Es ist ein bisschen wie diese Tellerwäscher-Karrieren, die man aus Amerika kennt. Als Raymond Ayoub am 29. Juli 1997 mit 19 Jahren nach Deutschland kommt, spricht der Libanese kein Wort Deutsch. Er will studieren, macht Sprachkurse – und jobbt nebenbei als Verlader von Autos im Hamburger Hafen, um sein Leben zu finanzieren. Rauf aufs Schiff, runter vom Schiff. "Autos, Kräne, Bagger. Alles, was Räder hatte", sagt Ray.

Deutschland ist damals für ihn das gelobte Land. Sein Vater hat nördlich von Beirut eine Autowerkstatt, repariert die zahlreichen alten Mercedes-Taxen, die im Libanon fahren. Mit 13 Jahren sitzt Ray zum ersten Mal selbst hinterm Steuer, im weißen 1964er Chevy Impala seines Vaters fährt er im Dorf herum. Mit 15 dann bis zum Strand. Gelegentlich auch mit dem Strich Acht der Familie. "Da war gerade der Krieg zu Ende und alles etwas wild", sagt Ray heute.
In einer Halle hat Ray seine Schätze untergestellt. Einige warten noch auf die Restaurierung.
Bild: Holger Karkheck

Nach dem Fachabitur lernt er in Beirut Kfz-Mechaniker –  na klar, bei Mercedes. "Ich dachte, danach gehe ich nach Deutschland, lerne dazu – und kehre irgendwann zurück und mache eine eigene Werkstatt auf, nach deutschen Standards."
Es kommt anders. Er bleibt in Hamburg, zieht 2013 vor die Tore der Stadt nach Welle in die Nordheide. Mietet ein ehemaliges VW-Autohaus an, baut alles um. Und erfüllt sich dort nun einen Traum – mit dem Verkauf ungewöhnlicher Autos.

Ray reist persönlich zu großen Auto-Auktionen nach Amerika

Nebenan in der Werkstatt steht an diesem Tag ein Toyota Land Cruiser FJ45 als Pick-up, den er aus Dubai importiert hat. Unkaputtbar wie unrestauriert für knapp 17.000 Euro. Eine Halle weiter arbeitet sein Meister an einem blauen Datsun 280Z. Der Japaner ist hierzulande wenig bekannt. Er wurde zwischen 1975 und 1978 ausschließlich in den USA verkauft, mit 2,8-Liter-Reihensechszylinder unter der langen Haube. Ray besorgt alles, was sich Kunden wünschen.
Unter der riesigen Haube des Toyota FJ45 werkelt ein Reihensechszylinder-Benziner mit 4,2 l und 135 PS.
Bild: Holger Karkheck

Durch seine Arbeit im Hafen weiß er, wie man die Autos nach Deutschland verschifft. Und so reist Ray persönlich zu den großen Auto-Auktionen nach Amerika. "Ich hatte keine Ahnung, wie so etwas abläuft", sagt Ray. Erst schaut er nur zu, dann knüpft er Kontakte, bietet mit, kauft Ware, bringt sie nach Hamburg, restauriert sie. Keine US-Cars, sondern japanische und europäische Fabrikate.
Porsche, VW und immer wieder Datsun.

"Du sitzt dann da, trinkst zwei, drei Gin ..."

An seiner Wand hängen die Tickets der großen Shows. Er war in Scottsdale, Arizona, einer der spektakulärsten Oldtimer-Auktionen der Welt (vor einigen Wochen wurde dort ein Mercedes 300 SL Flügeltürer für sechs Millionen Euro versteigert, Ray hat nicht zugegriffen …). Er war in Fort Lauderdale, Florida, und in Monterey, Kalifornien. "Du sitzt dann da, trinkst zwei, drei Gin – und guckst dabei zu, wie ein Ferrari für 46 Millionen Dollar weggeht."
Derzeit restauriert Raymond Ayoub den alten T1 seiner Dorf-Feuerwehr.
Bild: Holger Karkheck

Werkzwei heißt Rays Firma. "Ich möchte den Autos ein zweites Leben schenken, so kam der Name zustande." Für die fertigen Fahrzeuge hat er eine Scheune angemietet und umgebaut. Aktuell parkt dort unter anderem ein VW T1 als Samba-Bus von 1963 für 69.000 Euro. Ray hat ihn aus Japan zurückgeholt und restauriert.

Corona verhindert Importe

Sein Team: Karosseriebaumeister Jens Meier (62), früher Rallye-Cross-Fahrer auf Ford Escort RS2000. Dessen Sohn Patrick (34) als Lackierer und Alex Reichert (22) als Mechatroniker.
So glänzend und edel die Karossen sind, so schwer ist das Geschäft. "Ich habe lange finanziell ums Überleben gekämpft", sagt Ray. Durch Corona konnte er nicht reisen, nichts importieren. Und so verkauft er heute auch Alltagsautos, gebrauchte Ford Transit oder Opel Mokka, um das Geschäft am Laufen zu halten.
Ray mit seiner Frau Carla (36) und den Kindern Carl (4) und Antony (15 Monate).
Bild: Holger Karkheck

"Aber jetzt lebe ich meinen Traum", sagt Ray. Und sein eigener Fuhrpark? Ihm selbst gehört unter anderem ein alter Range Rover – und ein Chevrolet Impala, ein Straßenkreuzer aus den 1960er-Jahren, wie ihn sein Vater früher im Libanon fuhr. Damals saß Ray auf dessen Motorhaube, heute posieren seine Kinder darauf. Nur hinters Steuer dürfen sie noch nicht ...

Zur Person: Raymond Ayoub

Geboren 1978 im Libanon, lebt seit 1997 in Deutschland. Heiratet 2011 die Libanesin Carla, eine Grafikerin (sie hat das Firmenlogo entwickelt). Zusammen mit ihren zwei Kindern lebt das Paar auf dem Land bei Hamburg. Im Libanon hat Ray seinen eigenen FJ40 (Bj. 1981) stehen.