Thermische Charakterisierung elektronischer Systeme

Lebensdaueruntersuchung Thermische Charakterisierung elektronischer Systeme

Andreas Griesinger *

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Die thermische Optimierung erfordert eine präzise Analyse der Wärmepfade. Bauchgefühl und Erfahrung reichen aufgrund gestiegener Systemkomplexität und Anforderungen nicht mehr aus.

Bild 1: Modellierung eines elektronischen Systems mit einem einfachen thermischen RC-Netzwerk.
Bild 1: Modellierung eines elektronischen Systems mit einem einfachen thermischen RC-Netzwerk.
(Bild: Zentrum für Wärmemanagement Stuttgart)

Die Zuverlässigkeit und Lebensdauer elektronischer Systeme hängt entscheidend von ihrer thermischen Belastung ab. Design, Größe und Gewicht werden vom Kühlkonzept mit bestimmt. Daraus ergibt sich der Wunsch der Elektronikentwickler, die thermischen Verhältnisse in ihrem Produkt bereits in einer frühen Entwicklungsphase zu verstehen.

Der Traum des Ingenieurs ist ein einfaches Tool, möglichst in Excel, das ein CAD-Modell fehlerfrei einlesen kann. Mit einer einfachen Eingabe will der Entwickler Parameter, wie z.B. Verlustleistungen, Kühlkörpergeometrie oder die Platzierung der Bauelemente selbst variieren. Auf Knopfdruck soll das Programm die Temperaturen, Wärmeströme und Strömungsverhältnisse an allen gewünschten Stellen und Flächen im Gerät liefert. Gerne dürfte noch die zu erwartende Lebensdauer der einzelnen Komponenten ausgegeben werden. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

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Wer Tools zur Berechnung von Temperatur- und Strömungen programmiert, muss die Physik dahinter komplett durchdrungen haben. Für den reinen Anwender genügt es eventuell, für Überschlagsrechnungen die wesentlichen Formeln der Wärmeübertragung parat zu haben. Dazu gehören im Bereich der Wärmeleitung das Fouriersche Gesetz und empirische Gleichungen zur Wärmespreizung.

Bei der Wärmeübertragung zwischen einem Festkörper und einem angrenzenden Fluid beschreiben Nusselt-Korrelationen den Wärmeübergang. Im Falle der Wärmestrahlung kann das Stefan-Boltzmann-Gesetz nützlich sein. Allerdings stößt man hier mit der einfachen Handrechnung schnell an seine Grenzen, da beim übertragenen Wärmestrom die Wechselwirkungen aller Flächen, die mit der Wärmequelle in sichtbaren Kontakt sind, zu berücksichtigen ist.

Eine interessante Möglichkeit für die schnelle Berechnung von Temperaturen in einem elektronischen System ist das Arbeiten mit einem RC-Netzwerk. Dabei wird jede thermisch relevante Schicht im Wärmepfad durch einen thermischen Widerstand R und eine Wärmekapazität C dargestellt (Bild 1).

Sind die thermischen Widerstände und Kapazität im Modell paarweise parallel geschaltet, spricht man vom Foster-Netzwerk. Dieses ist mathematisch einfach zu beschreiben. Das Aufheizen und Abkühlen einer Wärmequelle kann damit im Falle eines eindimensionalen Wärmepfads meist zufriedenstellend beschrieben werden. Allerdings entsprechen die einzelnen R- und C-Werte nicht den Werten der einzelnen Schichten im Aufbau. Das ergibt sich schon daraus, dass die einzelnen Kapazitäten nicht gegen Masse, also die Umgebung, geschaltet sind. Wer allerdings nicht nur den thermischen Widerstand des gesamten Wärmepfads modellieren, sondern mit R- und C-Werten arbeiten will, die den realen Schichten im Aufbau entsprechen, muss das Foster- in ein Cauer-Netzwerk transformieren (Bild 2). Die Beschreibung dazu liefert z.B. die Jedec-Norm JESD51-14.

Das zeitliche Verhalten eines eindimensionalen Wärmepfads lässt sich im Foster-Modell mit einer Summe von Exponentialfunktionen beschreiben. Auf einen einfachen Powerstep ΔP reagiert das System mit einem exponentiellen Temperaturanstieg (Bild 3). Eine zeitlich andere Anregung als ein Powerstep, beispielsweise eine Folge von Rechteckimpulsen, lässt sich leicht durch die Überlagerung zeitlich versetzter Powersteps mit angepasster Leistung ΔPi abbilden. Dabei kann ΔPi auch negative Werte annehmen (Bild 4).

Im Fall des eindimensionalen Wärmepfads kann dies mit überschaubarem Aufwand z.B. in Excel programmiert werden. Für die Berechnung komplizierterer, mehrdimensionaler RC-Netzwerke empfehlen sich grafikorientierte Programme. Der Anwender baut sich sein RC-Netzwerk per Drag&Drop am Bildschirm auf und definiert die Rand- und Anfangsbedingungen. Die Herausforderung ist dabei, die realen Wärmepfade im elektronischen System und deren Wechselwirkung im Modell richtig abzubilden. Die Validierung des Modells durch den Vergleich mit Messergebnissen ist Pflicht. Numerische Berechnungsmethoden sind gegenüber der Berechnung mit RC-Netzwerken genauer, allerdings auch langsamer. Die numerische Berechnung des Auf- und Abkühlens komplexer elektronischer Systemen kann auch heute noch mehrere Tage dauern.

Das Fazit lautet: Numerische Temperatur- und Strömungsberechnung ist heute beim Wärmemanagement in der Elektronik Stand der Technik – auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. In vielen Fällen ist ein auf die Anwendung abgestimmtes, RC-Netzwerk-basiertes Berechnungstool eine sinnvolle Ergänzung. Eine große Variantenvielfalt lässt sich damit fast auf Knopfdruck thermisch bewerten.

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