Ihr findet, Honig okay, aber euer Lieblingsessen ist es nun nicht unbedingt? Bienen seht ihr lediglich als die lästigen Biester, die im Sommer Bäckershops und Cafés bevölkern, und mit euch um den Kuchen kämpfen? Und die amerikanischen Südstaaten waren bisher eher nicht das perfekte Reiseziel für euren nächsten Urlaub?
Glaubt mir: Das wird sich ändern, wenn ihr euch Sue Monk Kidds Bestseller „Die Bienenhüterin“ vornehmt. Ich hoffe, meine Rezension kann euch überzeugen, dem unscheinbar wirkenden Büchlein eine Chance zu geben. Denn um es schon einmal vorwegzunehmen: Es lohnt sich, und es bietet einen unvergleichlichen Vorgeschmack auf einen langen und heißen Sommer!

Inhalt

Es wird die Geschichte der 14-jährigen Lily erzählt, die irgendwann in den 60ern in South Carolina aufwächst. Lily hat ihre Mutter verloren, als sie noch ein Kleinkind war, und lebt seither bei ihrem lieblosen und autoritären Vater, der sie zwingt, auf Grießflocken zu hocken, bis ihre Knie blutig sind, stundenlang in der Hitze seine Pfirsiche zu verkaufen, und der ihr nie etwas zum Geburtstag schenkt.
In der Schule wird sie wegen ihres Aussehens und ihrer unschönen Kleidung nicht von ihren Mitschülern beachtet. Das einzige, was ihr Leben lebenswert macht, sind die liebevollen Erinnerungen an ihre Mutter, der Wunsch, Lehrerin oder Schriftstellerin zu werden, und die schwarze Haushälterin Rosaleen, die zwar schroff ist und keinerlei Manieren hat, dafür aber als eine Art Ersatzmutter auftritt.

Als ihr Vater ihr eines Tages erzählt, dass sie Schuld am Tod ihrer Mutter ist, und diese damals die Familie – also auch Lily – verlassen hat, beschließt sie von zuhause zu fliehen. Sie hat sich lange genug von ihrem Vater umherschubsen lassen; ihre Illusionen lässt sie sich nicht auch noch nehmen. Gemeinsam mit Rosaleen, die Ärger mit der Polizei hat, flüchtet sie in einen Ort, von dem sie glaubt, dass ihre Mutter zeitweise dort lebte.
Ein Bild, das eine schwarze Maria zeigt, und das sie bei sich auf dem Dachboden zeigt, ist dabei ihr ständiger Wegbegleiter. Wie durch Zufall entdeckt sie in einem kleinen Shop genau dieses auf einem Honigglas. Der Fährte dieses Honigs folgend landet sie am Ende im Haus von drei schwarzen Frauen, den Schwestern des Sommers: May, June und Augusta.

Weder Lily noch der Leser versteht anfänglich, warum, aber Augusta erklärt sich sofort bereit, dem Mädchen und dessen Haushälterin Kost und Logis im Tausch gegen ihre Arbeitskräfte zu gewähren. Rosaleen soll im Haus zur Hand gehen, Lily bei den Bienen.

Was Lily dann lernt, ist nicht nur wie man Bienen Liebe schenkt, wie man Honig macht (oder was man damit alles anstellen kann), sondern auch, dass Religion mehr ist, als nur die Kirche, dass Gott ins uns ist und uns immer wieder neue Kraft für unser Leben schenkt, und dass niemand anderes in der Lage ist, uns unseren Wert abzusprechen. Sie erkennt, dass, anders als die meisten Leute behaupten, die Hautfarbe keine Rolle spielt, dass man sich durchaus auch in schwarze Jungs verlieben kann, dass es immer Menschen geben wird, die sie lieben, und dass es einen Grund gibt, warum ihre Mutter war, wie sie war.

Zwischen den Zeilen lesen

Die Bienenhüterin von Sue Monk Kidds ist ein absolut zauberhafter Sommerroman. Worum es in ihm geht, kann man dabei gar nicht genau auf den Punkt bringen. Da ist das Rassenproblem, das Thema Depressionen, Religion, der Sommer, das Imkerhandwerk – es geht darum, Halbwaise zu sein, oder einen Traum zu träumen, der unerfüllbar scheint.
Aber eigentlich geht es viel weniger um das Thema selbst, sondern um das, was man fühlt – was man für sich mitnimmt.

Sowohl Rosaleen als auch die Schwestern des Sommers sind unglaublich tolle Romanfiguren, jede auf ihre eigene Weise. Die eine zeigt Herz und Mut, die andere tiefstes Mitgefühl (man wird garantiert einige Tränen vergießen müssen). Mal sind es weise Worte, die nachklingen und dafür sorgen, dass wir das Buch zuklappen und einen Moment darüber nachsinnen müssen, mal sind es die tollen Beschreibungen des Sommers in den Südstaaten, die uns träumen lassen.

Obwohl gar nicht so viel passiert und obwohl man viel zwischen den Zeilen lesen muss, ist „Die Bienenhüterin“ weder langatmig noch langweilig. Es zieht mit einer liebevollen Sprache sofort in den Bann und strahlt so viel Wärme aus, dass man ständig lächeln muss.
Es ist keine Spannung im eigentlichen Sinne. Zwar möchte man auch wissen, wie es nun mit Lily weitergeht, und ob sie ihrem Vater dauerhaft entkommen kann, aber es macht mindestens genauso viel Spaß, den Alltag dieser außergewöhnlichen Gruppe mitzuverfolgen, und genau zu lauschen, was wer zu sagen hat bzw. was wer über das Leben gelernt hat.

Übrigens: Wer nicht gern liest (auch wenn sich die Frage stellt, wie ihr dann bei meiner Rezension gelandet seid), der kann sich auch den Film mit Dakota Fanning in der Hauptrolle ansehen. Ich bin zwar der Meinung, dass Bücher immer ein Vielfaches schöner sind, als die Verfilmungen, aber trotzdem lohnt er sich sehr!

Fazit: Mit „Die Bienenhüterin“ hat Sue Monk Kidd einen perfekten Urlaubsroman geschaffen, der leise, poetische Töne anschlägt und von ganz viel Wärme, ganz viel Liebe und ganz viel Sommer handelt. Er macht Lust, töpfeweise Honig auszuschlecken, und schenkt uns einen neuen Blickwinkel aufs Leben.
Ein anderer Rezensent hat es schon einmal perfekt auf den Punkt gebracht: Der Roman ist zuckersüß, aber niemals klebrig. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

 

Sue Monk Kidd

Die Bienenhüterin

Roman

Originaltitel: The Secret Life of Bees
Aus dem Amerikanischen von Astrid Mania

Taschenbuch, Leinen, 480 Seiten, 9,0 x 15,0 cm
ISBN: 978-3-442-73887-8
€ 9,99 [D] | € 10,30 [A] | CHF 16,90* (empf. VK-Preis), Verlag: btb