Reviewed in Germany on 10 November 2017
"Die Liebenden" ist Louis Malle's zweiter Spielfilm, er entstand 1958 mit Jeanne Moreau und Jean-Marc Bory in den Hauptrollen.
Tja, ein so tief beeindruckender Film, einer, der mich eigentlich sprachlos zuruecklaesst. Als ich ihn vor 20 Jahren zum ersten mal sah, da gab er mir nicht viel, irgendwie verstand ich das ganze nicht. Aber heute dafuer umso mehr. Wir erhalten einen Einblick ins Leben von Jeanne (Moreau) - und das ist ein ziemlich langweiliges Leben. Auch mir als Zuschauer erscheint das ganze belanglos. Sie ist unzufrieden mit ihrem Ehemann, in dem grossen Haus auf dem Land. Der Reichtum erfuellt sie nicht, sie hat einen Liebhaber und verbringt soviel Zeit wie moeglich bei ihrer Freundin in Paris. Obwohl ihr Mann schon lange keine gluehenden Gefuehle fuer sie hat packt ihn eine trotzige Eifersucht, er will diese beiden Freunde seiner Frau kennenlernen, und laedt sie aufs Wochenende in ihr Landhaus ein. Soweit so gut, das ganze ist nicht sehr ergreifend, und auch kein bisschen interessant. Aber, das ist ein wichtiger Bestandteil der Geschichte! Jeanne bewegt sich der dekadenten Oberschicht, etwas echtes, wahre Gefuehle wird man da nicht finden, sie und die anderen leben ein leeres Leben, in dem alles nur Illusion ist. Als sie auf dem Rueckweg von Paris auf Bernard trifft wird ihr das bereits vage bewusst. Da ist ploetzlich einer aus einer ganz anderen Welt, aus der Welt in die ihre Kreise kaum gelangen. Er sagt Dinge, die ihr vielleicht manchmal schon in den Sinn kamen, die aber nie Bestaetigung fanden. Dann, im Haus, warten ihre "Freunde" und ihr Mann. Man mag ein Eifersuchtsdrama erwarten, aber es kommt anders. Nun, da ihre beiden Welten, Freunde hier und Mann da, nicht mehr getrennt voneinander ablaufen wird ihr schlagartig bewusst das ihre "freunde" nichts anderes als ihr Mann sind, vielleicht sogar noch schlimmer. In der Inhaltsangabe bei Wikipedia wird das so herrlich formuliert, das muss ich hier zitieren: "Raoul, ohne um Jeanne zu kämpfen, offenbart sich als oberflächlicher, geistloser Schwätzer, und Maggy sich als dumme, der Mode hinterlaufende, ebenso geistlose Frau.". Als alle schlafen gehen lauft Jeanne frustriert in den Garten, dann kommt Bernard. Und die beiden verlieben sich "durch einen einzigen Blick", wie uns die Erzaehlerin mitteilt. Und diese Liebe, wow, die kommt mit einer Wucht in den Film, nun verstehen wir wie uninteressant und kalt Jeannes Welt gewesen ist. Eine maerchenhafte Liebe, gewaltig, alles andere verdraengend. Es existieren nur noch diese beiden Menschen. Und dann wird kaum noch geredet. Auf wundervolle Weise zeigt uns Malle die Liebesnacht der beiden, nahezu unwirklich schoen. Und das ganze nur untermalt von dem ebenso wundervollen Andante aus Brahms 1. Streichsextett., welches Malle fast komplett verwendet. Die durch die Bilder und Musik erzeugte Atmosphaere ist herzzerreissend betoerend, ich habe selten so etwas gesehen. Diese Szenen gehoeren fuer mich zum schoensten was ich je in einem Film gesehen habe. Es spricht mich an, so will ich das auch - aber, ich traf zuviele Maggy's in meinem Leben. Und dann kommt der Morgen, und ohne eine weitere Kontaktaufnahme zur Welt in diesem Hause fahren sie gemeinsam davon. Ein Happy End? Nein, es wird nicht kitschig. Ein leichter Zweifel beschleicht Jeanne, wird sie diese Welt aus der sie kommt, komplett vergessen koennen, wird sie den schmerzenden Verlust verkraften koennen? Malle machts uns nicht leicht, Jeanne hat eine Tochter. Wird sie bei der Scheidung um sie kaempfen? Aber - in diesem Moment, in diesem Rausch, erscheint alles gleichgueltig, solange man nur seine Liebe bei sich hat. Diese wunderschoene, aber auch alles andere zerstoerende Liebe. Die Liebe die wundervoll und tragisch zugleich ist. Die alles ist. Und so unwirklich das auch alles erscheint, es kann Realitaet werden. Als der Film in die Kinos kam, da erregte er besonders in den seit jeher verklemmten USA die Gemueter, wurde als unmoralisch und als Pornografisch bezeichnet, kam sogar vors oberste Gericht. Ein Skandalfilm. Warum? Ok, in den USA wegen ALLEM was darin vorkommt, in Europa wohl nicht so sehr wegen dem Ehebruch, wie so oft behauptet. Das gabs im franzoesischen Kino schon vorher. Aber, das sie eine Tochter hat, und das man bei der Liebesszene Jeanne Moreaus Brust mit einem harten Nippel zusehen gibt, das schockierte einige Idioten so sehr das sie nicht mehr schlafen konnten. Auch in Deutschland wurden Tochter und Nippel aus dem Film herausgeschnitten, trotzdem wurde er erst ab 18 freigegeben. Heute ist er ab 0, und mit allem 'drin. So aendern sich die Zeiten. Auch in den USA? Nein. Der Film wurde dort nie beruehmt, hat keinen Stellenwert, man lese den eiskalten englischen Wikipedia Eintrag, auch die Weise auf die die Handlung wiedergegeben wird. Eine Liebe die sich ueber eine bestehende Ehe stellt, und das ohne spaetere Bestrafung, das kann und darf es in den USA "offiziell" niemals geben. Naja, also, fuenf Sterne werden dem Film nicht gerecht, er verdient einen Himmel voller Sterne. Leute, guckt euch diesen Film an, er hat leider auch in Europa nicht den Stellenwert den er verdient.
Auf der Blu Ray sieht er erstklassig aus, die wenigen im Kino nicht gezeigten Momente wurden deutsch untertitelt. Aber das betrifft eh hauptsaechlich die Liebesnacht, und da wird kaum gesprochen.