Lambrecht zu Familienpolitik: „Lesbische Paare von Anfang an Eltern“ - WELT
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Deutschland Reform des Familienrechts

„Auch lesbische Paare sollen von Anfang an Eltern sein“

Politik-Redakteurin
Christine Lambrecht - deutsche Politikerin SPD - Rechtsanwältin - Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz - hier aufgenommen in ihrem Bureau im Ministerium Christine Lambrecht - deutsche Politikerin SPD - Rechtsanwältin - Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz - hier aufgenommen in ihrem Bureau im Ministerium
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
Künftig soll es möglich sein, dass von Geburt an zwei Frauen die Elternrolle übernehmen: Mutter und Mit-Mutter. Auch an anderen Stellen will Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Familienrecht weiter reformieren.

WELT: Frau Lambrecht, Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, finanziell gerechte Regeln für Eltern zu entwickeln, die sich nach einer Trennung gemeinsam um ihre Kinder kümmern wollen. In Ihrem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf findet sich davon nichts wieder. Warum?

Christine Lambrecht: Zum Thema Unterhaltsreform hatten wir hier im Haus sehr intensive Beratungen. Dabei sind auch die offenen Fragen wieder deutlich geworden. Hier ist eine sehr umfassende Reform nötig, die zum Beispiel auch das Steuerrecht tangiert. In der verbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode ist das nicht zu schaffen.

WELT: Vor allem Väter fühlen sich von der SPD im Stich gelassen. Die Emotionen kochen bei dem Thema hoch. Ist das Problem nicht einfach, dass für Nachtrennungsfamilien die finanzielle Decke einfach viel zu kurz ist?

Christine Lambrecht: „Wir können das Geld nicht vermehren“
Christine Lambrecht: „Wir können das Geld nicht vermehren“
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Lambrecht: So ist es. Es ist eben immer nur eine bestimmte Summe zu verteilen. In der Familie hat man damit gemeinsam gewirtschaftet, nach einer Trennung müssen davon zwei Haushalte leben. Letztlich geht es hier um die Konsequenzen fürs Kind. Wir können das Geld nicht vermehren, aber wir können uns überlegen, ob es nicht kluge Möglichkeiten gibt, die Trennungssituation abzubilden – zum Beispiel im Steuerrecht.

WELT: Denken Sie an eine neue Steuerklasse für getrennt Erziehende?

Lambrecht: Oder einen Bonus, der die besonderen Belastungen berücksichtigt, ja. Das ist eine der Fragestellungen, die wir ausführlich diskutieren müssen. Es darf ja auch keine Besserstellung gegenüber anderen Familien geben.

WELT: Eine Expertengruppe in Ihrem Ministerium hatte vorgeschlagen, auch unverheirateten Vätern ab der Geburt automatisch das Sorgerecht zu geben. In Ihrem Gesetzentwurf steht nun: Ohne die Zustimmung der Mutter geht nichts. Warum?

Lambrecht: Im Regelfall – dann, wenn die Eltern sich einig sind – reicht in Zukunft nach meinem Vorschlag die Vaterschaftsanerkennung, um das gemeinsame Sorgerecht zu bekommen. Eine weitere Sorgerechtserklärung ist nicht nötig. Es gibt aber Sondersituationen, etwa wenn Gewalt ausgeübt wurde. Es ist nicht zumutbar, dass die Mutter in einem solchen Fall erst ein Gericht anstrengen muss, um allein sorgeberechtigt zu sein. Das muss jedem einleuchten.

„Eine Elternschaft von drei Personen wird es nicht geben“
„Eine Elternschaft von drei Personen wird es nicht geben“
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

WELT: Tiefgreifende Änderungen soll es für Kinder lesbischer Paare geben. Künftig soll es möglich sein, dass von Geburt an zwei Frauen die Elternrolle übernehmen: die Mutter und eine Mit-Mutter. Was erhoffen Sie sich davon?

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Lambrecht: Es ist ein Vorschlag im Sinne des Kindeswohls. Wenn der Geburtsmutter etwas zustößt, kann nach der bisherigen Rechtslage das Kind in eine rechtlich ungesicherte Situation kommen, solange das Adoptionsverfahren durch die Partnerin noch nicht abgeschlossen ist. Ich möchte verhindern, dass Kinder in einem solchen Fall ohne Elternteil dastehen. Deshalb sollen auch lesbische Paare von Anfang an Eltern sein und die gemeinsame Sorge übernehmen dürfen.

WELT: Wenn ein anonymer Samenspender der Vater ist, ist die Rechtssicherheit ein wichtiges Argument. Was aber, wenn es sich um eine private Samenspende handelt?

Lambrecht: Wenn es einen Vater gibt und der seine Vaterrolle auch übernehmen will, gilt das natürlich nicht. Denn dann hat das Kind ja Eltern. Allerdings müsste er die Mutterschaft der anderen Frau dann erst anfechten. Denn wenn ein Kind in eine Ehe hineingeboren wird, egal ob hetero- oder homosexuell, gilt zunächst immer der Ehepartner als rechtlicher Elternteil, nicht der biologische Vater. Dann muss das Gericht entscheiden. Eins ist jedenfalls klar: Eine Elternschaft von drei Personen wird es nicht geben.

Väter könnten bald automatisch Sorgerecht ab Geburt bekommen

Bisher muss die Mutter einverstanden sein, wenn unverheiratete Väter das Sorgerecht haben wollen. Das Justizministerium will das jetzt ändern. Das gefällt aber nicht allen.

Quelle: WELT

WELT: Was spricht gegen eine Mehrelternschaft?

Lambrecht: Das ist aus Gründen des Kindeswohls nicht sachgerecht. Partnerschaften von Erwachsenen können in die Brüche gehen. Kinder brauchen aber Sicherheit und Klarheit darüber, wer ihre Eltern sind. Denn daraus resultieren ja auch rechtliche Ansprüche.

WELT: Die unionsgeführten Ministerien haben Ihren Gesetzentwurf derzeit blockiert. Woran entzündet sich die Kritik?

Lambrecht: In der Union gab es Befürchtungen, dass die Väter aus ihrer rechtlichen Position verdrängt werden sollen. Ich denke, dass inzwischen klar ist, dass es darum nicht geht.

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WELT: Schwule fühlen sich durch die neue Regelung gegenüber lesbischen Paaren diskriminiert …

Lambrecht: Die Situation ist bei schwulen Paaren anders. Hier ist zu berücksichtigen, dass ein Kind auch immer eine leibliche Mutter hat. Daher lässt sich das Modell nicht genauso auf schwule Paare übertragen.

WELT: Auch ein anderes Projekt von Ihnen und Frauenministerin Franziska Giffey (SPD), das Gesetz über Frauen in Führungspositionen, wurde in der Ressortabstimmung gestoppt. Sie wollten damit Frauenquoten auch für Vorstände einführen. Zu progressiv für Ihren Koalitionspartner?

Lambrecht: Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum wir bei dem Thema so lange kämpfen müssen. Wir haben Jahrzehnte gegen viele Widerstände um die Quote für Aufsichtsräte gerungen. Jetzt gibt es sie endlich und siehe da: Sie wird sogar übererfüllt. Die Vorstände sind der nächste Schritt. 70 Prozent der Unternehmen sagen: Wir wollen in den nächsten Jahren null Frauen in den Vorständen. Das können wir nicht hinnehmen und schlagen deshalb eine Mindestbeteiligung von Frauen in den Vorständen sehr großer Unternehmen vor. Wir haben schließlich einen Gleichstellungsauftrag im Grundgesetz.

„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie haben besondere Bedürfnisse und Belange“
„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie haben besondere Bedürfnisse und Belange“
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

Wir haben jetzt eine Arbeitsgruppe gebildet, um zu schauen, wie wir das Gesetz umsetzen können. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch gelingt. Viele Frauen in der Union haben daran auch großes Interesse.

WELT: Und die Kinderrechte? Im Koalitionsvertrag steht, sie sollen ins Grundgesetz. Vor einem Jahr haben Sie einen Entwurf vorgelegt. Doch die Union sträubt sich auch hier. Was ist da los?

Lambrecht: Ich habe einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der sehr maßvoll ist und ein Ergebnis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe war, die eineinhalb Jahre daran gefeilt hat. Insofern erwarte ich da jetzt sehr rasch Ergebnisse. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, sie haben besondere Bedürfnisse und Belange.

WELT: Die Union befürchtet, dass der Staat über das Vehikel Kinderrechte zu stark in Elternrechte eingreifen könnte. Ist da nicht etwas dran?

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Lambrecht: Ich kann das juristisch nicht nachvollziehen. Und die Bevölkerung übrigens auch nicht. 71 Prozent sind laut einer aktuellen Umfrage des Kinderhilfswerks für die Kinderrechte im Grundgesetz – auch eine große Mehrheit der Unionsanhänger. Es geht nicht darum, Elternrechte einzuschränken. Es geht darum, die besondere Situation von Kindern in unserer Werteordnung festzuschreiben. Dazu gehören auch die angemessene Berücksichtigung des Kindeswohls und die Beteiligung bei Einzelentscheidungen. Die Elternrechte bleiben durch meinen Entwurf unberührt.

WELT: Befürchtet wird, dass Jugendämter vorschnell und übergriffig in Familien eingreifen …

Lambrecht: Es ist völlig unstreitig, dass Kinder in den allermeisten Fällen am besten in ihrer Familie aufgehoben sind. Leider gibt es aber auch vereinzelt Fälle, in denen das nicht so ist. In einigen Fällen schlimmster sexueller Gewalt, die jetzt öffentlich diskutiert werden, hätte ich mir gewünscht, dass das Jugendamt Kinder früher in Obhut genommen hätte. Da wäre ihnen viel Leid erspart geblieben.

WELT: Um den Schutz von Kindern geht es auch bei Ihrem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt. Sie soll künftig als Verbrechen geahndet werden. Was ist Ihnen wichtig an diesem Gesetz?

Lambrecht: Mir geht es darum, Kinder bestmöglich vor diesen grauenhaften Verbrechen zu schützen. Das Strafrecht kann dabei nur ein Baustein sein. Wir brauchen vor allem eine konsequente Ermittlungsarbeit und einen hohen Fahndungsdruck – das bestätigen alle Fachleute. Täter fürchten am meisten, entdeckt zu werden und ihre bürgerliche Fassade zu verlieren. Deswegen geben wir den Ermittlern die Instrumente, die sie brauchen.

Durch die Verschärfung des Strafrechts können Ermittler zukünftig auch die Vorratsdatenspeicherung nutzen, wenn das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof die deutsche Regelung zur Datenspeicherung bestätigen. Härtere Strafen wird es aber auch geben: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss künftig als Verbrechen verfolgt und mit Freiheitsstrafen geahndet werden. Das gilt auch für Kinderpornografie. Denn für jedes dieser Bilder wird ein Kind gequält und misshandelt.

Christine Lambrecht und WELT-Autorin Sabine Menkens während des Interviews im Büro der Justizministerin
Christine Lambrecht und WELT-Autorin Sabine Menkens während des Interviews im Büro der Justizministerin
Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT

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