Politik statt Sport: Die Binden-Affäre überschattet das erste Spiel der DFB-Elf

Politik statt Sport: Die Binden-Affäre überschattet das erste Spiel der DFB-Elf

Die deutsche Nationalmannschaft startet mit dem Duell gegen Japan in das WM-Turnier. Doch das Spiel an sich ist nur noch Nebensache. Ein Bericht aus Katar.

Bundestrainer Hansi Flick hat eine äußerst komplizierte Situation zu meistern.
Bundestrainer Hansi Flick hat eine äußerst komplizierte Situation zu meistern.AFP/Fassbender

Im Medienzentrum der WM in Katar könnte problemlos auch die Weltklimakonferenz oder der G20-Gipfel veranstaltet werden. Das Qatar National Convention Center (QNCC) in Al-Rayyan vor den Toren der Hauptstadt Doha sieht aus wie auf Elefantenfüßen errichtet. Das Monstrum aus Stahl und Glas umfasst in neun Hallen 40.000 Quadratmeter. In einem dieser voluminösen Räume des Monsterbaus saß am Dienstag, etwa 22 Stunden vor dem Anpfiff des deutschen WM-Auftakts gegen Japan (Mittwoch, 14 Uhr, ARD), bei der obligatorischen Spieltags-Pressekonferenz der Bundestrainer.

Es ist eine wahrhaft komplizierte Situation für den Heidelberger Hansi Flick. Denn nie zuvor sind sein Arbeitgeber Deutscher Fußball-Bund (DFB) und mithin auch seine Mannschaft so sehr in eine Sandwichsituation zwischen Sport und Politik geraten wie in diesen ersten Tagen einer Veranstaltung, mit der in der Heimat viele schon abgeschlossen haben, ehe sie überhaupt richtig begonnen hat.

Die Kommentare aus Deutschland lassen sich problemlos übereinanderlegen, nachdem der DFB darauf verzichtet hat, in der Frage der „One Love“-Kapitänsbinde der Fifa die Stirn zu bieten: „Bankrotterklärung“, „Vertane Chance gegen die Fifa-Diktatur“, „Ein Hoch auf die Feigheit“, „Präsident mit der Standfestigkeit eines Wackelpuddings“ – es sind Botschaften, die zwischen Zorn und Enttäuschung changieren. Und es sind Beiträge, die auch im abgelegenen Basislager des DFB angekommen sind.

Der Rückhalt aus der Heimat ist perdu

Spieler und Staff mögen im Zular Wellness Resort noch so gut vor der Außenwelt abgeschirmt sein – sie haben dennoch in Erfahrung gebracht, dass justamente ein Shitstorm über sie herniederprasselt. Sie stehen am Pranger. Der Rückhalt aus der Heimat: perdu!

Der DFB hat in der Wahrnehmung von Öffentlichkeit und Medien all das mit dem Hintern wieder umgestoßen, was er sich nach der Wahl von Bernd Neuendorf zum Präsidenten im vergangenen März an Glaubwürdigkeit aufgebaut hatte. Wie eng Sport und Sportpolitik miteinander verwoben sind, war am Montagnachmittag an der Eckfahne des Trainingsstadions des Al Shamal Sports Clubs zu erleben: Es sah verdächtig nach einem Trauermarsch aus, als Neuendorf mit Oliver Bierhoff von einer Eckfahne zur anderen schritten, um zu erklären, wie sie in der Binden-Frage von der Fifa am Nasenring durch die Manege geführt worden waren.

Bierhoff hasst derlei Störfeuer

Besonders Bierhoff war der Verdruss anzumerken. Denn der Manager, seit 18 Jahren im Amt, weiß um die Verletzlichkeit eines Nationalmannschafts-Gebildes. Er hat das vor vier Jahren erlebt. Da war er machtlos, als der „Fall Özil“ zur Staatsaffäre wurde. Bierhoff sah damals unglücklich aus und sieht jetzt auch wieder unglücklich aus. Der 54-Jährige stöhnt: „Es ist echt ärgerlich. Da kommt am Spieltag ganz bewusst gesetzt so eine Entscheidung der Fifa.“ Die Spieler werden abgelenkt vom Eigentlichen. Bierhoff hasst derlei Störfeuer.

Doch der Tunnel ist dann von der Fifa eingestürzt worden, der Staub wird auch bis zum Anpfiff der Partie gegen Japan nicht verflogen sein, bei der Leroy Sané am Knie verletzt fehlen wird.

Flick versucht, das Wesentliche im Blick zu behalten. Im Training spornt er die Spieler selbst bei einfachsten Passübungen an, er verschiebt Stangen für Trainingsübungen auf dem gepflegten Grün um Zentimeter. Er strahlt eine gesunde Mischung aus Lockerheit und Autorität aus. Sein Thema ist der Fußball, nicht die Politik. Zum WM-Gastgeber hat der Bundestrainer sich vor zwei Monaten pflichtgemäß, wiewohl doch auch deutlich geäußert. Die Frage nach der Richtigkeit des WM-Zuschlags für Katar „hätte schon viel früher beantwortet werden müssen – und zwar mit einem Nein!“

DFB will rechtliche Schritte prüfen

Am Dienstag erklärte er, dass er und die Mannschaft eine Gelbe Karte als Sanktion für Kapitän Manuel Neuer hingenommen hätten, aber „wir alle wussten nicht, um welche Strafen es sich handelt“. Die Art und Weise, „dass man irgendwelche Sanktionen androht, hat bei den Verbänden den Ausschlag gegeben, die Spieler dem nicht aussetzen zu wollen. Ich finde es schade, dass man für Menschenrechte nicht mehr gerade stehen darf.“

Im Streit mit dem Weltverband will der DFB nun jedenfalls rechtliche Schritte prüfen. Die Auseinandersetzung könnte vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) landen.