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Heute endet wohl der „Anschein der Käuflichkeit“

Korrespondent
Vor zwei Jahren und zehn Tagen trat Ex-Bundespräsident Christian Wulff zurück – an diesem Donnerstag dürfte er freigesprochen werden Vor zwei Jahren und zehn Tagen trat Ex-Bundespräsident Christian Wulff zurück – an diesem Donnerstag dürfte er freigesprochen werden
Vor zwei Jahren und zehn Tagen trat Ex-Bundespräsident Christian Wulff zurück – an diesem Donnerstag dürfte er freigesprochen werden
Quelle: dpa
Im Prozess gegen Christian Wulff fällt heute das Urteil. Ein Freispruch gilt als sicher. Für den Ex-Bundespräsidenten wäre dieser der ersehnte Beweis, dass er sich „stets rechtlich korrekt“ verhielt.

Großer Medienauflauf draußen, drinnen ein paar Schritte die Treppe hinauf, den verglasten Gang entlang zum Schwurgerichtssaal Nummer 127 des Landgerichts von Hannover. Ein letzter Händedruck für die Justizbeamten, die diesen Prozess vom ersten Tag an betreut haben, noch ein paar Fotos. Dann, vorgesehene Uhrzeit ist 10.30 Uhr, fällt das Urteil in der Strafsache 40 KLs 6/13 gegen Christian Wulff, den früheren Bundespräsidenten, und seinen Freund David Groenewold.

Nach dem bisherigen Prozessverlauf inklusive zwei richtungsweisenden Zwischenfazits des Vorsitzenden Richters Frank Rosenow kann dieser Richterspruch nach übereinstimmender Einschätzung aller Beobachter nur „Freispruch“ lauten.

Im Kleingedruckten geht es dann womöglich noch um die Frage, ob dieser Freispruch einer mit Ausrufezeichen und Sternchen sein wird, allererster Klasse also. Oder ob das Gericht zumindest Zweifel an der Unschuld der Angeklagten erkennen lässt und seine Entscheidung eher „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten – trifft.

Verteidiger fordern „Freispruch erster Klasse“

Nach Einschätzung der Verteidigung kann es diesbezüglich ebenfalls keine zwei Meinungen geben. Aus ihrer Sicht hat sich die Staatsanwaltschaft schon bei der Eröffnung des Verfahrens gegen den früheren Bundespräsidenten auf „unhaltbare Spekulationen“ gestützt. Wulffs Anwälte haben deshalb diverse Male einen „Freispruch erster Klasse“ für ihren Mandanten gefordert. Die Anklage, so schätzen es die Strafrechtsprofessoren Bernd Müssig und Michael Nagel ein, „hätte erst gar nicht erhoben werden dürfen“.

Das sehen die Ermittler um Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer anders: Nach ihrer Einschätzung untermauern nach wie vor relevante Indizien die Vorwürfe. Demnach ließ sich Wulff erst von Groenewold zum Oktoberfest einladen und förderte wenig später dessen Filmprojekt „John Rabe“ gefällig. Dabei habe Wulff alle für sein damaliges Amt als niedersächsischer Ministerpräsident üblichen „Hygieneprinzipien“ außer Acht gelassen und somit den „bösen Anschein der Käuflichkeit“ erweckt.

Eimterbäumer hat in seinem Plädoyer vergangene Woche kein Strafmaß, sondern eine Fortsetzung der Beweisaufnahme gefordert. Der Fall sei noch nicht „entscheidungsreif“. Theoretisch, rein theoretisch könnte Richter Rosenow in seinem Urteil auch diesem Antrag folgen und die Vernehmung zweier weiterer Zeugen veranlassen.

Landgericht will „Urteil, das Bestand hat“

Das Ziel des Vorsitzenden der 2. Großen Strafkammer ist es erklärtermaßen, ein „Urteil zu fällen, das Bestand hat“. Das also nicht vom Bundesgerichtshof (BGH) als zuständiger Revisionsbehörde in Zweifel gestellt werden kann.

Das wäre möglich, wenn die Staatsanwaltschaft dem Gericht einen Verfahrensfehler nachweisen kann und der BGH in Karlsruhe, auch das gehört dazu, diesen als solchen auch anerkennt. Dann müsste der Prozess vor einer anderen Strafkammer, eventuell auch vor einem anderen Landgericht, von vorne aufgerollt werden.

Um diese für alle Beteiligten schon aus medizinischen Gründen wenig attraktive Variante zu Ende zu denken: Etwa ein halbes Jahr könnte nach Rosenows Urteil vergehen, ehe eine solche zweite Hauptverhandlung bei null beginnen könnte.

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Dann müssten eventuell alle 26 bisher gehörten Zeugen aus dem „Bayerischen Hof“ in München, von „Käfers Wiesnschänke“, aus Niedersachsens Staatskanzlei und von diversen Filmunternehmen aus Berlin nach Hannover zurückkehren. Einen fixen Beweis, dass Wulff und Groenewold sich doch korrupt verhalten hätten im Herbst 2008, könnten sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dann allerdings auch nicht liefern.

Wulffs neue Karriere als Wirtschaftsanwalt

Für Christian Wulff würde das eventuell eine Verlängerung jener Wartezeit bedeuten, die er sich für die Dauer des Prozesses genommen hat. Im vergangenen Dezember ließ er sich beim Oberlandesgericht Celle als Rechtsanwalt zulassen. Nach einem Freispruch, so berichtete zu Beginn dieser Woche der „Focus“, werde er einer bedeutenden Wirtschaftskanzlei beitreten.

Mit diesem Schritt in ein neues Berufsleben wäre die Causa Wulff dann nach mehr als zwei Dutzend juristisch geprüften Vorwürfen, einer Anklage und einem Gerichtsverfahren endgültig beendet. Wulff hätte dann – zwei Jahre und zehn Tage nachdem er Schloss Bellevue verlassen hat und genau wie in seiner Rücktrittserklärung angekündigt – den Beweis dafür erbracht, dass „ich mich in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten habe“.

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