Betrug Kontoverbindung geändert: Landwirtin verliert 25.000 Euro
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Außergewöhnlicher Fall

Landwirtin fällt auf perfide Betrugsmasche rein und verliert 25.000 Euro

Bodenseekreis / Lesedauer: 5 min

Mit der Masche hatte Sabrina Bentele einfach nicht gerechnet. Die Kriminellen stecken teilweise erheblichen Aufwand in ihre Betrugsmaschen.
Veröffentlicht:24.04.2024, 12:00

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Sie wohnen nur zwei Kilometer Luftlinie voneinander entfernt, sind beide Kunden der Volksbank Bodensee-Oberschwaben - und sind bei einer Überweisung dennoch Opfer von Betrügern geworden: Dieter Wellhäußer und Sabrina Bentele.

Sie wollte einen Traktor für rund 25.000 Euro bei dem Landmaschinenhändler in Appenweiler zwischen Oberteuringen und Meckenbeuren kaufen. Kriminelle fingen die Mail mit der Rechnung ab und veränderten die IBAN. Das Geld ging niemals bei Dieter Wellhäußer ein - und ob es das jemals wird, ist unwahrscheinlich.

Anruf von der Bank

„Hallo Sabrina, hier ist die Rechnung.“

aus der Mail von Dieter Wellhäußer an Sabrina Bentele

Mit diesen Worten habe Wellhäußer die Rechnung für einen Traktor am Mittwoch vor Ostern per Mail verschickt, berichtet Bentele, die in Oberwolfertsweiler bei Tettnang einen Ferienhof betreibt.

Nachdem Bentele die Überweisung in Auftrag gegeben hatte, habe die Volksbank bei ihr angerufen und gefragt, ob sie dem Empfänger vertraue. Klar vertraue sie ihm, schließlich handele es sich um Dieter Wellhäußer aus der Nachbarschaft, so Bentele.

Nach den Feiertagen, an denen Banken bekanntermaßen nicht arbeiten, habe sich Wellhäußer bei ihr gemeldet - die 25.000 Euro seien immer noch nicht eingegangen. Ein Abgleich der Daten zeigte: Bentele hat das Geld an eine falsche IBAN überwiesen.

Ein Rätsel

Betrüger hatten offenbar die Mail abgefangen und die Kontonummer verändert. Die Geschädigte erstattete Anzeige bei der Polizei. Sie meldete den Betrug bei der Volksbank und bei der Bank, auf deren Konto sie den Betrag überwiesen hatte - eine niederländische Bank, die einen Sitz in Deutschland hat und daher Konten mit deutscher IBAN anbietet.


Wo die Schwachstelle lag und wie es die Kriminellen schafften, die Mail zu verändern, ist derzeit noch unklar. Sowohl Wellhäußer als auch Bentele betonen, sie hätten Spezialisten über ihre Technik schauen lassen und diese hätten ihnen versichert: Alles ist sauber.

Klar ist, dass die Betrüger es ein zweites Mal schafften, die IBAN zu verändern, wie Wellhäußer sagt. Er habe nach Bekanntwerden des Betrugs die Rechnung noch mal an Bentele geschickt. Rund eine Viertelstunde später sei die Mail bei Bentele eingegangen - wieder mit einer geänderten IBAN, diesmal mit einer anderen Nummer bei einer anderen Bank.

Kleine Unternehmen im Visier der Betrüger

Der genaue Ablauf im konkreten Fall sei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben nicht bekannt. „Es ist jedoch wahrscheinlich, dass ein Hacking des Mailpostfachs die Ursache war“, sagt Melanie Riether, Referentin für Industrie, Technologie und Innovation der IHK. „Betrugsfälle oder Cyberangriffe erfolgen stets nach einem komplexen und oft hochindividuellen Muster.“

Angreifer würden teilweise erheblichen Aufwand in mehrstufige Angriffe investieren. Dabei seien Unternehmen aller Branchen und Größenordnungen betroffen. Laut dem Lagebericht zur Cybersicherheit des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik wurden zuletzt vermehrt kleine und mittlere Unternehmen angegriffen.

Die Polizei teilt auf Anfrage mit, dass die Ermittlungen zu dem Fall laufen. Konkrete Zahlen zu dieser Betrugsmasche liegen der Polizei nicht vor, sagt Simon Göppert vom Polizeipräsidium Ravensburg. Er verweist auf ein großes Dunkelfeld, vor allem wenn es keine finanziellen Verluste gibt. Das konkrete Vorgehen bei Wellhäußer und Bentele bezeichnet der Polizeisprecher als „nicht alltäglichen Fall“.

50.000 Euro verloren

Um einen Einzelfall handelt es sich aber nicht, wie die Geschichte von Bernd Beger zeigt. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Apparatebauers in Oberteuringen und wurde Opfer derselben Betrugsmasche - beziehungsweise ein langjähriger Kunde aus dem Altkreis Saulgau. „Er hat mich eines Tages angerufen und gefragt, warum er von uns eine Mahnung bekommen hat“, berichtet Beger.


Eine Nachfrage bei der Buchhaltung habe ergeben, dass der Kunde tatsächlich schon die Rechnung beglichen hatte - aber merkwürdigerweise sei auf der Mahnung, die der Kunde erhielt, eine fremde IBAN zu lesen gewesen. Daraufhin habe die Firma alle Kunden angeschrieben mit der Warnung: Die Kontonummer von Beger Apparatebau hat sich nicht geändert.

Die Warnung half beim nächsten Auftrag für dieselbe Firma nicht. „Die Rechnung ist bei ihm wahrscheinlich am Postfach abgefischt worden, wieder mit der falschen Kontonummer“, sagt Beger. Knapp 50.000 Euro gingen an die Betrüger.

Kritik an der IHK

Es folgte ein Rechtsstreit, der mit einem Vergleich endete: 78 Prozent des Betrages muss der Kunde zahlen, die restlichen 22 Prozent Unternehmer Beger. Zu seinem Glück hat der Unternehmer eine Versicherung, die ihn in Fällen von Internetkriminalität schützt. Sie habe den Betrag übernommen.

Eine solche Versicherung hat Wellhäußer nicht. Und nicht nur das, die Masche an sich war ihm nicht bekannt, die er als „Katastrophe für den Mittelstand“ bezeichnet. Wellhäußer kritisiert, die IHK hätte ihre Mitglieder darüber informieren sollen.

Die IHK widerspricht: Sie habe aktiv über Betrugsmaschen aufgeklärt, unter anderem im Rahmen des jährlichen Kongress IT-Sicherheit, in welchem gängige Angriffs- und Betrugsszenarien und Schutzmöglichkeiten ebenso thematisiert würden wie neue Angriffsmethoden; außerdem in Titelthemen des IHK-Magazins sowie in Seminaren.

Ein bisschen Hoffnung

Wellhäußer sagt, er verschicke Rechnungen mit größeren Beträgen nur noch per Post. Wie es jetzt weitergeht, ist ungewiss. Ermittler der Kriminalpolizei haben beide Rechner untersucht, bislang hätten sie keine Auffälligkeiten gefunden, so die Geschädigten. Die Ermittler könnten vielleicht die Spur der Betrüger nachvollziehen, sagt Bentele. Das ist zumindest ihre Hoffnung.


Was tun gegen Mailbetrug?

Die Ursache für erfolgreiche Betrugsmaschen sind laut der IHK Bodensee-Oberschwaben in den meisten Fällen Lücken in der Informationstechnik. Schützen können sich Unternehmen unter anderem durch Antivirensoftware, Firewalls und regelmäßige Sicherheitspatches. Außerdem helfen der IHK zufolge ein Mehr-Augen-Prinzip vor Auszahlung höherer Beträge und eine regelmäßige Schulung der Beschäftigten für aktuelle Angriffsmethoden.

Unternehmen, die trotz aller Vorsichtsmaßnahmen betroffen sind, sollten sich umgehend an die Zentrale Ansprechstelle Cybercrime beim Landeskriminalamt wenden, um weitergehenden Schaden abzuwenden, rät die IHK. Häufen sich bestimmte gemeldeten Fälle, können die Behörden eine öffentliche Warnung aussprechen.

Die IHK Bodensee-Oberschwaben bietet zum Thema Cybersicherheit eine kostenlose Erstberatung und Vermittlung weiterführender Anlaufstellen und Dienstleister an. Die nächste Veranstaltung der Polizei für Unternehmen zum Thema Cyberkriminalität findet im November in Leutkirch statt. Informationen über Betrugsmaschen finden sich hier.