Grünen-Politiker Cem Özdemir: Aufstieg eines „anatolischen Schwaben“
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Cem Özdemir: Der Aufstieg eines „anatolischen Schwaben“

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Agrarminister Cem Özdemir von den Grünen ist gebürtiger Schwabe und Sohn türkischer Einwanderer. Über seinen politischen Werdegang, seinen Beruf und seine Familie.

Frankfurt/Main – In seinem Geburtsort am Fuße der Schwäbischen Alb sind die Menschen stolz: Cem Özdemir, ein gebürtiger Bad Uracher, hat Karriere in der Hauptstadt Berlin gemacht. Der Grünen-Politiker ist der erste Bundesminister – Bundeslandwirtschaftsminister – mit türkischen Wurzeln.

NameCem Özdemir
Geburtsdatum21. Dezember 1965
GeburtsortBad Urach (Baden-Württemberg)
Größe1,81 Meter
ParteiBündnis '90/Die Grünen - Mitglied seit 1981
BerufErzieher, Studium der Sozialpädagogik
EhefrauPia Castro seit 2003 verheiratet (getrennt lebend)
KinderTochter Mia (2006) und Sohn Vito (2010)

Cem Özdemir: Wo ist er geboren, was war er von Beruf?

Seine Eltern kamen Anfang der 1960er Jahre als Einwanderer aus der Türkei und lernten sich in Deutschland kennen. „Wenn man so will, ist Cem Özdemir ein Produkt des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens“, witzelt Özdemir in seiner Biografie auf seiner Homepage.

Am 21. Dezember 1965 kam Cem Özdemir in Bad Urach (12.000 Einwohner) zur Welt. Er wuchs als Einzelkind in der Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb auf. Sein Vater Abdullah stammt ursprünglich aus der türkischen Kleinstadt Pazar, seine Mutter aus Istanbul. Der Fabrikarbeiter und die Änderungsschneiderin haben sich in Deutschland kennengelernt.

In der Schüler hat Özdemir Startschwierigkeiten

In der Schule läuft es für den jungen Özdemir weniger gut. In der Änderungsschneiderei seiner Mutter Nihal kommt es jedoch zu einer Begegnung, die seinen Lebensweg prägt. Eine Lehrerin will ihre Hose reparieren lassen. Bei dieser Gelegenheit bittet Cems Mutter um Nachhilfe für ihren Sohn.  

„Du Lehrerin, du musst Cem helfen, Cem muss höhere Schule“, erzählt Irmgard Naumann im SWR-Interview. Zwei Jahre lang (von 1975 bis 1977) unterrichtet Naumann den jungen Özdemir, mit Erfolg. Cem Özdemir wechselt von der Grundschule auf die Hauptschule, bis er es schließlich auf das Gymnasium schafft.

Nach der Ausbildung zum Erzieher und nachgeholter Fachhochschulreife studiert er Sozialpädagogik (Abschluss 1994) an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen. Während seines Studiums arbeitet er als Erzieher in einem Jugendzentrum in Reutlingen. Özdemir jobbt beim Reutlinger General-Anzeiger und beim Lokalradio.

Özdemir heftet sich das Etikett „anatolischer Schwabe“ an

Seine Karriere in der Politik beginnt Özdemir gleich nach dem Studium 1994. Er spricht mit schwäbischem Dialekt. Das Etikett „anatolische Schwabe“ heftet er sich selbst an, so wird er auch schnell „türkischer Schwabe“ genannt.

Cem Özdemir: Grünen-Politiker Bundesminister mit türkischen Wurzeln, nennt sich selbst „anatolischer Schwabe“.
Cem Özdemir: Der Grünen-Politiker ist 2021 der erste Bundesminister mit türkischen Wurzeln. Er selbst nennt sich „anatolischer Schwabe“. © Florian Gaertner/imago

Özdemir hatte, obwohl in Bad Urach (Baden-Württemberg) geboren, zunächst nach dem damals geltenden Recht die türkische Staatsbürgerschaft. Als 16-Jähriger stellte er einen Einbürgerungsantrag, weil er „weder den verbindlichen Militärdienst in der Türkei ableisten wollte noch einsah, dass meine Freunde mit 18 wählen gehen durften und ich nicht“, schreibt Özdemir auf seiner Webseite. Seine Eltern fanden das damals „irritierend“. Doch für ihn sei völlig klar gewesen, dass er im Land seiner Geburt auch Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten sein wollte.

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Als erster Politiker mit türkischen Wurzeln in den Bundestag gewählt

1981 – Helmut Schmidt (SPD) war Bundeskanzler – tritt Cem Özdemir mit 16 Jahren den Grünen bei, um sich als Jugendlicher für den Umweltschutz zu engagieren. 1994 nach dem Studium der Sozialpädagogik wird Özdemir als erster Abgeordneter mit türkischen Wurzeln in den Deutschen Bundestag gewählt. Auch bei der Bundestagswahl 1998 schafft es der Grünen-Politiker über die Landesliste in den Bundestag.

Cem Özdemir ist 1994 der erste Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln. Sein Ausweis für den Bundestag ist ein Ausstellungsstück in einer Sonderausstellung in Bonn.
Cem Özdemir ist 1994 der erste Bundestagsabgeordnete mit türkischen Wurzeln. Sein Ausweis für den Bundestag ist ein Ausstellungsstück in einer Sonderausstellung in Bonn. © imago

Ein Schatten fällt 2002 auf den Grünen-Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir. Vom „Fall Özdemir“ sowie der „Bonusmeilen-Affäre“ ist in der Presse die Rede. Bundestagsabgeordnete sollen ihre dienstlich angesammelten Bonusmeilen aus dem Vielfliegerprogramm „Miles & More“ der Lufthansa nicht für Privatreisen nutzen. Der damals 36-Jährige soll indessen sechsmal seine dienstlich gesammelten Bonus-Flugmeilen für private Zwecke genutzt haben. Diese Vorwürfe konnte Özdemir damals nicht entkräften. Dazu kursierten Gerüchte über einen 80.000-Mark-Kredit von einem PR-Berater.

Kredit und Flugmeilen – Özdemir erlebt einen Rückschlag

Özdemir legt sein Amt als innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis ‘90/Die Grünen nieder und gibt im Juli 2002 seinen Rückzug aus der Bundespolitik bekannt. Für die Bundestagswahl am 22. September 2002 hatte er einen sicheren Listenplatz seiner Partei in Baden-Württemberg erhalten.

Von dem Rückschlag erholt sich Politiker Özdemir allerdings recht schnell. 2003 kandidiert der ehemalige Grüne-Bundestagsabgeordnete für das Europäische Parlament. Die politischen Stationen von Cem Özdemir im Überblick:

  • 1989 bis 1994 Mitglied im Landesvorstand der Grünen in Baden-Württemberg
  • 1994 Cem Özdemir wird als erster Abgeordneter türkischer Herkunft in den Deutschen Bundestag gewählt.
  • 1998 bis 2002 Innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Am 26. Juli 2022 legt Özdemir dieses Amt nieder.
  • 2002 scheidet Özdemir aus dem Bundestag aus.
  • 2004 bis 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments der Fraktion Die Grünen/EFA
  • 2008 bis 2018 Parteivorsitz der Grünen
  • Seit 2013 erneut Bundestagsabgeordneter
  • 2018 Vorsitzender im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
  • Seit 2021 Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

Im Dezember 2021 übernimmt Cem Özdemir das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers innerhalb der Ampel-Koalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Robert Habeck und Annalena Baerbock führen Bündnis ‘90/Die Grünen bis zur Bundestagswahl als Doppelspitze an.

Cem Özdemir und die Beziehung zu Pia Castro

„Es war Liebe auf den ersten Blick, wie man so schön sagt“, erzählt Cem Özdemir 2020 in einem Interview mit der Brigitte. Seine Ehefrau Pia Castro traf der Grünen-Politiker 2001 bei einer Veranstaltung in Berlin. „Ich wollte so schnell wie möglich ihre Telefonnummer rauskriegen.“

Cem Özdemir mit Ehefrau Pia Maria Castro auf dem roten Teppich bei der Eröffnung der Berlinale 2022.
Cem Özdemir mit Ehefrau Pia Maria Castro auf dem roten Teppich bei der Eröffnung der Berlinale 2022. © Eventpress Golejewski/imago

Die gebürtige Argentinierin ist damals als Journalistin bei Radiosender Multikulti tätig. 2003 heiraten die beiden in Washington (USA). Es ist eine Hochzeit unter freiem Himmel am Potomac River. Der Grund: In den Vereinigten Staaten seien die bürokratischen Hürden deutlich kleiner als in Deutschland. Das Paar hat eine Tochter und einen Sohn. Im November 2023 gaben Cem Özdemir und Pia Castro bekannt, getrennt zu leben. Dies erklärten beide in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Özdemir ist Vegetarier und überzeugter Radfahrer

Cem Özdemir isst kein Fleisch. Seit seinem 17. Lebensjahr ist er Vegetarier. Zu seiner Amtsernennung im Schloss Bellevue kam der frisch gebackene Agrarminister mit dem Fahrrad. Selbst die doch frischen Temperaturen an diesem Tag hielten ihn nicht ab. Porsche-Fahren und Grünen-Mitglied sein, schließt sich nicht aus. „Jeder darf fahren, was er will“, sagte Grünen-Politiker dem Magazin Bunte im Jahr 2017. „Ich wette, Christian Lindners Porsche hänge ich im Elektroauto an jeder Ampel ab.“

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