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Geschichte

Das Werk ist aus einer an der Universität Jena erstmals im Sommer 1857, zum 17. und letzten Mal im Wintersemester 1882/83 in Berlin gehaltenen Vorlesung hervorgegangen. Es wurde 1858 in stark verkürzter Form (Grundriß der Historik) als Manuskript für die Hörer der Vorlesung gedruckt und 1937 aus dem Nachlass vollständig von Rudolf Hübner und 1977 in der ersten Fassung (1857) von Peter Leyh herausgegeben.

Historik als systematische Selbstreflexion der Geschichte auf ihre Wissenschaftlichkeit lässt sich bis in den Humanismus zurückverfolgen; sie speist sich aus vier Traditionssträngen: einem humanistisch-rhetorischen, einem hilfswissenschaftlich-enzyklopädischen, einem geschichtsphilosophischen und einem erkenntnistheoretischen oder geschichtslogischen Strang. Droysen hat die Theorie-Elemente der Enzyklopädie und der Methodologie systematisch so aufeinander bezogen, dass sie eine innere Einheit bilden. Seine Historik ist zugleich (meta-)theoretische Selbstreflexion und Selbstdarstellung der Geschichte als Fachwissenschaft, und dies mit einer synthetisierenden Kraft, die im Gebiet der Historik bis heute ihresgleichen sucht.

‚Enzyklopädie‘ ist nicht mehr bloß ein summarischer Überblick über den Forschungsstand, sondern ein expliziter Bezugsrahmen der historischen Interpretation, der den historischen Wissensstand in ein Forschungsprogramm übersetzt und dadurch neue Forschungen inauguriert. Damit wird die Enzyklopädie in einer ganz neuen Weise auf die Methodologie bezogen, so nämlich, dass der bisher eher auf die hilfswissenschaftliche Seite der historischen Forschung begrenzte Methodenbegriff sich qualitativ zum Regelkanon der historischen Forschung selber verändert. Die nunmehr methodologisch auf ihre Verfahrensregeln hin durchsichtig gemachte Forschung wird durch die Enzyklopädie auf den Bereich des historisch Erforschbaren ausgerichtet, und dabei wird dieser Bereich durch leitende Hinsichten geordnet, durch die die ‚Geschäfte‘ der Vergangenheit zu einer sinnvollen Geschichte werden. Mit der Explikation solcher Hinsichten nimmt Droysens Historik die Funktion der Geschichtsphilosophie wahr, ohne mit ihr den empirischen Charakter der historischen Erkenntnis und die Offenheit der Forschung grundsätzlich zu gefährden. Im Unterschied zu späteren Historiken, in denen die humanistisch-rhetorische Denktradition weitgehend verloren ging und die mit ihr wahrgenommene Reflexion auf die Geschichtsschreibung als besonderes Theorieproblem unterblieb, ist es Droysen (mit seiner Topik) noch gelungen, auch diesen Typ von Historik – wenn auch in einer qualitativen Veränderung, die die Verwissenschaftlichung der Geschichte notwendig machte – grundsätzlich zu integrieren.

Angesichts des erstarkenden Positivismus und der von ihm provozierten Diskussion über Berechtigung, Eigenwert und Möglichkeiten einer spezifisch historischen Wissenschaft entwickelte Droysen eine bis in die Gegenwart fortwirkende „Wissenschaftslehre der Geschichte“, in deren Rahmen er die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen (Methodik), die Anwendungsbereiche (Systematik) und die Darstellungsformen (Topik) untersucht. Im Zentrum der historischen Erkenntnislehre, die sich in „Heuristik“, verschiedene Typen der „Kritik“ und „Interpretation“ gliedert, steht der Begriff des „Verstehens“: „Unsere Methode ist, forschend zu verstehen.“

Droysens Historik nimmt fünf verschiedene Funktionen in unterschiedlicher Intensität wahr: Sie dient didaktisch-propädeutischen Zwecken, der Systematisierung historischen Wissens, der Spezialisierung in bestimmte Forschungsmethoden und Arbeitsgebiete, vor allem der systematischen Begründung von Eigenart und Funktion der Geschichtswissenschaft im Zusammenhang mit anderen Wissenschaften und im lebenspraktischen Kontext der Historiker und ihres Publikums und schließlich auch der historischen Absicherung erreichter Standards der Wissenschaftsentwicklung.