Biografie: Billy Joel und die zersetzenden Seiten des Ruhms

Es ist etwas Bittersüßes, das so typisch für seine Musik ist, diese Spur Melancholie selbst in den peppigsten Rhythmen. Lieder wie „Piano Man“, „My Life“, „Just the Way You Are“ oder „Uptown Girl“, mit denen Billy Joel berühmt wurde. Vermeintlich einfache Melodien sind es, die seit fast 40 Jahren seine Fans ansprechen. Oft untermalen sie eine anspruchsvolle Geschichte, von Durchschnittsmenschen, von Außenseitern.

Genau diese Mischung aus Schlichtheit und Komplexität charakterisiert nicht nur Billy Joels Musik, sondern offenbar auch ihn selbst, wie die jüngste Biografie über den amerikanischen Singer-Songwriter zeigt („Billy Joel: The Definitive Biography“). Eigentlich wollte der Musikjournalist Fred Schruers ja gemeinsam mit Joel dessen Autobiografie schreiben, doch dann machte der Sänger kurz vor der Veröffentlichung einen Rückzieher. Alles, was es über ihn zu wissen gebe, sei in seiner Musik, meinte Joel plötzlich.

Aber der Musiker erlaubte es seinem ursprünglichen Ghostwriter Schruers, die unzähligen Gespräche, die er mit ihm, seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten geführt hatte, für das Buch zu verwenden. Und das Ergebnis zeigt: Joel hat Unrecht – es gibt weitaus mehr über ihn zu erfahren, als seine Musik verrät.

Das Buch, das soeben in den USA erschienen ist, zeigt einen komplexen, aber sehr liebenswerten Mann, der mit vielen Krisen zu kämpfen hatte und sich trotz allem seine Integrität bewahrt hat. Es ist die bemerkenswerte Geschichte eines Jungen aus einer Arbeiterfamilie, der es mit Entschlossenheit zu etwas Großem gebracht hat – und natürlich dank seines Talents.

Alkohol, Depressionen, kaputte Ehen

Joel war einer der ersten Künstler aus dem Westen, die vor dem Fall der Mauer hinter dem Eisernen Vorhang auftreten durften. Er ist ein intelligenter, bedachter Mann mit vielen Interessen und einer Leidenschaft für Geschichte. Die Dämonen seines Lebens – Alkohol, Depressionen, gescheiterte Ehen – dürften in der Branche bekannt gewesen sein, doch für die meisten seiner Fans sind die Details seiner Lebenskrisen sicher neu.

Die erste Überraschung dürfte die sein, dass es Joel überhaupt nur deshalb gibt, weil seinem Vater, Sohn einer reichen, jüdischen Industriellenfamilie aus Nürnberg, mit den Eltern die Flucht vor den Nazis im Januar 1939 nur knapp vor Kriegsbeginn gelang – über England nach Kuba.

„Ich werde für immer dankbar sein, dass die Familie meines Vaters nach Kuba einreisen durfte“, sagt Joel in dem Buch. „Dass die kubanischen Behörden Juden Asyl gewährt haben, war wahrscheinlich meine Rettung.“

1942 zog die Familie, der die Nazis ihren gesamten Besitz geraubt hatten, in die USA und ließ sich in New York nieder. Helmut Joel, der sich fortan Howard nannte, diente in der US-Armee, kehrte als Soldat nach Nürnberg zurück und kämpfte gegen den deutschen Feind. Schließlich wurde er Teil jener Einheit, die Dachau befreite. Er wusste zu dem Zeitpunkt nicht, dass viele seiner Verwandten in Auschwitz umgebracht worden waren.

Aus Liebeskummer versuchte er, sich das Leben zu nehmen

Howard heiratete 1946 Rosalind, die Tochter einer armen englisch-jüdischen Familie mit polnischen Wurzeln. Sie brachte 1949 den gemeinsamen Sohn William Martin „Billy“ Joel auf die Welt, kurz bevor die Familie nach Hicksville auf Long Island zog, einer Arbeiterkleinstadt, die in Joels Liedern immer wieder eine große Rolle spielen sollte.

Das Buch erzählt von einer Kindheit als Klaviervirtuose, von seiner Zeit als Bandmitglied in den späten 60ern, von den Folgejahren, in denen er versuchte, als Singer-Songwriter groß rauszukommen – und wie er schließlich in den 80er-Jahren zum Superstar wurde. Der Aufstieg war allerdings nicht einfach. 1970 litt Joel unter dem ausbleibenden Erfolg und verliebte sich dann auch noch in seine Managerin und spätere Frau Elizabeth Weber, die zu dem Zeitpunkt mit einem anderen Mann zusammen war. Aus Liebeskummer versuchte er sogar, sich mit Barbituraten das Leben zu nehmen.

„Es ging mir so schlecht“, erzählte er Schruers. „Das Nächste, woran ich mich erinnere, war, dass ich im Krankenhaus aufwachte und erfuhr, dass sie meinen Magen ausgepumpt hatten. Ich dachte: ‚Na toll, nicht mal das kriege ich richtig hin. Noch ein Misserfolg.‘“ Ein paar Wochen später versuchte er es noch einmal, diesmal trank er Möbelpolitur.

Danach verbrachte er drei Wochen im Krankenhaus und erlebte eine Zeit, die er selbst mit dem Film „Einer flog über das Kuckucksnest“ verglich: „Ich erinnere mich daran, wie ich zu den Krankenschwestern ging und sagte: ‚Ich bin okay, aber die da sind verrückt.‘“ Daraufhin hätten die Schwestern ihn, der mit seinen langen Haaren und dem Schnurrbart wie Ludwig XIV. ausgesehen habe, ganz ruhig angeschaut und gesagt: „Ja, Mr. Joel. Hier sind ihre Pillen.“

Parallel führte er Beziehungen zu gleich zwei Supermodels

Doch schon bald sollte sich sein Leben wandeln, seine Karriere nahm Fahrt auf, und auch sein Liebesleben. Tatsächlich spielen Frauen eine Schlüsselrolle für Billy Joel, in seinem Privatleben, aber auch in seinen Songs. Elizabeth Weber zum Beispiel, die Joel 1973 heiratete, war nicht nur seine Managerin, sondern er widmete ihr auch Songs wie „She’s Always a Woman“ und „Just the Way You Are“.

In den frühen 80er-Jahren, auf der Höhe seines Ruhms und nach dem Scheitern seiner ersten Ehe, führte Joel gleich mit zwei Supermodels parallel eine Beziehung – mit Christie Brinkley und Elle Macpherson. Dabei sei es auch zu so absurden Szenen gekommen wie an jenem Abend, als er mit Brinkley zu seinem Penthouse in Manhattan kam und dort auf Macpherson traf, die im Foyer mit ihrem Kulturbeutel in der Hand auf ihn wartete. „Ein Teil von mir dachte in dem Moment: ‚O Gott, was mache ich nur?‘“, erinnert er sich. „Und der andere Teil dachte: ‚Wahnsinn, wenn meine Freunde mich jetzt sehen könnten. Christie Brinkley und Elle Macpherson stehen vor meiner Wohnungstür an.‘“

Das könnte abgehoben wirken, doch tatsächlich zeigt es, wie erstaunt Joel immer wieder selbst über die Wendungen in seinem Leben ist, darüber wie ein durchschnittlich aussehender Mann aus der Arbeiterklasse es dank seines Talents schaffte, so viel zu erreichen. Zugleich reflektiert er dabei die zersetzenden Seiten des Ruhms und des amerikanischen Traums.

Brinkley, die er in „Uptown Girl“ besang, gewann letztlich den Kampf der Supermodels, Joel heiratete sie 1985. Im gleichen Jahr brachte sie Joels einziges Kind, Alexa, zur Welt. Das Paar ließ sich 1994 scheiden. Zehn Jahre später heiratete Joel die mehr als 30 Jahre jüngere Katie Lee. Auch diese Ehe endete in einer Scheidung.

„Ich war ständig wahnsinnig verliebt“

Angesprochen auf seine vielen Beziehungen, sagt Joel: „Ich wurde bekannt für meine Liebeslieder, die Balladen und die eher schnulzenhafteren Stücke. Einige davon sind kitschig. Nun ja, das kommt wohl daher, dass ich ständig wahnsinnig verliebt war.“

All das hatte seinen Preis. Trotz oder vielleicht wegen seines Reichtums (der wird auf 160 Millionen Dollar geschätzt), der Supermodels und seiner musikalischen Erfolge, hat Billy Joel fast sein gesamtes Erwachsenenleben gegen Depressionen und Alkoholismus gekämpft, 2003 und 2005 sogar in Kliniktherapien. Heute sieht es so aus, als habe er seine Krisen überwunden. Er sagt, dank seiner Musik. Noch immer tourt er mit ihr unermüdlich und erfolgreich durch die Welt. Zwischendurch versuchte er sich auch an klassischer Musik.

Auf die Frage, ob er glaubt, dass seine Lieder auch nach seinem Tod noch gehört werden, sagt er: „Ich vermute, dass ein Teil meiner Musik weiterleben wird. Aber das ist für mich kein Trost, sondern eher so etwas wie eine Rechtfertigung dafür, dass ich überhaupt gelebt habe.“

Joels Bandkollege aus Highschool-Zeiten, Jim Bosse, fasst dessen Leben so zusammen: „Billy steht für den amerikanischen Traum – vom Tellerwäscher zum Millionär. Aber unter seinen eigenen Bedingungen.“ Nicht schlecht für einen Klavierspieler aus der Arbeiterklasse einer Kleinstadt.

„Billy Joel: The Definitive Biography“ erschien am 28. Oktober im Verlag Crown Archetype in den USA.