Christiane Vulpius Goethe (1765�1816): Geliebte, Gef�hrtin und Beraterin
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KULTUR

Christiane Vulpius Goethe (1765�1816): Geliebte, Gef�hrtin und Beraterin

Kr�mer, Sandra

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Weibliches Bildnis, als Bildnis der Christiane Vulpius gedeutet. Kreidezeichnung, 1800, von Friedrich Bury (1763–1823), spätere Kolorierung
Weibliches Bildnis, als Bildnis der Christiane Vulpius gedeutet. Kreidezeichnung, 1800, von Friedrich Bury (1763�1823), sp�tere Kolorierung

Niemals sollte sie von der feinen Oberschicht akzeptiert werden. Schuld daran waren vor allem Christianes Herkunft und ihr unkonventionelles Zusammenleben mit dem Dichterf�rsten. Sie wurde vor 250 Jahren geboren.

Christiane wurde am 1. Juni 1765 als zweites von sechs Kindern des Weimarer Amtsarchivars Johann Friedrich Vulpius und seiner Frau Christiane Margarete Riehl geboren. Die Familie lebte in �rmlichen Verh�ltnissen, wiederholt richtete sie Gnadengesuche an das geheime Konzil, dem auch der Geheimrat und �Dichterf�rst� Goethe angeh�rte. Als ihr Bruder Christian August in eine Notlage geriet und seinen Posten als Privatsekret�r zu verlieren drohte, schickte er Christiane, die durch ihre Arbeit in Bertuchs Blumenmanufaktur zum Familienunterhalt beitrug, mit einem Bittgesuch zu ihm. Diese bedeutsame Begegnung zwischen Goethe und Christiane fand am 12. Juli 1788 im Park an der Ilm statt. Tag und Schauplatz wurden fortan von ihnen beiden als Beginn und Ort ihres B�ndnisses feierlich begangen. Ein Dreivierteljahr lang gelang es dem Paar, seine Liebesbeziehung geheim zu halten, bevor sie im Fr�hjahr 1789 publik wurde. Ein Aufschrei der Emp�rung hallte �ber die Residenzstadt, zumal die von Goethe zeitgleich ver�ffentlichten Elegien Erotica romana R�ckschl�sse auf dieses nicht standesgem��e, wilde Verh�ltnis zulie�en. Am 25. Dezember wurde der gemeinsame Sohn Julius August Walther geboren. Goethe nahm Mutter und Sohn in sein Haus am Frauenplan auf. Doch erst Jahre sp�ter entschloss sich Goethe, seine Gef�hrtin zu ehelichen. Die Trauung zwischen dem 57-j�hrigen Dichter und seiner 16 Jahre j�ngeren Frau fand am 19. Oktober 1806 in der kleinen Sakristei der Stadtkirche in Anwesenheit zweier Trauzeugen statt.

Christiane � Goethes Ideal der wundervollen Geliebten und treuen Gef�hrtin, die er zu �freier und m�glichst ungehinderter Entwicklung seiner selbst� an seiner Seite akzeptierte � bew�hrte sich, wie selbst �rzte ihr bescheinigten, auch als aufopfernde und sachkundige Pflegerin eines oft kranken Ehemannes. Goethes k�rperliche Konstitution verhielt sich v�llig kontr�r zu seiner geistigen Schaffenskraft. Der Dichter hatte Zeit seines Lebens wiederholt mit allerlei gesundheitlichen Beschwerden aufgrund eines chronischen Lungenleidens und einer Geschwulst am Hals zu k�mpfen. Zu Beginn des Jahres 1801 erkrankte Goethe infolge einer Erk�ltung lebensgef�hrlich: heftige Anf�lle von Krampfhusten, hohes Fieber, eine starke Schwellung des linken Auges, Verfall in Fieberfantasien. Christiane verbrachte Tag und Nacht am Bett des Geliebten, versorgte ihn nach �rztlichen Vorgaben und versuchte, seine Leiden unerm�dlich durch warme Wickel und heilende Packungen zu lindern. Nach seiner Genesung bescheinigte ihr Goethe, �wie gut, sorgf�ltig und liebevoll sich meine liebe Kleine bei dieser Gelegenheit erwiesen�, und �kann ihre unerm�dete T�tigkeit nicht genug r�hmen�.

Aufopfernde Sorge um Goethe

In den folgenden Jahren war das Haus am Weimarer Frauenplan wiederholt von Krankheit und Tod gezeichnet. 1805 erkrankte Goethe an einer lebensbedrohlichen Nierenkolik. Aufopfernd und �ngstlich k�mmerte sich Christiane um ihren Geliebten, der �seit einem Vierteljahr keine gesunde Stunde gehabt und immer Perioden, wo man denken mu� er stirbt�. Zeitgleich erkrankten Christianes Stiefschwester Ernestine und Tante Juliane, die bei dem Paar lebten. Als am 9. Mai desselben Jahres der Dichter- und Hausfreund Friedrich Schiller starb und niemand den Mut hatte, es ihm zu melden, war es Christiane, die die richtigen Worte finden musste, �wie man es Goethe beibringen sollte�, der �die H�lfte seines Daseins� verloren glaubte.

Eigene Gef�hle zur�ckstellen

Gartenhaus Goethes im Park an der Ilm in Weimar. Hier lebte der Dichter unter anderem mit seiner Frau Christiane Vulpius. Fotos: picture alliance
Gartenhaus Goethes im Park an der Ilm in Weimar. Hier lebte der Dichter unter anderem mit seiner Frau Christiane Vulpius. Fotos: picture alliance

Christiane war sich von vornherein dar�ber bewusst, dass sie immer hinter ihres Mannes Werk und seiner Freundschaft zu Schiller zur�ckstehen musste. Zudem war sie gezwungen, ihre eigenen Gef�hle und Schmerzen aus R�cksicht auf Goethe zur�ckzustellen und stets Fassung zu bewahren. Alles, was Krankheit, Tod und Trauer betraf, war f�r Goethe seelisch schwer zu verkraften, und Christiane versuchte, es weitgehend von ihm fernzuhalten. Sie verschwieg ihm ihre Trauer um ihre kurz nach der Geburt verstorbenen vier Kinder und lange Zeit auch ihr eigenes k�rperliches Leiden. W�nschte Goethe sich doch, dass die Frau an seiner Seite stets �vergn�glich� war.

Das Ehepaar Goethe konsultierte vornehmlich die bedeutendsten �rzte ihrer Zeit wie Christoph Wilhelm Hufeland, den Leipziger Arzt Doktor Kapp, Doktor Schlegel aus Merseburg und die Weimarer Haus�rzte Kieser und Stark. Zu Christianes engsten �rztlichen Vertrauten entwickelte sich jedoch Nicolaus Meyer, mit dem sie auch sp�ter, als er als Arzt in seine Heimatstadt Bremen zur�ckkehrte, in engem Briefwechsel verbunden blieb. Meyer hatte 1805 im Hause Goethes als Medizinstudent in Jena seine Dissertation �ber vergleichende Anatomie verfasst und hierf�r die naturwissenschaftlichen Sammlungen Goethes genutzt. Er war der erste, dem Christiane ihr verstecktes Leiden anvertraute. Eine r�tselhafte Krankheit bereitete ihr wiederholt gro�e k�rperliche Probleme. Mit ganzer Kraft b�umte sie sich gegen ihre Beschwerden auf und unternahm alles, um �sich durch �u�ere Gegenst�nde von der Betrachtung seines innern Zustandes zu zerstreuen�. Mit gro�er Leidenschaft k�mmerte sie sich um ihre Familie, den gro�en Haushalt und Garten. Und auch Tanzen, Reiten und Schlittschuhlaufen erwiesen sich als ihrer Gesundheit f�rderlich: �Je mehr ich Bewegung habe, desto besser befinde ich mich.� Mit Goethe und vielen Zeitgenossen teilte sie die Auffassung, Wein sei ein gutes Heilmittel. Diese medizinische Praxis war zwar Wasser auf die M�hlen der sie verachtenden Weimarer, linderte jedoch ihre Schmerzen und brachte Erleichterung. B�dertherapien in Bad Lauchst�dt und Karlstadt sowie ausgedehnte Spazierg�nge in Bad Berka mit seinen heilsamen Schwefelquellen, allein oder in Begleitung Goethes, schufen ebenfalls Abhilfe, jedoch nur vor-�bergehend.

�Leere und Totenstille�

Anfang des Jahres 1816 wurde Christiane zunehmend von heftigen Kr�mpfen in der Magengegend geplagt. Sie erlitt zwei leichte Schlaganf�lle, von denen sie sich wieder erholte. Diese rasche Genesung lie� sie in dem Glauben, �da� es so gl�cklich �berstanden ist�, und gleichzeitig nichts von dem wenige Tage sp�ter einsetzenden Verh�ngnis erahnen. Der aus Jena herbeigeeilte Goethe wachte an ihrem Krankenbett und hielt ihr acht Tage andauerndes qualvolles Sterben in seinem Tagebuch fest. Christianes Kampf endete am Mittag des 6. Juni. Als Todesursache stellte man sp�ter Ur�mie infolge eines akuten Nierenversagens mit einhergehender Vergiftung des Blutes fest. Der letzte Satz in Goethes Tagebuch: Leere und Totenstille in und au�er mir.

Sandra Kr�mer M.A.

Sandra.Kraemer@studium.uni-hamburg.de

Auszug aus Goethes Tagebuch Mai/Juni 1816:

29. Mai. Gef�hrlicher Zustand meiner Frau.
30. Mai. Meine Frau wieder au�er Bett.
31. Mai. R�ckfall meiner Frau.
1. Juni. Verschlimmerter Zustand meiner Frau. Minchen ward krank � Hofmedikus Rehbein. Verschlimmerter Zustand meiner Frau.
3. Juni. Eine unruhige, sorgenvolle Nacht verlebt. Die K�chin dieselben Anf�lle, zu Bette. Frau von Heygendorff bei meiner Frau, die noch immer in gro�er Gefahr.
4. Juni. Meine Frau noch immer in der �u�ersten Gefahr. Kr�uter war die Nacht bei mir geblieben. Pl�tzlicher heftiger Fieberanfall. Ich mu�te mich zu Bette legen.
5. Juni. Den ganzen Tag im Bett zugebracht. Meine Frau in �u�erster Gefahr. Die K�chin und Minchen leidlich. Mein Sohn Helfer, Ratgeber, ja einziger haltbarer Punkt in dieser Verwirrung. Kr�uter die vergangene Nacht bei mir.
6. Juni. Nahes Ende meiner Frau. Letzter f�rchterlicher Kampf ihrer Natur. Sie verschied gegen Mittag �

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