Wie der Kaufhauserpresser zum Medienstar wurde
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Uckermärkische Bühnen Schwedt

Wie der Kaufhauserpresser zum Medienstar wurde

Schwedt / Lesedauer: 3 min

Arno Funke ist vielen Menschen noch ein Begriff. "Dagobert" erpresste 1,4 Millionen Mark von Karstadt. Am Sonntag erzählte er seine spannende Lebensgeschichte in Schwedt.
Veröffentlicht:09.04.2024, 11:00

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Neun Wochen vor der großen Premiere auf der Odertalbühne in Schwedt hat sich Baron Münchhausen in Schale geworfen und schaute bei einer Sonntagsmatinee der Uckermärkischen Bühnen vorbei. Das Kostüm mit den güldenen Knöpfen steht Schauspieler Michael Kuczynski ausgesprochen gut. Den hochmütigen Blick des Adels hat er sich gerade antrainiert.

Doch die Show stahl ihm ein Mann aus dem Volke, nämlich Arno Funke, vielen besser bekannt als Kaufhauserpresser Dagobert. Die Schwedter Theaterleute hatten ihn zur Matinee eingeladen, um mit ihm über Lügen und Leidenschaft, Traum und Tragik zu plaudern. Themen, die auch Münchhausens Märchenwelt ausmachten.

Der Baron und sein Regisseur: Michael Kuczynski und Lars Franke stehen vor dem Modell für das Bühnenbild zum Musical „Die neuen Abenteuer des Baron Münchhausen“.
Der Baron und sein Regisseur: Michael Kuczynski und Lars Franke stehen vor dem Modell für das Bühnenbild zum Musical „Die neuen Abenteuer des Baron Münchhausen“. (Foto: Eva-Martina Weyer)

Lügenreife Reisen

Das Musical „Die neuen Abenteuer des Baron Münchhausen“ erlebt am 8. Juni auf der Freilichtbühne hinter dem Theater seine Uraufführung. Den Münchhausen-Stoff gibt es schon eine Weile, Filme und Theaterstücke auch – aber wohl noch kein einziges Musical. Die Schwedter Theatermacher haben es „erfunden“ und schicken Münchhausen auf seiner lügenreifen Reise in die Steinzeit, nach Ägypten und zum Mond.

Vier Komponisten haben die Musik komponiert, die von Country bis zum Rock ’n’ Roll reicht. „Sie dürfen was erwarten“, wandte sich Dramaturg Benjamin Zock an die Zuhörer. Er führte durch die kurzweilige Vormittagsstunde.

Regisseur Lars Franke hat in Schwedt schon mehrere Open-Air-Stücke auf die Bühne gebracht. Bei der jetzigen Arbeit am „Münchhausen“ gefalle ihm die Gratwanderung zwischen Lüge und Wahrheit. Und dies waren die Stichworte für Arno Funke. Dass er mal Kaufhauserpresser würde, sei einem Chemiebaukasten geschuldet, den er als Kind geschenkt bekam und mit dessen Hilfe er manche Rakete im elterlichen Garten habe steigen lassen.

Hielt die Polizei zum Narren

Nach Lebensstationen als DJ und Reklamemaler an Hausfassaden und Autos habe er wohl zu viel Lösungsmittel eingeatmet, vermutete Funke. Er wurde zum Kaufhauserpresser, hielt ab 1992 zwei Jahre lang die Polizei zum Narren mit seinen Versuchen, 1,4 Millionen Mark vom Karstadt-Konzern zu erpressen. Mit trickreichen technischen Tüfteleien und geplatzten Geldübergaben spielte er Katz und Maus mit der Polizei.

Rund 30 Geldübergabeversuche

Rund 30 Geldübergabeversuche, bei denen er die Polizei per Funk in die Irre führte, scheiterten. „Die Inspiration dafür habe ich mir nicht bei Münchhausen geholt, sondern sie ist in mir“, sagte er völlig uneitel. „Ich habe das Agieren der Polizei immer mit reingenommen in meine Pläne.“

Erpresser wurde zum Medienstar

Als Funke nach der ersten Erpressung genug Geld hatte, sei er zum Arzt gegangen. Der habe bei ihm eine leichte Hirnschädigung vermutlich wegen der Lösungsmittel beim Lackieren festgestellt. „Mein Zustand war, als wäre ich zugedröhnt.“ Dies habe ihm später geholfen, dass das Gericht ihm eine verminderte Schuldfähigkeit zusprach. Spätestens da war Arno Funke ein Medienstar.

Im Gefängnis hat er über sechs Jahre abgesessen. Egon Krenz und Erich Mielke seien ihm dort begegnet. Noch im Knast habe der „Eulenspiegel“ angefragt, ob er nicht für das Blatt zeichnen wolle. Dagobert, pardon Arno Funke, wollte. Denn Zeichnen war sein Ding von Kindheit an, neben den Naturwissenschaften.

„Ein Stasi-Mitarbeiter hat mir im Gefängnis erklärt, wie ich hervorragenden Sprengstoff bauen kann, aber ich habe alles vergessen“, erzählte er. Oder war’s geflunkert? Mit manchen Polizisten treffe er sich heute noch. Sie begegneten ihm mit einem gewissen Respekt. Das Dunkle seines Charakters schien vergessen und verziehen. Und so hatte Funke auch in der Sonntagsmatinee meist die Lacher auf seiner Seite.

Kein Scherz und keine Lüge: Der Kartenvorverkauf für das Musical hat bereits begonnen. Telefon: 03332 538111