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Humes Gesetz

Prof. Dr. Gerhard Streminger

veröffentlicht am 09.05.2024

Weitere Schreibweise: Humesches Gesetz

Synonym: Sein-Sollen-Dichotomie

Englisch: Hume´s law

Das Humesche Gesetz sagt aus, dass aus vorfindlichen Tatsachen nicht geschlossen werden kann, dass diese auch ethisch gut oder schlecht oder dass sie ästhetisch wertvoll oder hässlich sind.

Überblick

  1. 1 Inhalt des Humeschen Gesetzes
  2. 2 Bedeutung des Humeschen Gesetzes
  3. 3 Quellenangaben

1 Inhalt des Humeschen Gesetzes

Im Humeschen Gesetz wird behauptet, dass aus einem Sein kein Sollen zu erschließen ist. Oder allgemeiner formuliert: Aus Tatsachen können keine ethischen (oder ästhetischen) Werte abgeleitet (deduziert) werden.

Ausgangspunkt der Überlegungen David Humes ist die Beobachtung, dass Moralphilosophen häufig davon ausgehen, allein mithilfe des Verstandes können aus empirischen Tatsachen moralische Unterscheidungen abgeleitet werden. Hume ist dem entgegen der Ansicht, dies sei ein Fehlschluss: In Wirklichkeit lasse sich aus empirischen Informationen allein nicht folgern, was richtig oder unrichtig sei, was zu tun sei oder nicht.

Die entscheidende Passage, in der Hume seine grundlegenden Bedenken formuliert, findet sich im dritten Buch des Treatise of Human Nature (Teil 1, Abschnitt 1) von 1740:

„Ich denke etwa an den absichtlichen Mord. Betrachtet denselben von allen Seiten und seht zu, ob Ihr das […] finden könnt, was Ihr Laster nennt. Wie Ihr das Ding auch ansehen möget, Ihr findet nur gewisse Affekte, Motive, Willensentschließungen und Gedanken […]. Das ‚Laster‘ entgeht Euch gänzlich, solange Ihr nur den Gegenstand betrachtet. Ihr könnt es nie finden, sofern Ihr nicht Euer Augenmerk auf Euer eigenes Innere richtet, und dort ein Gefühl von Missbilligung entdeckt“ (Hume 1978, S. 210 f.)

Die Ereignisse in der Welt seien, so Hume, nicht an sich, also ohne Zutaten des betrachtenden Subjekts, gut oder böse, verachtenswert oder hässlich. Das Kriterium der Bewertung befinde sich nicht außerhalb des Subjekts, sondern nur innerhalb desselben. Hinter jeder Bewertung eines Gegenstandes steckt somit nicht nur eine Beobachtung, sondern auch ein aktives, oft unbewusstes Zutun der Betrachtenden. Diese beurteilten die Welt positiv oder negativ, je nach Bildung, Wünschen und Interessen.

2 Bedeutung des Humeschen Gesetzes

Weil aus einem Wissen über die Welt keine Werte ableitbar sind – so Hume –, kann uns die Wissenschaft zwar über das Sosein belehren und uns in der Entscheidungsfindung, auf der Suche nach den besten Mitteln, unterstützen. Aber da aus deskriptiven Beschreibungen keine normativen Anleitungen gefolgert werden könnten, lasse die Wissenschaft uns im Dunklen, was zu tun sei oder nicht. Sie lässt alles so, wie es ist, und entwirft im besten Fall mögliche Strategien.

Das Werten gehört offensichtlich einer anderen Erkenntnisprovinz an als das Feststellen von Tatsachen. Im obigen Mord-Beispiel ist das Eruieren von Fakten die Aufgabe der Exekutive und von alldem, was heutzutage zur genauen Bestimmung derartiger Ereignisse gehört. Aber die Bewertung des Mordes ist etwas anderes: Sie ist im besten Fall das Ergebnis der Bemühungen von Menschen, die eine Richterposition einnehmen und sich an den Regeln und Normen der Gesellschaft sowie am Wert der Unparteilichkeit orientieren.

Jene Vermögen, mit deren Hilfe wir erkennen können, was ‚wahr‘ und ‚falsch‘ ist, sind somit andere als jene, die uns bewusst machen, was daran ‚gut‘ und ‚böse‘ sein soll. Dass in zeitgenössischen englischsprachigen Qualitätszeitungen strikt zwischen dem Report, also der Darstellung der Ereignisse, und dem Kommentar, also der Einbettung des Geschehenen in einen größeren Bedeutungszusammenhang, unterschieden wird, ist nicht zuletzt Humes Einfluss zu verdanken.

3 Quellenangaben

Hume, David, 1978. Ein Traktat über die menschliche Natur. Buch II und III, Hamburg: Meiner. ISBN 978-3-7873-2436-1

Verfasst von
Prof. Dr. Gerhard Streminger
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Zitiervorschlag
Streminger, Gerhard, 2024. Humes Gesetz [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 09.05.2024 [Zugriff am: 31.05.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29276

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