Margot Honecker: Die meistgehasste Frau der DDR - WELT
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Politik Margot Honecker

Die meistgehasste Frau der DDR

Leitender Redakteur Geschichte
Im SED-Staat sah sie ihre Hauptaufgabe darin, die Jugend auf Parteilinie zu bringen. Seit vielen Jahren lebt sie zurückgezogen in Chile. Heute wird Margot Honecker 80 Jahre alt.

Man nannte sie die „blaue Eminenz“. Der Beiname spielte allerdings nicht an auf eine Neigung zum Alkohol, sondern auf die Haartönung von Margot Honecker, die ihr Frisör seit den siebziger Jahren verwendete. Als einmal die Ehefrau eines anderen Politbüro-Mitglieds mit einem ähnlichen Farbton auftrat, soll die „First Lady“ der DDR empört gewesen sein. Doch wie bei vielen Details im Leben der einst mächtigsten Frau des SED-Regimes ist auch diese Anekdote nicht eindeutig belegt. Heute kann Margot Honecker ihren 80. Geburtstag begehen. Es dürfte kein besonders fröhliches Fest werden, denn sie trauert immer noch „ihrem Staat“ unversöhnlich nach.

Doppeldeutiger Spitzname: "Miss Bildung"

Margot Honecker, geborene Feist, gehörte in der Führungsschicht der ostdeutschen Diktatur zu den legendenumwobenen Personen: Niemand wusste, wie viel Einfluss sie auf ihren Mann, den SED-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, wirklich hatte – die Vermutungen reichten von „gehörnter Ehefrau“ bis hin zur „eigentlichen Machthaberin“.

Geboren 1927 als Tochter eines Schumachers und einer Fabrikarbeiterin, wuchs Margot Feist in einfachen Verhältnissen auf. Sie absolvierte die Volksschule und machte danach eine Ausbildung als kaufmännische Angestellte. Ihre frühzeitig beendete Schulzeit brachte ihr später – selbstverständlich nur hinter vorgehaltener Hand – den doppeldeutigen Spitznamen „Miss Bildung“ ein.

Margot Feist heiratete für die Karriere genau den richtigen Mann

Schon 1945, mit gerade einmal 18 Jahren, traf Margot Feist die wichtigste Entscheidung ihres Lebens: Sie trat der eben neugegründeten KPD bei. Hier und in der Nachfolgepartei SED machte sie schnell Karriere: 1946 Mitglied des Sekretariats des SED-Jugendorganisation FDJ in Halle, 1948 Funktionärin des Zentralrates der FDJ, ab 1949 Abgeordnete der Volkskammer. Nach nur fünf Jahren als Parteimitglied stieg Margit Feist 1950 zur Kandidatin des ZK der SED auf: Weiblich, jung und offiziell noch ledig, hatte sie gute Aussichten in der DDR.

Dazu trug nicht zuletzt ihre Beziehung zu FDJ-Chef Erich Honecker bei. Bereits während ihrer politischen Arbeit in Halle hatte Margot ihn kennen gelernt. Obwohl der SED-Funktionär noch verheiratet war, wurden Margot Feist und Honecker ein Paar; im Dezember 1952 wurde die gemeinsame Tochter Sonja geboren. Nach Honeckers Scheidung von seiner ersten Frau heirateten sie 1953.

Margot Honeckers Karriere ging weiter steil bergauf: Von 1955 bis 1958 leitete sie ein Referat in der Hauptabteilung Lehrerbildung im Volksbildungsministerium, 1958 wurde sie stellvertretende, 1963 ordentliche Ministerin für Volksbildung. Sie blieb bis Anfang November 1989 in diesem Amt.

Sie setzte den Wehrkunde-Unterricht durch

Mit dem Aufstieg ihres Mannes zu Walter Ulbrichts Nachfolger 1971 wurde Margot Honecker die prominenteste, zugleich aber auch meistgehasste Frau der DDR. Unter den vielen Entscheidungen, mit denen sie das Bildungssystem und damit die ostdeutsche Jugend auf Parteilinie zu bringen versuchte, ragt die Einführung des Wehrkunde-Unterrichts 1978 heraus. Er bedeute eine tief greifende Militarisierung der ostdeutschen Gesellschaft, denn genauso wie der Wehrdienst konnte das Pflichtfach Wehrkunde (einschließlich des Übungsschießens mit Luftgewehren und Maschinenpistolen sowie „Wehrlagern“) nicht verweigert werden.

Da die „Grundlagen der sozialistischen Landesverteidigung“ gelehrt wurden, war das Fach zugleich eine Erziehung zum Hass auf die Bundesrepublik. Repressionen gegen Schüler, die sich gegen diesen Unterricht äußerten, waren alltäglich. Besonders die Kirchen protestierten gegen dieses Unterrichtsfach, drangen damit jedoch nicht durch: Bis 1989 blieb Wehrkunde verpflichtend in allen neunten und zehnten Klassen der DDR-Oberschulen. Allerdings beförderten die weitgehende Ablehnung dieses Zwangsunterrichts die Bildung von kirchlichen und anderen Friedensgruppen; ohne Wehrkunde hätte es möglicherweise länger gedauert, bis in der DDR eine eigenständige Friedensbewegung von unten entstanden wäre.

Chile nimmt keine Notiz von ihr

Mit der friedlichen Revolution in der DDR 1989 ging Margot Honeckers Laufbahn zu Ende. Zusammen mit ihrem Mann verließ sie gezwungenermaßen die Politbüro-Siedlung Wandlitz und musste ausgerechnet bei der evangelischen Kirche um Asyl bitten. Am 11. Dezember 1991 flüchteten die Honeckers dann in die chilenische Botschaft nach Moskau. Während ihr Mann ein halbes Jahr später an die deutschen Behörden ausgeliefert wurde, dufte Margot zu ihrer in Chile lebenden Tochter Sonia ausreisen. Hierher kam auch ihr Mann, nach einigen Wochen Prozess wegen der Toten an der Mauer.

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Gegen Margot Honecker ermittelte die bundesdeutsche Justiz wegen erzwungener Adoptionen der Kinder von Regimekritikern und Flüchtlingen. Allerdings wurde das Verfahren im Frühjahr 1994 eingestellt – die Taten waren teilweise verjährt, weil sie innerhalb weniger Monate nach dem Ende des SED-Regimes hätten angezeigt werden müssen, um nach den Prinzipien des Rechtsstaates noch verfolgt werden zu können, teilweise nicht mit Aussicht auf Erfolg nachweisbar, was jedoch Voraussetzung für eine Anklageerhebung ist. Außerdem Margot Honecker damals schon längst in Chile, wo sie seither in der Regel zurückgezogen lebt.

Die chilenische Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz von Margot Honecker, die seit 1992 in einem Haus in einem Nobelviertel von Santiago lebt, das ihr Mann noch nach 1989 erwarb, als seine Konten eigentlich schon gesperrt waren. Marta Lagos, die Direktorin der angesehenen Umfragefirma „Latinobarometro“, sagt: „Es ist eigentlich so, als ob es sie hier gar nicht gäbe“.

Sie erklärt das mit den Auflagen, die die chilenische Regierung dem Ehepaar Honecker Anfang der Neunzigerjahre machte: „Man hatte ihnen gesagt, dass sie keinerlei öffentliche Rolle spielen dürften und sich mit Äußerungen jeder Art zurückhalten müssten.“ Frau Honecker wird betreut von ihrer Tochter Sonja, die in der DDR einen chilenischen Flüchtling geheiratet hatte, Leo Yánez Betancourt. Deren gemeinsamer Sohn Roberto Yánez y Honecker lebte eine Zeit lang bei seiner Großmutter in Santiago.

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