Late Night "Anne Will": Hitziges Gefecht über die Sexualmoral der Kirche - WELT
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Hitziges Gefecht über die Sexualmoral der Kirche

Der Ruf der katholischen Kirche ist in Deutschland nach dem Kindesmissbrauch durch Priester ramponiert. Nun gerät auch Papst Benedikt XVI. in die Kritik. Bei Anne Will gab es einen hitzigen Schlagabtausch zur angeblich verlogenen Sexualmoral der Katholiken. Auch das Thema Homosexualität sorgte für Zündstoff.

Seit Wochen tobt in Deutschland eine Diskussion um den Umgang der katholischen Kirche mit pädophilen Priestern. Auch der Papst geriet immer wieder in die Kritik und sah sich zuletzt dem Vorwurf ausgesetzt, nicht schnell und eindeutig genug durchzugreifen.

Wenn selbst Bankmanager in Deutschland einen besseren Ruf als die katholische Kirche haben, dann muss etwas faul sein im Hause Benedikt. So sah das jedenfalls Anne Will und diskutierte über den deutschen Papst und seine Reaktion auf den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche.

Zu Gast waren Franz-Josef Overbeck, der Bischof von Essen, der Schwulenaktivist und Filmemacher Rosa von Praunheim, die engagierte Katholikin Sophia Kuby sowie die Journalisten Hans-Ulrich Jörges und Matthias Matussek.

In einer teilweise hitzigen und sehr erregt geführten Diskussion waren die Fronten schnell geklärt. Der Regisseur Rosa von Praunheim (u.a. „Die Bettwurst“) nutzte seinen Auftritt zum Rundumschlag gegen die Kirche und ihre angeblich verlogene Sexualmoral.

Die Kirche versuche den Skandal zu vertuschen, sei eine autoritäre Diktatur und der Papst „mit seinen roten Schühchen und seinen Frauenkleidern“ sei auch nicht gerade glaubhaft, wetterte der Filmemacher.

Auch Hans-Ulrich Jörges vom "Stern" kritisierte Papst Benedikt scharf. Allerdings nicht für die Farbe seiner Schuhe, sondern dafür, dass er in der „schwersten Krise der katholischen Kirche in Deutschland“ zu wenig Führung gezeigt und nicht genug zur Aufklärung beigetragen habe.

Doch die Katholiken in der Runde mochten sich der teilweise harschen Kritik am Vatikan natürlich nicht anschließen. Der Bischof, aber auch Matthias Matussek vopm "Spiegel", lobten die klaren Worte, die Papst Benedikt zum „moralischen Sumpf der Pädophilie“ gefunden habe. „Der Papst hat von Anfang an immer deutlich gemacht, dass es ihm darum geht, zu sagen, dass Missbrauch ein Verbrechen und eine Todsünde ist und wir alles dafür tun müssen, um es aufzuklären“, sagte Bischof Overbeck.

Immer wieder betonten die Papsttreuen, dass Kindesmissbrauch kein rein katholisches Problem sei, sondern leider überall in der Gesellschaft verbreitet sei. Matussek kritisierte die „Wellenbewegungen der Hysterisierung in der Öffentlichkeit“, sowie die unangemessene Fokussierung auf die katholische Kirche. Schließlich fände sexueller Missbrauch zu 95 Prozent in Familien statt.

Angesichts dieser Zahlen wirkte manche Wortmeldung der Debatte tatsächlich etwas hysterisch. Jörges verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass das Priesteramt zu einem Anziehungspunkt für sexuell Perverse geworden sei.

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Das Problem der Kirche sei, dass „sie voller Homosexueller ist, die sich als Päderasten an Kindern vergangen haben“, sagte der Journalist und suchte die Schuld vor allem beim „mittelalterlichen“ Zölibat.

Doch weder der Bischof noch Matthias Matussek wollten anerkennen, dass der Zölibat und Pädophilie etwas miteinander zu tun hätten. Der Zölibat sei bewusst antimodern meinte Matussek und verteidigte das Recht darauf, nicht im modernen Mainstream der allgemeinen Triebbefriedigung mitschwimmen zu müssen.

Auch für die praktizierende Katholikin Sophia Kuby war die katholische Sexualmoral eher Bereicherung als Bürde. „Die Tatsache, dass es Missbrauch gibt, kann mich doch nicht dazu verleiten, unseren moralischen Anspruch aufzugeben“, sagte Kuby. Immer deutlicher drängte sich die Frage auf, warum ausgerechnet von Praunheim und Jörges – die als Nicht-Katholiken doch eigentlich nach Herzenslust sündigen dürften – die Lehren einer Kirche kritisierten, der sie nicht angehören und deren Regeln für sie nicht gelten.

So ähnlich sah das auch Matthias Matussek, der etwas verschmitzt den österreichischen Philosophen Paul Feyerabend zitierte: „Wer mit dem Katholizismus nicht einverstanden ist, der soll protestantisch oder atheistisch werden, aber nicht versuchen, ihn durch Reformen zu verunstalten.“

Doch es waren Reformen, die die Kirchenkritiker im Laufe der Diskussion immer aufgeregter forderten. „Lassen sie mich mal ausreden, sie Christenmensch“ fuhr Jörges den Bischof an und beschwerte sich, dass er nicht sagen dürfe, was sich in der Kirche ändern müsse, „weil mich die Katholen an die Wand quatschen“. Er durfte dann doch reden und verlangte wortgewaltig ein Ende des Zölibats und Frauen im Priesteramt „damit dieser Altmännerverein mal durchgepustet wird“.

Danach wurde es richtig laut und Anne Will gelang es auch nicht mehr, die aufgebrachten Gäste zu bändigen. Sie musste sogar aufstehen und die Runde verlassen, um dem allgemeinen Gezeter zu entkommen und einen Einspielfilm anmoderieren zu können.

Bezeichnenderweise wurde es in der Diskussion immer dann emotional, wenn es um die Lehren der katholischen Kirche ging – nicht aber beim Thema Kindesmissbrauch.

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Als der Bischof erklärte, er halte Homosexualität für eine Sünde, oder als Matussek erläuterte, warum Frauen keine Priester werden sollten, ging es hoch her. „Du bist ja ein richtiger Macho-Macker“ griff Rosa von Praunheim den Journalisten an.

Jörges und Praunheim sorgten sich um die katholische Kirch und das Wohl der Katholiken. Der Tenor ihrer Entrüstung war eindeutig: Moderner solle die katholische Kirche werden, Frauen im Priesteramt zulassen, die veraltete Sexualmoral über Bord werfen, den Zölibat aufgeben und sich mehr um die öffentliche Meinung sorgen.

Doch eine solche Kirche gibt es bereits, es ist die evangelische Kirche. Aber auch bei den Protestanten sind weder Rosa von Praunheim noch Hans-Ulrich Jörges Mitglied, und den evangelischen Kirchen werden auch nicht gerade die Kirchentüren von den Gläubigen eingerannt.

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