„Alcina“ am Staatstheater Darmstadt: Männer zu Schmuckstücken
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„Alcina“ am Staatstheater Darmstadt: Männer zu Schmuckstücken

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In Alcinas Zauberwelt.
In Alcinas Zauberwelt. Foto: Nils Heck © Nils Heck

Ja, vielleicht ist das einmal eine Frauenfantasie: Händels „Alcina“, üppig ausgestattet und luxuriös gesungen am Staatstheater Darmstadt.

Tyrannei und echte Liebe wollen nicht zueinander passen, und als die männnerverschleißende Zauberin Alcina ihr Herz erstmals vergibt, schwinden ihre Kräfte. Die Oper von Georg Friedrich Händel erzählt von einem melancholischen Niedergang, es ist diesmal in der Tat der Niedergang einer Herrscherin, und dass sie schöner singt als alle anderen, hilft ihr nichts. Am Staatstheater Darmstadt ist das die wunderbare Ana Durlovski, deren goldene Stimme immer noch samtiger, ihr Timbre noch dunkler wird und dem Luxus entspricht, der ihre Insel prägt. Dennoch hat keiner Mitleid mit ihr. Nicht zu fassen. Hat Alcina es zu weit getrieben? Eindeutig, leider.

Bevölkert wird die Insel, die ein beliebtes Motiv aus dem „Orlando Furioso“ aufnimmt, aber eine Seitenlinie der Handlung, von Alcinas Ex-Liebhabern, die sie verzaubert hat. In Darmstadt haben sich Regisseurin Nina Russi und Kostümbildnerin Annemarie Bulla für wandelnde Schmuckobjekte entschieden, eine wunderschöne Ausstattungsidee, auch wenn es an dieser Stelle ein wenig statisch bleibt. Allein der allerliebste Löwe, der sich nachher auch zur Sache äußert, ist als solcher erkennbar und entwickelt ein Eigenleben, ebenfalls golden glitzernd. Die übrige Statisterie, der übrige Chor trägt spektakuläre, den ganzen Kopf umfassende Glitzermasken. Alcina nährt sie offenbar aus einem riesigen Schmuck-Granatapfel, auch das ein attraktiver Anblick.

Es ist eine gutaussehende Welt, die Alcina sich geschaffen hat, und das ist vielleicht der springende Punkt in Russis feiner, dabei zurückhaltender Inszenierung. Man trägt Designerkleidung und Frisuren, die sich morgens nicht von selbst machen. Eine Frauenfantasie, warum nicht.

„Alcina“-Bühne in Darmstadt: Als wär‘s ein Bild von Escher

Ein weißer, drehbarer Aufbau ist dazu das Bühnenbild von Susanne Gschwender, mit Treppen fast wie auf einem Escher-Täuschungsbild. Leichtfüßig bewegt sich das junge Ensemble hier (während der von Alice Meregaglia vorzüglich einstudierte Chor doch etwas vorsichtig bleibt).

Leben geben dem Abend jedoch in erster Linie die großartigen Stimmen und die großartige Musik, für die sich der Dirigent Alessandro Quarta und das Staatsorchester nachher bejubeln lassen dürfen – eine großbesetzte, beherzte Angelegenheit, die aber auch das zauberisch Flirrende fein vermittelt.

Auf der Bühne sagen die Frauenstimmen an: Solgerd Isalv ist der fitte Ruggiero, Alcinas Aktueller und ihre große Liebe, so dass ausgerechnet ein besonders lichter Sopran der umworbene Kavalier der Handlung ist. Grandios erneut Lena Sutor-Wernich als Bradamante, eine charismatische Kriegerin, deren vehementer Mezzo voll durchschlägt und enorme Tiefen hören lässt (dass Ruggioro heller klingt als Bradamante erinnert daran, wie der Barock mit fließenden Grenzen spielte, dass man neidisch werden kann). Auch Juliana Zara als Alcinas sanftere, silbrig singende Schwester Morgana ist eine Klasse für sich. Dazu kommt noch die junge Karola Sophia Schmid als knabenhafter Oberto. Den heutzutage fast obligatorischen Countertenor wird man in diesem Farbenreichtum kaum vermissen, erstaunlich.

Von unten wird die Fülle des Wohllauts von dem Bass Johannes Seokhoon Moon gestützt, einem mit kleinen Zaubertricks aufwartenden Melisso. Tenor Ricardo Garcia ist der Haudegen Oronte.

Tyrannei und echte Liebe wollen nicht zueinander passen, aber es klingt unheimlich gut.

Weitere Aufführungen am Staatstheater Darmstadt, Georg-Büchner-Platz 1, am 2. und 29. Mai sowie am 8., 21. und 27. Juni. Eintrittskarten und weitere Informationen: www.staatstheater-darmstadt.de

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