"Als vor Weihnachten klarer wurde, dass es dieses Mal wirklich zu Ende geht, hat Papa morgens auf die Frage, wie es ihm geht, geantwortet, dass die Nacht so gut gewesen sei, dass er überlegt habe, noch ein paar weltpolitische Probleme zu lösen. Er hat dabei wie so oft spitzbübisch gelächelt und gemeint, er habe keine Angst vor dem Sterben und wäre auch mit sich im Reinen. Es sei nur ein merkwürdiger Gedanke, dass er in ein paar Tagen nicht mehr hier liege."
Mit diesen emotionalen Worten beginnt Christine Strobl, die älteste Tochter von Wolfgang Schäuble, ihre bewegende Rede, die sie auf der Beerdigung ihres verstorbenen Vaters hält. Die Trauerfeier findet am 5. Januar in der evangelischen Stadtkirche in Offenburg statt. Der Bundestagspräsident, CDU-Vorsitzende und Finanz- und Innenminister verstarb kurz nach Weihnachten, am 26. Dezember, mit 81 Jahren an seiner Krebserkrankung. Um von dem Politiker Abschied zu nehmen, sind zahlreiche Wegbegleiter, Freunde, Familie und Bekannte zum Gottesdienst gekommen.
Schäuble-Tochter Christine Stroble rührt mit ihrer Trauerrede
Den Höhepunkt der Emotionalität erreicht dieser bei Christine Stroble Rede: "Papa ist ohne Mama nicht denkbar gewesen. Mamas Leben war über 50 Jahre unserer Familie gewidmet, in den letzten 33 Jahren darauf ausgerichtet, dass es Papa gut geht. Meine Anrufe bei Mama begannen in all den Jahren immer mit einem vorsichtigen Herantasten zu der Frage, wie es Papa geht. Wenn Mama erklärte, Papa ginge es eigentlich ganz gut, dann war alles Weitere auch in Ordnung."
Schäuble-Tochter musste Attentat miterleben
Weiter betont Strobl, dass es in der Familie stets einen "besonders intensiven familiären Zusammenhalt" gegeben habe. Nicht zuletzt aufgrund des Attentats auf Schäuble im Jahr 1990 und seiner vielen Erkrankungen, die er der Öffentlichkeit verschwieg. "Aus nächster Nähe dies erlebend, kann ich nur feststellen, dass er immer wieder mit unglaublicher Kraftanstrengung den Weg aus scheinbar ausweglosen gesundheitlichen Situationen gefunden hat. Sein unbedingter Wille, aus dem Leben, so wie es ist, etwas zu machen, wird immer Vorbild bleiben."
Strobl habe ihren Vater immer bewundert, denn er habe sich für die Arbeit, sein politisches Wirken immer unglaublich zusammenreißen und immer wieder aufraffen können. In der Woche vor aber habe sie einen Anruf aus Hamburg bekommen, dass sie in die Klinik nach Heilbronn kommen solle, weil es mit ihm zu Ende gehen könnte. Doch Schäuble verblüffte seine Familie: Entgegen der ärztlichen Einschätzung konnte er das Weihnachtsfest noch im Kreise seiner Familie verbringen. "Er habe mit Mama telefoniert, die ihm gesagt habe, dass sie ohne ihn nicht leben könne und dann sei ja klar, dass er nicht sterben können. 'Da kann ich jetzt keinen Huddel machen', meinte er. Er hat seine Kräfte gezielt eingeteilt für den Kirchgang am Heiligabend in diese Kirche, hat 'oh Du Fröhliche' mit uns gesungen und wir konnten am Tannenbaum zu Hause zusammen sein. Wir sind am Tag drauf noch mit ihm zum traditionellen Reh-Essen mit Spätzle und dem geliebten badischen Spätburgunder ins Restaurant gegangen. Er sieht bei aller Anstrengung und Kraft, die ihn das gekostet haben muss, auf den Fotos glücklich und gar nicht todgeweiht aus. Er wollte uns noch mal ein gemeinsames Weihnachten schenken. In einer kurzen klaren Ansprache beim letzten gemeinsam Abendessen hat er Abschied von uns genommen und sich für die Begleitung im Leben und beim Sterben bedankt."
"Papa, Du hast uns gezeigt, wie man als erfolgreicher Vater keinen Druck auf seine Kinder aufbauen muss"
Nun war es an Strobl, sich zu verabschieden. Was sie mit folgenden liebevollen Worten tat: "Papa, Du hast uns gezeigt, wie man mit sich im Reinen und würdevoll sterben kann. Du hast uns gezeigt, wie man als erfolgreicher Vater keinen Druck auf seine Kinder aufbauen muss. Du hast uns gezeigt, wie man seine südbadische Heimat lieben und trotzdem die Welt fest im Blick haben kann. Du hast uns gezeigt, dass sich die Starken um die Schwächeren kümmern müssen. Du hast uns gezeigt, dass man nach Niederlagen wieder aufstehen kann. Du hast uns gezeigt, dass man sich selber nicht so wichtig nehmen soll. Und Du hast uns gezeigt, was mit Wille möglich ist. Papa, Du warst ein Gesamtkunstwerk. (...) Papilein, jetzt ist alles erledigt. Wir werden auf Mama aufpassen. Wir werden Dich immer lieben, aber wir lassen Dich jetzt gehen, dankbar für unsere gemeinsame Zeit. Deine beiden Brüder warten im Himmel auf Dich, denen fehlt der dritte Mann zum Skatspielen und ganz sicher ist da oben ein besonderer Platz für Dich reserviert, da müssen schließlich auch weltpolitische Probleme gelöst werden. Es ist alles gut, es ist nur ein merkwürdiger Gedanke, dass Du nicht mehr da bist."
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