Vier Fragen zum Todestag von Detlev Rohwedder

Am 1. April 1991 wurde Dr. Detlev Karsten Rohwedder in seinem Zuhause erschossen. Er war eine der zentralen Figuren beim wirtschaftlichen Aufbau der deutschen Einheit. Um Detlev Rohwedder und seine Zeit zu verstehen, stellen wir vier Fragen, die uns mit auf die Reise in unsere eigene Geschichte nehmen – und die unser Deutschland bis heute mitbestimmen.

Collage Todestag Dr. Rohwedder

Wer war Detlev Rohwedder? Leben und Arbeit

Der zweite Präsident der Treuhandanstalt ist eine tragische Figur der Wiedervereinigung. Nur wenige Monate im Amt, stand er vor einer wahren Herkules-Aufgabe. Erfahren Sie hier mehr.

Collage: Porträt Detlev Rohwedder; Zitat Hergard Rohwedder: „Er hat stets Ruhe und Haltung gewahrt, hatte Verständnis für die Motive der Kritiker…“

Das Gebäude an der Berliner Wilhelmstraße 97 und Detlev Rohwedder sind untrennbar miteinander verbunden. Lernen Sie den Menschen auf einem Gang durch das heutige Bundesfinanzministerium kennen.

  • Ein Kämpfer für die neuen Bundesländer


    1932:
    Detlev Karsten Rohwedder wird in Thüringen geboren und wächst in Berlin und Schleswig-Holstein auf.

    1960: Heirat mit Hergard Toussaint. Aus der Ehe gehen zwei Kinder, Philipp und Cäcilie, hervor.

    1961: Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss und Promotion zum Dr. jur. in Mainz und Hamburg.

    1969-79: Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

    1979-90: Vorstandsvorsitzender des Dortmunder Stahlkonzerns Hoesch AG.

    Ab 1990: Leitung der Treuhand. Sie überführt die Betriebe der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik. Dabei setzt er sich besonders für die Interessen der Menschen in Ostdeutschland ein.

    1. April 1991: Detlev Rohwedder wird in seinem Haus in Düsseldorf von Unbekannten erschossen. Obwohl es ein Bekennerschreiben der Roten Armee Fraktion (RAF) gab, konnten bis heute keine Täter ermittelt werden.

    10. April 1991: Ehrung mit einem Trauerstaatsakt in Berlin.

    Seit 1992: Das Treuhandgebäude wird in „Detlev-Rohwedder-Haus“ umbenannt. Seit 1999 ist es der Haupt-Dienstsitz des Bundesfinanzministeriums.

Was war die Treuhand? Die Aufgabe der Wirtschafts-Einheit

Für die einen eine prägende Erinnerung, für die anderen völlig unbekannt. Die Institution setzte die deutsche Einheit auf Wirtschaftsebene um und ordnete von heute auf morgen eine ganze Volkswirtschaft neu. Hier erfahren Sie die bewegte Geschichte.

Collage: Pressekonferenz der Treuhand; Zitat Detlev Rohwedder: „Es ist eine Aufgabe von nahezu furchterregender Dimension.“

  • Eine Aufgabe, wie es sie noch nie gegeben hatte


    Die „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ oder kurz Treuhandanstalt hatte die Aufgabe,

    • die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so schnell wie möglich zurückzuführen,
    • die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

    Dafür gab es keine Anleitung. Noch nie war eine ganze Volkswirtschaft umgebaut worden. Es ging um 8.500 volkseigene Betriebe der DDR mit 45.000 Betriebsstätten und über 4 Millionen Beschäftigten.


    Management
    mit sozialem Augenmaß


    Detlev Rohwedder war früh klar: Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen würden die Lebensverhältnisse vieler Bürger*innen in den neuen Bundesländern grundlegend verändern. „Die Treuhand versteht sich auch als Einrichtung, die mithelfen will, dass […] die Menschen nicht unter die Räder kommen“, sagte er in einem Interview.

    Laut Statistik war die DDR unter den zehn führenden Industrienationen der Welt. Hinter den Fassaden planwirtschaftlicher Bilanzen lag die Produktivität allerdings um geschätzte 50 Prozent unter der in der Bundesrepublik. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion brachte im Sommer 1990 die D-Mark nach Ostdeutschland – und die Betriebe dort um den Rest ihrer Rentabilität. Rasches Handeln war geboten, um noch Schlimmeres zu verhüten, als ohnehin zu befürchten war. Bis Anfang 1991, Detlev Rohwedders Tod, wurden rund 500 Betriebe privatisiert.


    Was kostet eine vereinte Wirtschaft?


    Unter Detlev Rohwedders Nachfolgerin Birgit Breuel trieb die Treuhand die Reorganisation voran – mit ambivalenten Folgen. In nur knapp vier Jahren wurden sämtliche Unternehmen privatisiert oder in kommunalen Besitz überführt. Mehr als 3.700 Betriebe mussten geschlossen werden. Für die betroffenen Menschen ein schwerer Schlag. Nahezu zwei Drittel aller Arbeitsplätze gingen verloren.

    War das Glas nun halb leer oder halb voll? Was kostete diese wirtschaftliche Einheit? Nun, bis vor kurzem haben alle Deutschen zusammen den Schuldenberg der Treuhand von rund 270 Milliarden D-Mark abgetragen. Nicht verschwiegen werden darf dabei, dass im Verlauf dieses ökonomischen Kraftakts auch enorme Verluste durch Wirtschaftskriminalität zu Buche schlugen. Der Treuhandsprecher Wolf Schöde formulierte es so: „Wir lernten, während wir Fehler machten.“ Warum? „Weil es so etwas wie den Umbau eines ganzen Staates noch nie gab.“ Ende 1994 wurde die Treuhand aufgelöst. In unglaublich kurzer Zeit war eine ganze Wirtschaft transformiert worden und konnte sich auch im Wettbewerb behaupten.

Und was ist mit dem Gebäude? Das Detlev- Rohwedder-Haus

Heute ist der Berliner Hauptsitz des Bundesfinanzministeriums nach dem Treuhand-Präsidenten benannt. Aber hier wurde noch weit mehr Geschichte geschrieben. Erfahren Sie mehr zur turbulenten Vita des Gebäudes.

Collage: Detlev-Rohwedder-Haus; Zitat Detlev Rohwedder: „Es ist ein bisschen wie im Wilden Westen...“

  • Nicht nur die Treuhand arbeitete im heutigen „Detlev-Rohwedder-Haus“. Auch Hermann Göring mit seinem Reichsluftfahrtministerium, die sowjetische Besatzung sowie die SED wirkten hier. Im Video sehen Sie die ganze Geschichte.

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  • Zum Sommer der offenen Tür 2020 haben wir die Youtuberin Lisa Sophie Laurent durchs Haus begleitet. Sie war dort auf der Suche nach Originalschauplätzen an denen die Geschichte von DDR und Wiedervereinigung mitgeschrieben wurde.

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Wie sehen wir das heute? Forschung und Erinnerung

Die Zeit Detlev Rohwedders und der Treuhand prägen Deutschland bis heute. Die Erinnerung und die Geschehnisse werden deswegen aktiv aufgearbeitet.

Collage: Büste Detlev Rohwedder; Zitat Richard von Weizsäcker: „Kaum einer sah von Beginn an die Schwierigkeiten so deutlich…“

  • Seit 2017 untersucht das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) München – Berlin in einem Forschungsprojekt die Geschichte der Treuhandanstalt. Ziel ist eine historisch differenzierende Betrachtung. Das Bundesfinanzministerium unterstützt das Forschungsprojekt finanziell. Derzeit arbeiten dort neun Mitarbeiter*innen, die bisher über 1.880 Akten eingesehen haben, insgesamt wurde bisher in 40 staatlichen und privaten Archiven in fünf Ländern gearbeitet und recherchiert. Anlässlich von 30 Jahren deutscher Einheit berichtete uns der stellvertretende Leiter der Abteilung Berlin-Lichterfelde über seine Forschung.

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    Näheres zum IfZ und zu den Zwischenergebnissen finden Sie hier.