"Wir können nur als Team erfolgreich sein" | Der Betze brennt

Interview des Monats: FCK-Trainer Dimitrios Grammozis, Teil 1/2

"Wir können nur als Team erfolgreich sein"

"Wir können nur als Team erfolgreich sein"


Das erste große Interview mit Dimitrios Grammozis: Exklusiv bei Der Betze brennt spricht der neue Trainer des 1. FC Kaiserslautern über Traditionsvereine, Wohlfühloasen und sein Ziel bei den Roten Teufeln.

Der Betze brennt: Dimitrios Grammozis, was eigentlich lesen Sie denn so an Berichten über sich und Ihre Arbeit? Von Ihren Vorgängern kennen wir da sehr unterschiedliche Antworten: Manche räumten ein, beispielsweise unsere DBB-Analysen stets zu lesen, andere meinten, sie lesen grundsätzlich gar nichts, weil ihnen generell zu viel Mist geschrieben wird ...

Dimitrios Grammozis (45): Auf jeden Fall bin ich keiner von denen, die alles über sich lesen, wenn's gut läuft, und gar nichts an sich ranlassen, sobald's mies läuft. Ich lese punktuell. Dinge, von denen ich glaube, dass sie etwas hintergründiger sind. Um, warum auch nicht, vielleicht ein bisschen Input zu bekommen, mit dem ich etwas anfangen kann.

Der Betze brennt: Der Spieler Dimitrios Grammozis hat 2005 den Betzenberg verlassen, 2023 kehrt er nun als Trainer zurück. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Grammozis: In der Trainer- und in der Mannschaftskabine hat sich eigentlich gar nicht so viel verändert, da sind es nun eben ein paar Spinde mehr. Die Sauna ist auch neu. Aber sonst? Ich habe mich eigentlich sofort in die Zeit zurückversetzt gefühlt, als ich noch selbst Spieler war.

"Ich hätte auch früher wieder als Trainer arbeiten können"

Der Betze brennt: Sie waren anderthalb Jahre ohne Job. Wie durchlebt man ein solche Zeit? Hatten Sie auch mal Angst, in Vergessenheit zu geraten? Sie wären nicht das erste Trainertalent, das zunächst hoch gehypt wird und nach dem ersten Karriereknick direkt wieder in der Versenkung verschwindet ...

Grammozis: Als in Schalke Schluss war, hatte ich über zehn Jahre als Trainer gearbeitet, nonstop. Erst im Junioren-Bereich in Bochum, und das phasenweise in Doppelfunktion als Co-Trainer der Profimannschaft, daneben habe ich noch die Ausbildung zum Fußballlehrer absolviert. Dann folgte eine sehr intensive Zeit in Darmstadt, wo es nicht nur eine neue Mannschaft aufzubauen galt, sondern sich auch Drumherum viel tat. Anschließend die Zeit auf Schalke mit Höhen und Tiefen. Danach wollte ich erst einmal bewusst eine Pause einlegen, um mich endlich mal wieder meiner Familie zu widmen, die war in all der Zeit zur kurz gekommen. Und es war ja nicht so, dass in den folgenden 18 Monaten niemand angerufen hat. Ich hätte durchaus früher wieder als Trainer arbeiten können. Aber ich wollte auf etwas warten, von dem ich absolut überzeugt bin. Ich war in dieser Zeit auch viel in den Stadien unterwegs, habe mich auf dem Laufenden gehalten und viel mit Trainerkollegen gesprochen. Im Grunde hatte mein Leben in dieser Zeit drei Bausteine: Familie, Weiterbildung und Selbstreflektion - also Nachdenken darüber, was ich als Trainer künftig anders machen muss als bisher, aber auch, was mir gut gelungen ist.

Der Betze brennt: Nach Ihrer erfolgreichen Zeit in Darmstadt galten Sie auf dem Trainermarkt als heißer Typ ...

Grammozis: (lacht) Bin ich doch immer noch.

"Ich bin keiner, der sich nur Wohlfühloasen sucht"

Der Betze brennt: Worauf wir hinauswollen, ist: Sie hatten einige Angebote auf dem Tisch, haben sich aber für Schalke entschieden, das bekannt dafür ist, nicht gerade viel Geduld mit Trainern zu haben. War das nicht ein Fehler, wenn Sie mit dem Wissen von heute draufschauen?

Grammozis: Nein. Traditionsvereine haben für mich nun mal einen ganz besonderen Charme, schon immer. Ich habe schon als Kind lieber Gladbach und Kaiserslautern geschaut als was anderes. Und wenn ich bei ähnlichen Voraussetzungen die Wahl habe zwischen einem Traditionsverein und einem dieser jüngeren Klubs, würde ich wohl immer den Traditionsverein vorziehen. Auch wenn es da vielleicht weniger Geld zu verdienen gibt, auch wenn das Arbeiten da vermeintlich schwieriger ist. Ich bin keiner, der sich nur Wohlfühloasen sucht. Schalke hat mich damals einfach am stärksten gereizt. Tolle Fans, tolles Stadion, toller Background.

Der Betze brennt: Und wie enttäuscht waren Sie, als es auf Schalke vorbei war?

Grammozis: Von Enttäuschung würde ich gar nicht sprechen. Schlussendlich ist die Mannschaft, die wir zusammengestellt hatten, ja noch aufgestiegen. Als ich im März 2021 anfing, war ja eigentlich schon klar, dass der Bundesliga-Abstieg kaum noch zu vermeiden sein würde. Wir haben dann viel Energie in den Neuaufbau gesteckt. Und Ihr wisst ja selbst, welche Rolle kleine Faktoren spielen können. Manchmal brauchst du einfach auch Matchglück, da muss der Ball halt mal vom Pfosten ins Tor gehen statt ins Feld zurückspringen. Aber ich habe in der 2. Bundesliga mit Schalke nur ein einziges Mal zwei Spiele hintereinander verloren. Am Ende bin ich da nicht in dem Bewusstsein rausgegangen, gescheitert zu sein, sondern mit dazu beigetragen zu haben, dass dieser großartige Klub wieder in der Bundesliga spielte.

Der Betze brennt: Gehen Sie Ihre Aufgabe hier mit der gleichen Einstellung an?

Grammozis: Absolut. Meine persönlichen Interessen stehen immer hinten an, es geht immer nur um den Verein, so war das bislang bei all meinen Jobs. Und wenn ich irgendwann wieder gehe und diesen Verein so hinterlasse, dass alle, die mit ihm zu tun haben, wieder Spaß haben am FCK und gerne ins Stadion kommen, bin ich zufrieden. Erst recht, wenn vor allem die junge Generation denkt, dass auch Redondo oder Ritter geile Spieler sind - um exemplarisch mal nur zwei Namen zu nennen. So wünsche ich mir das, ich weiß aber auch, dass das nicht von heute auf morgen geht. Dieser Verein aber hat so viel Strahlkraft, so viel Power, dass wir mit harter Arbeit dahin kommen können.

Der Betze brennt: Nach anderthalb Jahren mit freier Zeiteinteilung direkt wieder hinein in eine - mindestens - 60-Stunden-Woche, wie schafft man das?

Grammozis: Man muss natürlich vorbereitet sein auf so eine neue Aufgabe, mental wie körperlich. Damit es sich eben nicht anfühlt, als starte man in fünf Sekunden von null auf hundert durch. So, wie man auch darauf vorbereitet sein muss, dass es im Laufe einer Saison immer auch mal eine Diskussion um den Trainer geben kann. Aber ich bin nicht Trainer geworden, weil mir sonst nichts eingefallen ist, nachdem meine Spielerkarriere vorbei war. Ich wollte in diesem Beruf arbeiten, und ich will ihn auf hohem Niveau ausüben. Also muss ich entsprechend was dafür tun. Ich muss aber auch sagen, dass mir der Einstieg hier so leicht wie möglich gemacht wurde. Spieler, Staff, alle haben uns optimal unterstützt.

"Persönliches steht hinten an, es geht nur um den Verein"

Der Betze brennt: Wie laden Sie bei diesem Arbeitspensum Ihre Batterien wieder auf? Fahren Sie dann mal zwei, drei Tage zur Familie oder haben Sie sowas wie tägliche Rituale?

Grammozis: Zwei, drei Tage zur Familie ist schwierig, wir haben hier ja viel Arbeit. Aber wenn wir mal einen Tag frei haben, dann bin ich immer gerne bei meiner Familie. Und dann bin ich einer, der das Handy auch mal zur Seite legt oder nur für ganz wichtige Dinge erreichbar ist. Dann bin ich nicht mehr der Fußballtrainer, sondern dann bin ich der Vater und Ehemann. Ich habe die Erfahrung gemacht: Je mehr man aufs Handy achtet, desto weniger ist man mental zu 100 Prozent bei der Familie und den Menschen um einen herum. Man ist dann zwar körperlich präsent, aber dann liest man irgendeine Nachricht und sofort rattert es wieder im Kopf. Das habe ich mir schon am Anfang meiner Trainerzeit vorgenommen, diese Familienzeit zu separieren und als wichtigen Energiespender zu nutzen. Wenn dann die Arbeit wieder losgeht, bin ich aber auch wieder zu hundert Prozent hier und voll fokussiert.

Der Betze brennt: Wer waren denn Ihre wichtigsten Ansprechpartner in den ersten Tagen beim FCK?

Grammozis: Im Gegensatz zu Schalke ist das Trainerteam hier ja personell kompakter aufgestellt. Was in diesem Fall ein Vorteil ist, weil alles auf kurzen Wegen abläuft. Und ich kann ja nicht vom Start weg schon alles wissen. Da bin ich natürlich auf das Feedback von Niklas Martin und Oliver Schäfer (Co-Trainer und Athletik-Trainer; Anm. d. Red.) angewiesen, die schon länger mit der Mannschaft arbeiten. Und die mich beispielsweise darauf aufmerksam machen können, wie sensibel ein Spieler ist, bevor ich in ein Gespräch mit ihm gehe. Der eine braucht eher unterstützende Worte, den anderen kann und muss man auch mal härter anfassen. Aber auch bei der Trainingsgestaltung sind die beiden wichtig. Wir können nur als Team erfolgreich sein.

"Ich habe keine Angst, junge Spieler einzusetzen"

Der Betze brennt: Einer wird bei der Vorstellung eines neuen Trainers meistens vergessen: der Assistent, den er mitbringt. Ihrer heißt Sven Piepenbrock. Stellen Sie ihn uns doch mal vor.

Grammozis: Sven stammt aus Oberhausen und ich kenne ihn schon seit meiner Jugendtrainer-Zeit in Bochum. Wir haben damals schnell festgestellt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben, nicht nur menschlich, sondern auch in der Art, wie wir unsere Arbeit sehen. Darum habe ich ihn auch nach Darmstadt und nach Schalke mitgenommen. Und als ich ihm erzählte, dass wir die Chance haben, nach Kaiserslautern zu gehen, war er sofort Feuer und Flamme. Sven ist ein Workaholic, genau wie ich. Fußball ist für uns nicht nur anderthalb Stunden auf dem Platz, sondern auch das ganze Drumherum, Videoanalysen, Einzelgespräche, Strukturen schaffen, Trainingspläne ausarbeiten, Wochenpläne und, und, und. Für mich ist das unglaublich wichtig zu wissen, dass ich nicht der Einzige bin, der versucht, einen neuen Input reinzubringen. Sondern dass da jemand an meiner Seite ist, der genauso tickt wie ich.

Der Betze brennt: Sie sind aus Bochum eine enge Verzahnung zwischen Nachwuchs- und Profibereich gewohnt, haben als Jugendtrainer auch einige Talente an die Erste Mannschaft herangeführt. In Lautern soll das eigentlich auch so ein, allerdings ist es mittlerweile eine ganze Weile her, dass ein Nachwuchskicker mal dauerhaft zu Einsätzen bei den Profis kam. Ist das ebenfalls ein Punkt, auf den sie wieder stärker fokussieren wollen?

Grammozis: Ich kann nicht beurteilen, inwieweit meine Vorgänger dieses Thema angegangen sind. Ich kann nur für mich sagen, dass ich gerne mit jungen Spielern arbeite. Ich denke auch, dass es für jeden Profiklub ein Anreiz sein muss, eigene Jungs nach oben zu bringen. Und wir haben dafür am Fröhnerhof gute Bedingungen. In diesen ersten Tagen fehlte mir noch die Zeit, mir einen Überblick zu verschaffen, aber im Lauf der Rückrunde werde ich mich eingehend informieren, mit den Trainern sprechen, mich auch regelmäßig mit ihnen treffen und mir Spieler und Spiele anschauen. Ich habe keine Angst, junge Spieler einzusetzen, das habe ich auch auf Schalke öfter getan. Beispielsweise habe ich Blendi Idrizi, der unlängst gegen Rostock getroffen hat, oder Keke Topp, der zuletzt fleißig Einsatzminuten sammelte, in den Profikader geholt.

Morgen im zweiten Teil des großen DBB-Interviews: Dimitrios Grammozis über das Selbstbewusstsein des FCK und seine Fußball-Philosophie - und über Philipp Klement, Terrence Boyd und Almamy Touré sowie Otto Rehhagel, Erik Gerets und Frank Pagelsdorf.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Ich will den maximalen Erfolg, in jedem Spiel"

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