Precht und Welzer: „Die vierte Gewalt“ – meine Einschätzung
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„Die vierte Gewalt“: Meine Einschätzung zur harten Medienkritik von Welzer und Precht

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„Die vierte Gewalt“ von Richard David Precht und Harald Welzer polarisiert wie kaum ein anderes Buch der letzten Zeit. Liegen die Autoren mit ihrer Meinung zu den Medien richtig?

Seit Erscheinen des Buches und den ersten Talkshow-Auftritten dominieren Richard David Precht und Harald Welzer die Medien, die sie in „Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“ kritisieren. So werden sie zu einem Konsens, den sie selbst befeuert haben. In diesem Fall kann ihnen die Resonanz in Zeitungen und auf Social Media zu einigen weiteren Buchverkäufen verhelfen. Doch worum geht es in „Die vierte Gewalt“?

Richard David Precht, Harald Welzer „Die vierte Gewalt“: Über das Buch

Cover zu Richard David Precht, Harald Welzer „Die vierte Gewalt“
Richard David Precht, Harald Welzer „Die vierte Gewalt“ © S. Fischer

Was Massenmedien berichten, weicht oft von den Ansichten und Eindrücken großer Teile der Bevölkerung ab – gerade, wenn es um brisante Geschehnisse geht. So entsteht häufig der Eindruck, die Massenmedien in Deutschland seien von der Regierung oder »dem Staat« manipuliert. Aber die heutige Selbstangleichung der Medien hat mit einer gelenkten Manipulation nichts zu tun. Die Massenmedien in Deutschland sind keine Vollzugsorgane staatlicher Meinungsmache. Sie sind die Vollzugsorgane ihrer eigenen Meinungsmache: mit immer stärkerem Hang zum Einseitigen, Simplifizierenden, Moralisierenden, Empörenden und Diffamierenden. Und sie bilden die ganz eigenen Echokammern einer Szene ab, die stets darauf blickt, was der jeweils andere gerade sagt oder schreibt, ängstlich darauf bedacht, bloß davon nicht abzuweichen. Diese Angst ist der bestmögliche Dünger für den Zerfall der Gesellschaft. Denn Maßlosigkeit und Einseitigkeit des Urteils zerstören den wohlmeinenden Streit, das demokratische Ringen um gute Lösungen.

S. Fischer

An drei großen Medienthemen (Flüchtlingskrise 2015, Pandemie und Ukraine-Krieg) arbeiten sich Precht und Welzer durch die vergangenen Jahre und versuchen darzulegen, dass die Massenmedien alle eine Meinungsrichtung vorgeben und nur in seltensten Fällen einen anderen Weg, eine andere Meinung zulassen. Auftakt der Kritik zu diesem Thema war der Buch-Launch im Rahmen der Lanz-Sendung am 29. September. Kritiker äußern allerdings, dass die Darstellung der beiden Autoren an keiner Stelle empirisch belegt worden sei.

Richard David Precht und Harald Welzer
Richard David Precht (l) und Harald Welzer widmen sich in ihrem Buch „Die vierte Gewalt“ den Medien und deren vermeintlicher Macht. © Henning Kaiser/Holger Hollemann/dpa

Richard David Precht und Harald Welzer: „Die vierte Gewalt“ –Mehrheitsmeinung ist gefragt

Geht es nach den beiden Autoren, ist es längst an der Zeit, nicht nur eine „Bildungselite“ zu Wort kommen zu lassen, sondern – möchte man es platt ausdrücken – „den Mann/die Frau von der Straße“. Herangezogen wird hier die Personalaufstellung der Regierungsparteien. Schließlich seien hier Juristen in überdurchschnittlicher Anzahl vorhanden. Ein Diskurs fände somit nicht mehr so richtig statt, da andere Stimmen nicht vertreten seien.

Schaut man sich den Verkaufsrang des Buches an, ist er bei den gängigen Buchhandelsketten schon sehr weit oben gelandet. Dies dürfte auch in den kommenden Tagen und Wochen so weiter gehen. Was man als geneigter Leser mitnehmen kann, ist sicherlich, dass für einen Diskurs unterschiedliche Stimmen nötig sind. Dafür liefert das Buch einige Beispiele.

Richard David Precht, Harald Welzer „Die vierte Gewalt“: Mein Fazit

Precht und Welzer schildern in ihrem Buch, dass „die Medien“ bei großen Themen einer Art Herdentrieb der Berichterstattung erliegen. Dies lässt sich schwer pauschalisieren. Einen Aufruf zu diverseren Stimmen in bestimmten Themengebieten liefert das Buch allemal.

Richard David Precht, Harald Welzer „Die vierte Gewalt“

2022, S. Fischer ISBN-13 978-3-103-97507-9

Preis: Hardcover 22 €, E-Book 19,99 € 287 Seiten (abweichend vom Format)

Richard David Precht, Harald Welzer

Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Er ist Honorarprofessor für Philosophie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.

Harald Welzer ist einer der streitbarsten Intellektuellen in Deutschland. Mit Witz und scharfsinnigen Argumenten engagiert er sich für eine bessere und offene Gesellschaft, für Nachhaltigkeit und Demokratie. Er ist Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg. Daneben lehrt er an der Universität St. Gallen und an der ETH Zürich. 

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