Nordholm: Die Frau im Meer - Kritik zum zweiteiligen Krimi im ZDF
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Nordholm: Die Frau im Meer - Kritik zum ZDF-Krimi

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Kritik zu Nordholm: Die Frau im Meer ZDF/Thomas Leidig
Kritik zu Nordholm: Die Frau im Meer ZDF/Thomas Leidig © ritik zu Nordholm: Die Frau im Meer (c) ZDF/Thomas Leidig

Mit Die Frau im Meer zeigt das ZDF einen neuen Nordholm-Fall mit Heino Ferch in der Hauptrolle. Statt flott und unterhaltsam erzählter Spannung erwartet das Publikum allerdings eine schwerfällig erzählte Geschichte, die sich mehr wie ein Drama als wie ein Krimi ausnimmt.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Zum Inhalt

Der beim Hamburger LKA beschäftigte Polizist Simon Kessler (Heino Ferch) ist beunruhigt. Seine ehemalige Vorgesetzte Hella Christensen (Barbara Auer), mit der er jahrelang im Ostseeküstenörtchen Nordholm Morde aufgeklärte, hinterlässt ihm auf der Mailbox eine Nachricht, die darauf schließen lässt, dass etwas Schlimmes geschehen sein könnte.

Er reist zurück in seine alte Heimat, wo die Frankfurter Kommissarin Lena Jansen (Isabell Polak) gerade ihren Dienst als leitende Ermittlerin aufgenommen hat. Und die hat ganz andere Sorgen, denn ausgerechnet das Teenie-Mädchen Charlotte (Lilly Barshy), die Tochter von Kesslers Freundin Silke Broder (Anja Kling), hat soeben im Wald die Leiche ihrer Freundin Viviane entdeckt.

Jansen will zunächst nichts davon wissen, dass Christensen vielleicht auf offener See einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein könnte. Als jedoch ihr Boot gefunden wird und sich unter Deck überall Blutspuren finden, wird sie hellhörig. Kessler und sie bilden ein Team und finden bald heraus, dass in Nordholm nichts so ist, wie es scheint...

Die Nordholm-Filmreihe

Seit 2015 strahlt das ZDF nun schon in unregelmäßigen Abständen die Nordholm-Krimiserie mit Heino Ferch und Barbara Aue (bis 2020) in den Hauptrollen aus. Die ersten drei je 90-minütigen Zweiteiler „Tod eines Mädchens“, „Die verschwundene Familie“ und „Das Mädchen am Strand“, die allesamt in dem fiktiven, idyllischen Ostsee-Örtchen spielen, konnten dabei durchaus ein Stammpublikum für sich ergattern. Serienerfinder, Autor und Regisseur ist der Dortmunder Thomas Berger, der Nordholm nicht nur als Handlungsort für die Kriminalfälle seines Ermittlerteams sieht, sondern auch die Geschichten der Bewohner des Städtchens intensiv beleuchtet.

Trotz der seriellen Struktur ist aber jeder Film in sich abgeschlossen, so dass man auch als Neuling der Reihe zumindest theoretisch ins aktuelle Geschehen einsteigen kann. Die in den bisherigen Filmen aufgebauten Beziehungsgeflechte werden mittels kleiner, meist in Dialoge verpackte Reminder angesprochen.

Die Neue im Duo

Wenn sich über Jahre hinweg ein Ermittlerteam auf der Mattscheibe eingespielt und in den Köpfen der Zuschauerschaft festgesetzt hat, fällt es immer schwer, Abschied zu nehmen. So auch im Fall der in losen Abständen ausgestrahlten Nordholm-Reihe, in der Heino Ferch bisher zusammen mit Barbara Auer das Heft in den Händen hielt. Nachdem ihre Figur Hella Christensen aber nicht nur den Dienst quittiert hat, sondern nun auch selbst zum Opfer wurde, übernimmt Isabell Polak als aus Frankfurt stammende Kommissarin Lena Jansen das Ruder im Ort. Hier liegt bereits der erste von vielen Knackpunkten von „Die Frau im Meer“.

Es mag an der Rolle an sich, oder der unterkühlten Darbietung von Polak, vielleicht aber auch an beidem liegen, dass man über die gesamten, viel zu langen drei Stunden hinweg keine Beziehung zu der Figur aufbaut. Schon als sich Jansen ihrem Team vorstellt, hinterlässt sie einen unsympathischen Eindruck, der sich vornehmlich im ersten Teil im Umgang mit Simon Kessler festigt. Obwohl er gute Argumente dafür hat, dass seiner ehemaligen Kollegin etwas zugestoßen sein könnte, bügelt sie alle seine Argumente, ja, sogar eine Tonaufnahme, die sie zu Ermittlungen geradezu verpflichten würde, mit lächerlichen Argumenten ab.

Zwar bildet sie mit Kessler - wie könnte es anders sein - letztlich doch noch ein Team, dennoch bleibt der Eindruck einer distanzierten, wenig empathischen Person. Das ist vor allem im Hinblick auf den ansonsten tollen und gut eingespielten Cast schade. Heino Ferch ist als Simon Kessler eine Augenweide, Anja Kling ohnehin eine gern gesehene und viel beschäftigte Mimin, die Fans vor allem noch durch ihre Auftritte in den „Spreewaldkrimis“ kennen.

Langatmigkeit

Das Sympathiedefizit der neuen Hauptfigur ist, wie oben angedeutet, jedoch nicht das einzige Problem, das den Zweiteiler zu einer zähen Angelegenheit macht. Der Film beginnt an einem sonnigen Tag auf dem Meer. Ein Boot treibt führerlos durch die Gewässer, ein Blick in die Kabine verrät, dass niemand an Bord ist. Sofort macht sich das Gefühl breit, dass hier irgendetwas Schreckliches geschehen ist. Ein Unfall? Ein Mord? Das bleibt lange Zeit im Dunkeln. Das kommt interessant herüber und weckt die Lust am Rätselraten.

Doch dann wendet Regisseur und Drehbuch-Verfasser Thomas Berger den Blick vom Geschehen weg und lenkt ihn auf die fünfzehnjährige Charlotte Broder, die sich am Strand soeben den Avancen des Dorfschönlings erwehrt, der, wie wir später erfahren, zuvor mit ihr Sex hatte und sie anschließend mit Cyber-Mobbing-Attacken erniedrigte. Charlotte flieht aus der Situation und findet kurz darauf im Wald ihre Freundin und Chor-Genossin Viviane tot in einem Waldstück. Dass der angedeutete Freitod des Teenagermädchens untersuchungsbedürftig ist, ist so sicher wie das Amen in der Kirche und tatsächlich hat Charlotte etwas zu verbergen. Sie nimmt das Smartphone der Toten an sich und belügt ihre Mutter und die Polizei.

Es ist schade, dass das Drehbuch viel zu früh zwei Fässer aufmacht, die sich zwischen all den Beziehungsgeflechten in Nordholm behaupten und dann auch noch zusammenfinden müssen. In Anbetracht der Tatsache, dass im Zuge dieser Kombination das Crime-Feeling viel zu oft außen vorbleibt, will einfach keine richtige Spannung aufkommen. Das liegt zum einen daran, dass sich der Film nicht entscheiden kann, ob er Krimi oder Drama sein will und ist zum anderen der Tatsache geschuldet, dass es zu viele Baustellen gibt. Von denen ist wiederum keine mit wirklichen Spannungselementen versehen, so plätschert die Handlung vor sich hin und bezieht ihre Kraft lediglich aus dem Zusammenspiel der Figuren, schade.

Fazit

„Die Frau im Meer“ wirkt künstlich langgezogen, kann seinen Lokalkolorit-Charme nicht ausspielen und ergeht sich zu sehr in Beziehungsgeflechten. Wenn ich einen Film oder eine Miniserie sehe, die sich sowohl an Brit-Crime- als auch Schweden-Krimi-Elementen bedient, dann erwarte ich mehr, als zwei Ermittlern zu folgen, bei denen die Chemie nicht stimmt und deren Fall drei Stunden lang vor sich hintröpfelt.

Zwei Stunden hätten vollkommen ausgereicht, um die Geschichte spannungsvoll zu erzählen, falsche Fährten zu legen und sich mit den wichtigsten Figuren zu befassen. Das mag wie ein Widerspruch zum oben Gesagten klingen, ist es aber nicht, denn der Zweiteiler widmet sich zu sehr und zu oft uninteressanten Personen, denen man irgendwelche Machenschaften und Probleme andichtet, um sie ins Geschehen einzubeziehen.

Dabei geht das Wesentliche verloren, zum Beispiel der Wunsch des Zuschauers, eine Bindung zu den Opfern aufzubauen, mitzuraten und sich an tollen Landschaftsbildern zu erfreuen, von denen es leider zu wenige gibt. Zahlreiche deutsche Genre-Vertreter, etwa („Spreewaldkrimi“, „Nord Nord Mord“, „Friesland“, „Der Bozen-Krimi“), nicht zu vergessen britische und nordische Serien, machen es da um Längen besser. Es soll aber betont sein, dass dies natürlich eine Sache des persönlichen Gustos ist. Die Nordholm-Reihe ist routiniert gemacht und erreicht seit 2015 stets stabile Quoten mit Marktanteilen zwischen 19 und 24,7 Prozent. Es scheint demnach viele Menschen zu geben, die gut mit den Figuren mitgehen können und das sehr gemächliche Erzähltempo mögen. Mich konnte „Die Frau im Meer“ hingegen leider nicht überzeugen. Drei von fünf Punkten.

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