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Ausland UN-Resolution für Feuerpause

Die Haltung der USA ist eine Zäsur – die nicht nur mit der Lage in Gaza zu tun hat

Korrespondentin in Washington
Die Haltung der USA ist eine Zäsur – die nicht nur mit der Lage in Gaza zu tun hat

Welche Bedeutung das Votum des UN-Sicherheitsrats für eine sofortige Feuerpause in Gaza hat, das verdeutlichte am Montag auch die Reaktion aus Israel. Premier Benjamin Netanjahu sagte umgehend den Besuch einer Delegation ab, die kurz vor der Abreise nach Washington stand.

Quelle: WELT TV

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Die Vereinigten Staaten haben erstmals darauf verzichtet, eine gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen gerichtete Resolution zu blockieren. Israels Premier Benjamin Netanjahu ist wütend – die Entscheidung aber ist ein Signal, das nicht nur an ihn gerichtet ist.

Welche Bedeutung das Votum des UN-Sicherheitsrats für eine sofortige Feuerpause in Gaza hat, das verdeutlichte am Montag auch die Reaktion aus Israel. Premier Benjamin Netanjahu sagte umgehend den Besuch einer Delegation ab, die kurz vor der Abreise nach Washington stand. Hochrangige Vertreter der israelischen Regierung und des Militärs hatten Konsultationen mit US-Beamten geplant, wie eine von Israel geplante Bodenoffensive in Rafah ablaufen sollte.

Die Enthaltung der US-Regierung bei der Abstimmung, ließ Netanyahu erklären, sei „ein Rückzug von einer konsistenten amerikanischen Position seit Beginn des Krieges“. Zweimal hatte Washingtons Botschafterin Linda Thomas-Greenfield nach den Hamas-Terrorangriffen am 7. Oktober Resolutionen gegen Netanjahus Regierung mit einem Veto blockiert. Nicht aber dieses Mal.

Die Enthaltung der USA am Montagmorgen New Yorker Zeit ist ein Einschnitt. Washington stellt sich sechs Monate nach Kriegsbeginn erstmals offen gegen Netanjahus Vorgehen im Krieg gegen die Terroristen der Hamas. Wegen der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hatten die Spannungen zwischen Washington und Tel Aviv seit Monaten zugenommen.

Bisher aber hatte US-Präsident Joe Biden seine UN-Botschafterin stets ein Veto gegen Resolutionen für eine Feuerpause in der Konfliktregion einlegen lassen. Washington bewahrte damit seine Rolle als traditioneller Verbündeter, der Israels Regierung gegen die große Zahl Israel-kritischer und -feindlicher Nationen in der UN verteidigt. Doch mit der Entscheidung von Montag ist diese „konsistente Position“ zumindest im aktuellen Konflikt an ihr Ende angelangt.

Die humanitäre Situation ist so katastrophal, dass noch Tausende Menschen durch Hunger sterben könnten

Es ist eine Entwicklung, die abzusehen war. Biden mag sie sogar vorhergesehen haben. Zehn Tage nach den Hamas-Terrorattacken am 7. Oktober war der US-Präsident nach Israel gereist und hatte in einer Rede gewarnt: „Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 waren die USA wütend. Während wir nach Gerechtigkeit suchten und auch fanden, machten wir Fehler.“ Es brauche „eine ehrliche Analyse, ob der Weg, auf dem man sich befindet, die angestrebten Ziele erreicht“. Die große Mehrheit der Palästinenser sei nicht Hamas. Israel müsse zudem Sorge tragen, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen gelange.

Doch die humanitäre Situation ist mittlerweile so katastrophal, dass Tausende Menschen durch eine drohende Hungersnot sterben könnten. Nach nicht überprüfbaren Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen sind zudem mehr als 30.000 Menschen während der Kämpfe zwischen Israels Armee und Hamas umgekommen.

Humanitäre Hilfe für den Gazastreifen aus der Luft – „Politisches Überleben über die besten Interessen Israels gestellt“
Humanitäre Hilfe für den Gazastreifen aus der Luft – „Politisches Überleben über die besten Interessen Israels gestellt“
Quelle: Getty Images/Amir Levy

Weshalb die Enthaltung der USA vom Montag auch innenpolitisch motiviert ist: Anfang November steht die Präsidentschaftswahl an. In mindestens zwei der entscheidenden Swing States, Michigan und Wisconsin, droht Biden für seine Unterstützung für Israel an der Wahlurne zu zahlen. Bei den Vorwahlen der Demokraten in Michigan Ende Februar drückten bereits mehr als 100.000 Wähler mit einer „Uncommitted“-Stimme, einer „unentschiedenen“ Stimme, ihren Protest gegen den Amtsinhaber aus. Diese verlorenen Stimmen könnten ausreichen, um im November gegen den Rivalen Donald Trump zu verlieren.

Zugleich signalisiert Washingtons Enthaltung, dass die USA Israels Vorgehen auch global für riskant halten. Chuck Schumer, Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat hatte vor zwei Wochen ungewöhnlich direkte und harte Kritik an Israels Vorgehen geübt und gewarnt, dass das Land durch den Krieg gegen Hamas weltweit Unterstützung riskiere.

Er machte Netanjahu dafür direkt verantwortlich. Israels Premier sei „vom Weg abgekommen, indem er sein politisches Überleben über die besten Interessen Israels gestellt hat“. Israel solle Neuwahlen abhalten.

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Obwohl Schumer beharrte, seine Ansprache im Senat sei „spontan“ und „nicht abgesprochen“ gewesen, hätte er sie ohne eine gleich gesinnte Stimmung in der Biden-Administration nicht gehalten.

Linda Thomas-Greenfield (m.), Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen
Linda Thomas-Greenfield, Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen
Quelle: dpa/Bebeto Matthews

Mindestens 45 Mal hat die US-Regierung seit 1945 Resolutionen, die sich im UN-Sicherheitsrat gegen Israels Regierung richteten, mit einem Veto blockiert. Das ist die Hälfte aller Vetos, die Washington seit Gründung der Vereinten Nationen einlegte. Wie sehr die US-Regierung mit ihrer Enthaltung zur Resolution 2728 gerungen hat, macht die Tatsache klar, dass die Abstimmung am vergangenen Samstag hatte stattfinden sollen. Dann wurde sie auf Montagvormittag verschoben, konnte aber nicht pünktlich beginnen, weil Washington und New York noch immer im internen Abstimmungsprozess steckten.

Außenminister Antony Blinken gab zudem gleich nach dem Votum ein Statement ab, das klar an Israel gerichtet war. Darin betonte der Demokrat, dass „die Feuerpause gepaart ist mit der Freilassung der Geiseln“. Netanjahu hatte Washington zuvor vorgeworfen, die Resolution bedeute für „Hamas die Hoffnung, dass es dank internationalen Drucks eine Feuerpause gebe ohne die Befreiung der Geiseln“. Blinken fügte hinzu, die USA hätten der Resolution letztlich nicht zustimmen können, weil „entscheidende Formulierungen fehlten, vor allem eine Verurteilung der Hamas“.

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