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"Mich erkennt zum Glück fast nie jemand"

Edmund Stoiber will Kanzler werden. Wie geht die älteste Tochter Constanze damit um? WELT am SONNTAG besuchte die junge Mutter

Kinder sind anstrengend. Ihre Söhne Johannes und Benedict ganz besonders, sagt Constanze Hausmann. Bei schönem Wetter nutzt sie deshalb jede freie Minute, um mit den Buben zum Spielplatz hinterm Haus der Kunst zu gehen. Der liegt knapp zehn Minuten von ihrer Wohnung entfernt mitten im Grünen. Hier sind die Kleinen beschäftigt, kurze Verschnaufpause für die junge Mutter.

Die 31-jährige Tochter des bayerischen Ministerpräsidenten und Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber ist geschafft. Der dreijährige Johannes hat schlecht geschlafen, reibt sich die rotgeränderten Augen. Dann entdeckt er das Schaukelpferd, rennt los. Sein einjähriges Brüderchen lutscht währenddessen auf Mamas Arm zufrieden an einem Stück Brezn.

Vater Edmund Stoiber, der jetzt in Berlin Kanzler werden will, erlebt am Beispiel seiner Tochter hautnah mit, dass es junge, moderne Mütter oft nicht leicht haben. Enkel Benedict war mit einer Lebensmittelallergie auf die Welt gekommen, musste im Krankenhaus behandelt werden. Der Säugling litt unter Hautausschlag. Blutige Wunden quälten ihn am ganzen Körper.

Während Bruder Johannes in einer Kinderkrippe untergebracht war, fuhr die besorgte Mutter täglich mit der U-Bahn in die Klinik, um bei ihrem Baby zu sein. Die Hausarbeit blieb liegen, für eine Hilfe fehlte das Geld. Manchmal hatte Constanze Hausmann nicht mal Zeit "so elementare Dinge zu erledigen wie Haare waschen". Das zerrte an Nerven und Kräften. "Ich hatte sehr abgenommen, musste in der Stillzeit eine spezielle Diät machen, damit die Ärzte herausfinden konnten, auf was Benedict allergisch reagiert." Nach einem halben Jahr ging es ihm endlich besser.

Keiner könne ihr mehr erzählen, was Anstrengung wirklich bedeutet, sagt Constanze Hausmann rückblickend. Denn sie war ganz auf sich allein gestellt. Ihr Mann Jürgen, 34, ist oft tagelang auf Geschäftsreise.

Für unser Treffen heute hat sie statt kinderfreundlicher Jeans samt T-Shirt ein sommerlich-modisches Outfit gewählt. Das lange, weißblonde Haar schmeichelt ihren schmalen Gesichtszügen mit den sorgfältig nachgezogenen Augenbrauen, der hohen Stirn, Vaters Stirn. Lila Lippenstift, farblich abgestimmt auf die elegante Sonnenbrille, betont den vollen Mund.

Constanze Hausmann spricht ruhig, überlegt, ohne große Gesten. Erzählt die 31-Jährige über ihre beiden Buben, wirkt sie wie deren große Schwester. Die Rolle ist ihr nicht fremd: Sie ist das älteste der Stoiber-Kinder. Von Schwester Veronica, kurz "Vroni" genannt, trennen sie sechs, von Bruder Dominic, Patenonkel ihres ersten Sohnes, sogar neun Jahre.

Mindestens einmal im Monat versuchen die Geschwister, sich mit den Eltern im oberbayerischen Wolfratshausen zu treffen. Das sei vor allem für ihre Kinder schön, sagt die Älteste, "denn da draußen gibt es einen schönen Garten mit Planschbecken". Die eigene Vier-Zimmer-Mietwohnung in der Münchner Innenstadt habe leider keinen Balkon.

Mehr Platz könnte die junge Familie gut gebrauchen, aber ein Umzug ist finanziell zurzeit nicht drin. Unternehmensberater Jürgen Hausmann, mit dem Constanze Stoiber verheiratet ist, hat sich vor kurzem selbstständig gemacht.

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Kennen gelernt hat sich das Paar bei Unternehmensberater Roland Berger, als die angehende Anwältin dort die letzte Station ihres Referendariats absolvierte. Es dauerte nicht lange, bis bei einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden und nach einigen Gläsern Wein das Thema Heirat zur Sprache kam. "Ja, wann denn eigentlich?", fragte Constanze ihren Jürgen - keine sechs Monate später, am 28. Dezember 1998, war Trauung.

Die Ministerpräsidenten-Tochter ist eine Frau mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein, die nicht lange zögert, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Das muss in den Genen liegen. Bereits acht Monate nach der Hochzeit kam Sohn Johannes, ein "nicht geplantes Wunschkind", zur Welt. Am Heiligen Abend hatte das Paar sein Geheimnis gelüftet. Constanze Hausmann erinnert sich: "Wir hatten eine Karte mit Engelchen gebastelt und ein Ultraschallbild hineingeklebt. Meine Mutter ist vor Freude in Tränen ausgebrochen." Vater Edmund reagierte zunächst eher verhalten. Sie vermutet, er habe sich an die Neuigkeit, seine Älteste werde jetzt eine eigene Familie gründen, erst gewöhnen müssen. Dass ihr Vater jetzt eine 28-Jährige, die unverheiratete Mutter Katherina Reiche, als Verantwortliche für Familienpolitik in sein Kompetenzteam berufen hat, findet ihren ungeteilten Beifall: "Ich kenne die Probleme junger Mütter aus eigener Erfahrung."

Mit einem dritten Kind will sie warten, denn ihr Nachwuchs fordert schon jetzt viel Kraft: Gegen sieben sitzt das junge Ehepaar, wenn der Vater zu Hause ist, mit den Buben auf dem Wohnzimmer-Sofa, dann gibt's warme Milch für die Kleinen. Gefrühstückt wird bei Hausmanns nicht. Gegen halb zehn machen sich Mutter und Kinder auf den Weg zur Bäckerei, kaufen dort frische Brezn, ein liebgewordenes Ritual. Johannes darf dann unter Aufsicht des Bäckermeisters in der Stube beim Teigkneten zusehen. "Hier hat anfangs keiner gewusst, wer wir sind", sagt Constanze Hausmann mit verschmitztem Lächeln.

War Wunsch nach Anonymität, dem unauffälligen Leben, ein Grund, den Namen des Ehemanns anzunehmen? Nein, das gehöre zu einer Ehe, sagt sie. Ein Doppelname kam nie infrage; das sei "pseudo-emanzipiert". Zudem: "Ich habe meinem Mann, der evangelisch ist, gesagt: Ich nehme deinen Namen an, dafür werden unsere Kinder katholisch getauft." Da ist sie wieder, die Durchsetzungskraft.

Gerne würde die Vollzeit-Mutter wieder Geld hinzuverdienen, schließlich ist das Leben in München teuer: das Kindergeld reicht gerade für Babynahrung und Windeln, selbst wenn sie ein Mal im Monat das Maxi-Super-Spar-Pack kauft. Dazu vier Paar Schuhe für Johannes allein dieses Jahr. Kinder wachsen schnell.

Ihre Söhne erzieht Constanze Hausmann mit liebevoller Strenge. Viel Geschmuse ist nicht ihre Sache. Dafür wären die zwei wohl auch zu lebhaft. Johannes fordert rund um die Uhr volle Aufmerksamkeit. Programm von früh bis spät: Vorlesen, Legosteine zusammensetzen, malen, puzzeln. Eifersüchtig wird er nur, wenn Baby Benedict angekrabbelt kommt und den Legoturm des Bruders fröhlich in Einzelteile zerlegt. Dann schimpft der Ältere: "Mama, tu den Bene wieder in den Laufstall."

Dass ihr Großer gerne mal im Mittelpunkt steht, konnte seine Mutter vor kurzem bei der Eröffnung des Legolands in Günzburg feststellen. Ein Tross von Fotografen und Kameramännern hatte Großvater Edmund und Enkel eingekreist, und Johannes, der sonst keine fünf Minuten still sitzt, genoss den Auftritt sichtlich. Sie habe nicht mit einem solchen Medienrummel gerechnet. "Zwischendurch habe ich mein Kind vor lauter Kameras nicht mehr gesehen, da war mir schon etwas mulmig."

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Constanze Hausmann steht nicht gerne im Vordergrund. Das war zu spüren, als sie kürzlich Vater Edmund zum Talk bei Biolek begleitete. Show, das liegt ihr ebenso wenig wie dem Vater. "Mich erkennt zum Glück fast nie jemand." Und das ist ihr nur recht. Froh ist sie, ab Oktober wieder halbtags arbeiten zu können, in ihrer alten Kanzlei an der Brienner Straße. Sie brauche eine solche Aufgabe als Bestätigung über die Mutterrolle hinaus.

Ihr Dreijähriger besucht ab September den Kindergarten, für Nesthäkchen Benedict hat sie endlich eine Tagesmutter gefunden. "Das wird natürlich teurer als ein Krippenplatz", sagt sie, stellt aber im selben Atemzug fest, es sei schon eine Erleichterung, kein Mittagessen mehr kochen zu müssen.

Johannes hat jetzt genug von Rutsche und Schaukelpferd. Er weint, will nach Hause. Sofort. "Ihm wird langweilig, da kann man nichts machen", entschuldigt sich Constanze Hausmann, streicht dem Blondschopf beruhigend über den Kopf und verspricht ihm einen Lolli, sobald sie zu Hause sind. Dann schiebt die zierliche Frau den Buggy mit energischen Schritten vom Spielplatz.

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