Der Vater von Bill Gates - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. WELT am SONNTAG
  3. Der Vater von Bill Gates

WELT am SONNTAG

Der Vater von Bill Gates

Chefreporterin
Wie macht man aus seinem Kind den reichsten Menschen der Welt? Besuch bei einem stolzen Familienoberhaupt

Bei manchen Menschen staunt man irgendwie, dass sie Eltern haben. Zum Beispiel: Bill Gates, eigentlich William Henry Gates III. Der wirkt, als sei er schon als erwachsenes Kind und Computer-Experte auf die Welt gekommen - einzigartig eben.

Tatsächlich aber gibt es einen, der genauso heißt - genauso aussieht: Das gleiche runde Gesicht, die helle Haut, das fliehende Kinn. John-Boy-Brille auf großer Nase. Nur ist der Mann 30 Jahre älter: William H. Gates, 79 - der Senior. Bill Gates‘ Vater.

„Ach, diese Legenden“, sagt der vergnügte Herr und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. In einer Garage soll die Karriere seines Jungen begonnen haben. „Ach, was“, wehrt der Vater ab. „Die hat es nie gegeben. Wir hatten noch nie eine Garage. Das muss eine Erfindung von „Apple“ sein“, scherzt er über den Konkurrenten. Amerika und seine Tellerwäscher-Millionäre - auch so eine Legende. Bei Gates Junior lief es anders. Der war auf Privatschulen, auf Elite-Universitäten. Das ist dem Vater schon wichtig.

Er selbst war einmal ein bedeutender Anwalt, Partner der renommierten Kanzlei Preston, Gates & Ellis für Wirtschaftsrecht. Sein Vater wiederum verdiente sein Geld einst mit einem kleinen Möbelladen in der Nähe von Seattle. Und noch ein früherer Gates war ein armer Goldschürfer in Alaska.

Eigentlich hat William H. Gates sen.. drei Kinder, zwei Töchter noch. Erzählen aber muss er immer nur von „Trey“, wie der Sohn in der dritten Generation in der Bridge-verrückten Familie genannt wird - nach der dritten Karte in einem Spiel. „Wir Gates waren immer schon fanatische Spieler“, verrät der Pensionär. Und gewinnen war wichtig. Wobei Bill jun. nie ein großer Freund all jener von Olympia-ähnlichen Siegerehrungen gekrönten Schnitzeljagden, Tennismatches, Ball-Turnieren und sonntäglichen Bridge-Marathons war - Teamsportarten eben. Lieber Wasserski. Da tritt man allein an!

William H. Gates sen.. verschränkt die Arme vor der Brust. Ein Mann wie ein Berg im dunklen Anzug verglichen mit dem schmächtigen Sohn. Der ist wie immer schwer beschäftigt an diesem Tag - weshalb er es auch nicht zur Cebit schafft, der größten Computer-Messe der Welt, die nächste Woche in Hannover beginnt. Dazu zuckt der Senior nur hilflos mit den Schultern. Absolutes Unverständnis für die virtuelle Welt der Bits und Chips. „Ich kann E-Mails schreiben. Aber eine Grafik auf Excel? Ich verstehe die Arbeit meines Sohnes bis heute nicht“, lacht er. Und so manches andere auch nicht. Zum Beispiel, dass der Junior ein Trampolin zu Hause stehen hat. Warum wohl? Beim Hüpfen kann der Microsoft-Gründer besser denken.

Der Vater sieht ihn nur selten, obgleich beide am Lake Washington wohnen: Junior-Gates in einem futuristischen Bau, der nur vom Wasser aus einsehbar ist. Ausgestattet mit der neusten Technik, zum Beispiel riesigen Bildschirmen, auf die sich die berühmtesten Gemälde der Welt projezieren lassen. Senior-Gates noch immer in jenem traditionellen, zweistöckigen Haus mit dem großen Fenster zum See, in dem Bill aufgewachsen ist. Mit altmodischer Fotowand im Flur, die an die vielen gemeinsamen Ferien erinnert: Großeltern, Kinder und acht Enkel. Wie der Kennedy-Clan. „Dazwischen mailen wir uns“, erzählt der stolze Daddy. „Mein Sohn ist ein E-Mail-Freak.“

Und immer noch der reichste Mann der Welt. Gerade erst wurde William H. Gates III. mit seinem geschätzten Vermögen von rund 37,5 Milliarden Euro erneut auf Platz 1 der „Forbes“-Liste gehoben. Papa Gates schüttelt den Kopf. „Niemand hätte gedacht, dass der Junge mal das größte Ding der Welt aufziehen würde. Zufall wäre zu viel, aber es kommt der Sache nahe.“

Ganz normal sei immer alles gewesen, erzählt der Vater in seiner unaufgeregten Art. Typisch Jurist. Er lacht viel und spricht sehr höflich mit dieser warmen, großväterlichen Erzählstimme. Dazu dirigiert seine große, rechte Hand jedes Wort, während die Linke ruhig auf seinem Bein liegt.

Anzeige

„Nein, da war nie etwas Auffälliges an Bill“, sagt er. Mit einer Ausnahme: Anstrengend sei der Kleine gewesen. „Bill hatte seine total eigenen Gedanken und seine eigene Art, Dinge zu tun. Er wollte sehr früh schon unabhängig sein, was sehr frustrierend für uns Eltern war, die wir ziemliche Kontrolltypen waren. Besser gesagt: Wir hatten sehr bald überhaupt keine Kontrolle mehr.“

Einmal sollte Bill zum Essen erscheinen. Doch der hatte sich wieder mal in seinem Kellerzimmer, das aufzuräumen seine Mutter längst aufgegeben hatte, vergraben. „Was machst du denn da unten?“, rief sie verzweifelt nach ihm. „Ich denke, Mom“, gab der Sohn schroff zurück. „Hast du es schon mal mit Denken versucht?“

Da war er gerade zwölf Jahre alt und schon ein Fall für den Psychologen, beschlossen die ratlosen Eltern. Rausgeworfenes Geld. „Vergessen Sie es, sie werden verlieren“, erklärte der nämlich nach einem Jahr Therapie nur, „Sie sollten sich besser an ihren Sohn gewöhnen.“ - „Das war ein sehr weiser Rat“, sagt Vater Gates. Es hatte eben noch nie Sinn, mit dem Junior zu konkurrieren.

Das Wort „Software“ liebte der lange bevor er Mädchen küsste. Seinen Schulabschluss schaffte er, ohne je ein Buch mit nach Hause genommen zu haben. Eine Art Zahlenprogramm und ein PC-Spiel, „Tic-Tac-Toe“, waren schließlich der Anfang seiner Computer-Karriere, als er noch Schüler war. Er hatte endlich gefunden, was er suchte. Fortan verbesserte sich auch das Verhältnis zur Mutter.

Mary Maxwell Gates stammte aus einer alten Bankiers-Familie in Seattle. Sie starb vor zehn Jahren an Krebs. Heute ist der Witwer wieder verheiratet mit Mimi Gardner. Sie ist Direktorin des Seattle Art Museum.

Der Name Gates gilt was in Seattle - nicht erst seit Microsoft. Die Familie ist stark verwurzelt dort. Kein Geld der Welt könnte den Milliardärs-Vater je aus der kleinen, hübschen, aber ewigen Regenstadt am Pazifik vertreiben. Die bietet ja auch alles, „Kino, Pizza essen, Golfen“. So normal wie möglich. „Wichtig für die Kinder“, sagt der Großvater. Bodyguards braucht er darum genauso wenig wie der Sohn, auch keinen Chauffeur. Keine Extrawürste, kein Tamtam. „Zuerst die Arbeit“ nennt dieser bodenständige Mann die Quelle des Glücks. „Geld schafft höchstens Bequemlichkeit.“

Glaubt er, dass man Intelligenz lernen kann? „Nein, die kriegt man mit. Aber ich glaube nicht, dass man mit einer Haltung geboren wird. Die wiederum lernt man erst.“ Wird man großzügiger mit Milliarden oder gar geizig wie Getty? Er stutzt: „Getty ist bestimmt nicht durch Geldsparen reich geworden. Nein, daran glaube ich nicht“, sagt der weise Riese.

Anzeige

Er erzählt, wie schüchtern sein Sohn war - nie werde er den Abschlussball vergessen: „Es dauerte Ta-ge bis Bill sich traute, ein Mädchen anzurufen, das ihn begleiten könnte! Schwerstarbeit.“ Und dann sagte sie auch noch ab.

Längst vergessen war das, als der kleine Gates mit 28 Jahren bei einer Pressekonferenz für Microsoft in New York seine heutige Frau Melinda, 39, kennen lernte. Sie wurde die Mutter seiner drei Kinder und führt heute mit ihrem Ehemann die „Bill & Melinda Gates Foundation“. „Aber vor allem ist sie Mutter und Hausfrau“, was den Schwiegervater, Direktor der Foundation, am meisten freut. „Denn Familie zu leben“, betont er, „ist sehr wichtig.“ Außerdem, Bill hatte immer einen Hang, zu spät zu kommen. Heute ist er pünktlicher. Dank Melinda.

Die Verlobung der beiden war etwas ganz Besonderes: An einem Sonntagabend entführte Bill Gates Melinda im Privatjet. Nach Omaha. Zu einem Juweliergeschäft. Es gehörte Gates-Freund Warren Buffett (übrigens Platz 2 der Forbes-Liste), der den Shop extra für den Spezi öffnen ließ. Und Melinda durfte sich einen Ring aussuchen.

Ja, so romantisch können die Gates sein. So kritisch aber auch. Vor allem beim Thema Politik - auch, oder gerade, wenn es um das eigene Land geht. „Ich denke, Amerika legt eine unverzeihliche Arroganz an den Tag“, grübelt Vater Gates. „Wir haben nicht gelernt, anderen Staaten gegenüber einzulenken. Nein, wir insistieren auf unseren eigenen Interessen. Dabei sollten wir lernen, für Kompromisse und Entwicklungen offen zu sein“, mahnt Gates.

Offen sein, das war auch stets sein Erziehungs-Credo: Nicht vorschreiben, Vorbild sein. „Bei uns wurde nie lange geredet. Es gab Taten, die man sich als Beispiel nehmen konnte“, sagt Gates. „Wir hatten für keines unserer Kinder irgendwelche Pläne. Ich denke, seine Eltern zu beobachten bringt mehr, als von ihnen Vorlesungen gehalten zu bekommen.“

Der alte Mann lächelt. „Alle fragen mich immer: Sagen Sie doch mal, wie haben Sie den erzogen? Wie macht man einen Bill Gates?“ Da beugt er sich plötzlich nach vorn und flüstert: „Mal ganz ehrlich, ich weiß es doch auch nicht.“

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema