Doch sein höh'res
Streben
Ist ein schöner
Zug.
3
Ja, renn nur nach
dem Glück,
Doch renne nicht
zu sehr!
Denn alle rennen
nach dem Glück,
Das Glück rennt
hinterher.
Denn für dieses
Leben
Ist der Mensch
nicht anspruchslos genug.
Darum ist all
sein Streben
Nur ein
Selbstbetrug.
4
Der Mensch ist
gar nicht gut,
Drum hau ihn auf
den Hut.
Hast du ihn auf
den Hut gehaut,
Dann wird er
vielleicht gut.
Denn für dieses
Leben
Ist der Mensch
nicht gut genug.
Darum hau ihn
eben
Ruhig auf den
Hut.
Vorhang. Vor
dem Vorhang erscheint Jenny mit einem Lei-
erkasten und
singt den
20
Salomon-Song
1
Ihr saht den
weisen Salomon,
Ihr wisst, was
aus ihm wurd!
Dem Mann war
alles sonnenklar.
Er verfluchte die
Stunde seiner Geburt
Und sah, dass
alles eitel war.
Wie gross und
weis' war Salomon!
Und seht, da war
es noch nicht Nacht,
Da sah die Welt
die Folgen schon:
Die Weisheit
hatte ihn soweit gebracht -
Beneidenswert,
wer frei davon!
2
Ihr saht die
schöne Kleopatra,
Ihr wisst, was
aus ihr wurd!
Zwei Kaiser
fielen ihr zum Raub.
Da hat sie sich
zu Tode gehurt
Und welkte hin
und wurde Staub.
Wie schön und
gross war Babylon!
Und seht, da war
noch nicht Nacht,
Da sah die Welt
die Folgen schon:
Die Schönheit
hatte sie soweit gebracht -
Beneidenswert,
wer frei davon!
3
Ihr saht den
kühnen Cäsar dann,
Ihr wisst, was
aus ihm wurd!
Er sass wie'n
Gott auf 'nem Altar
Und wurde
ermordet, wie ihr erfuhrt!
Und zwar, als er
am grössten war.
Wie schrie der
laut: ›Auch du, mein Sohn!‹
Und seht, da war
es noch nicht Nacht,
Da sah die Welt
die Folgen schon:
Die Kühnheit
hatte ihn soweit gebracht -
Beneidenswert,
wer frei davon!
4
Und nun seht ihr
Macheath und mich.
Gott weiss, was
aus uns wird!
So gross war
unsere Leidenschaft.
Wo haben wir uns
hin verirrt,
Dass man ihn
jetzt zum Galgen schafft?
Da seht ihr
unsrer Sünde Lohn!
Und seht, jetzt
ist es noch nicht Nacht,
Da sieht die
Welt die Folgen schon:
Die Leidenschaft
hat uns soweit gebracht -
Beneidenswert,
wer frei davon!
Moritatensänger:
Die Huren
haben Macheath verraten.
20
Ruf aus der
Gruft
Macheath
(leise und im schnellsten Tempo):
Nun hört die
Stimme, die um Mitleid ruft.
Macheath liegt
hier nicht unterm Hagedorn,
Nicht unter
Buchen, nein, in einer Gruft!
Hierher
verschlug ihn des Geschickes-Zorn.
Gott geb, dass
ihr sein letztes Wort noch hört!
Die dicksten
Mauern schliessen ihn jetzt ein!
Fragt ihr denn
gar nicht, Freunde, wo er sei?
Ist er
gestorben, kocht euch Eierwein.
Solang er aber
lebt, steht ihm doch bei!
Wollt ihr, dass
seine Marter ewig währt?
jetzt kommt und
seht, wie es ihm dreckig geht!
Jetzt ist er
wirklich, was man pleite nennt.
Die ihr als
oberste Autorität
Nur eure
schmier'gen Gelder anerkennt,
Seht, dass er
euch nicht in die Grube fährt!
Ihr müsstet
gleich zur Königin und in Haufen
Und müsstet mit
ihr über ihn was sprechen,
Wie Schweine
eines hinterm andern laufen:
Ach, seine Zähne
sind schon lang wie Rechen!
Wollt ihr, dass
seine Marter ewig währt?
Gesprochen
Mitbürger,
hiermit verabschiede ich mich von euch. Einige
von Ihnen sind
mir sehr nahe gestanden. Dass Jenny mich
verraten haben
soll, erstaunt mich sehr. Es ist ein deutlicher
Beweis dafür,
dass die Welt sich gleich bleibt. Das Zusam-
mentreffen
einiger unglücklicher Umstände hat mich zu
Fall gebracht.
Gut - ich falle.
21
Ballade, in der
Macheath jedermann Abbitte leistet
Ihr
Menschenbrüder, die ihr nach uns lebt,
Lasst euer Herz
nicht gegen uns verhärten
Und lacht nicht,
wenn man uns zum Galgen hebt,
Ein dummes
Lachen hinter euren Bärten.
Und flucht auch
nicht, und sind wir auch gefallen.
Seid nicht auf
uns erbost, wie das Gericht:
Gesetzten Sinnes
sind wir alle nicht -
Ihr Menschen,
lasset allen Leichtsinn fallen.
Ihr Menschen,
lasst euch uns zur Lehre sein
Und bittet Gott,
er möge mir verzeihn.
Der Regen wäscht
uns ab und wäscht uns rein
Und wäscht das
Fleisch, das wir zu gut genährt.
Und die zuviel
gesehn und mehr begehrt:
Die Augen hacken
uns die Raben ein.
Wir haben
wahrlich uns zu hoch verstiegen.
Jetzt hängen wir
hier wie aus Übermut,
Zerpickt von
einer gier'gen Vögelbrut,
Wie Pferdeäpfel,
die am Wege liegen.
Ach, Brüder,
lasst euch uns zur Warnung sein
Und bittet Gott,
er möge uns verzeihn.
Die Mädchen, die
die Brüste zeigen,
Um leichte
Männer zu erwischen,
Die Burschen,
die nach ihnen äugen,