nutzte die Mittagessen-Runde der Politbüromitglieder im Restaurant des ZK-Gebäudes im siebten Stock gelegentlich zu Klarstellungen über seine angeblich zerrüttete Ehe mit Margot oder über ein angebliches Verhältnis mit einer Ärztin. Krenz, Teilnehmer der Tafelrunde, schreibt dazu: „Dass ihm nichts Menschliches fremd war, wussten alle, die ihn seit FDJ-Zeiten kannten.“ Doch dunkle Punkte in seiner Lebensführung, seien nie bekannt geworden: „Seine Ehe mit Margot mag ihre Probleme gehabt haben, nach so vielen Ehejahren sicherlich nicht ungewöhnlich.“ Er habe beide sehr lange und sehr gut gekannt, „aber eine Zerrüttung nie bemerkt“.

Margot Honecker trat am 20. Oktober 1989 nach schwerer Kritik von ihrem Amt zurück. Erich Honecker wurde am 17. Oktober 1989 von Egon Krenz und Politbürogenossen gestürzt.

Während der Montagsdemonstration in Leipzig am 20. November 1989 schrie ein Redner ins Mikrofon (so berichtete der Spiegel), das ZK hätte in der Karibik eine Insel gekauft, Honecker hätte sich in der Schweiz operieren lassen und Egon Krenz für 400.000 Dollar in den USA. Die Partei hätte Ferienheime auf Mallorca, Margot Honecker würde einmal die Woche in die Schweiz zum Kaffeetrinken fliegen und einmal im Monat nach Paris zum Friseur. Selbst der Spiegel hielt das für Unsinn. In jüngster Zeit hat man zum Beispiel bei Corona- oder bei anti-israelischen Demonstrationen erleben können, was von aufgeregten Leuten behauptet wird – und welchen Wahrheitsgehalt das hat. Man hatte fast vergessen, dass es solche Auftritte auch während der Friedlichen Revolution gab.

Am Ende vereint

Erich und Margot Honecker fanden nach ihrem tiefen Fall als Ehepaar wieder eng zusammen – sie stand ihm während seiner Krankheit zur Seite, in der Zeit, als sie in den Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal bei Bernau im Haus von Pastor Uwe Holm Zuflucht fanden, während der Haft und im Exil.

So viel Drama wünscht dem starken Paar K & K heute keiner. Und wenn Frauen an die Spitze wollen und sollen, müssen halt alte Regeln neu besprochen werden. Man beobachtet gespannt die Entwicklung.